Zum Hauptinhalt springen

Rund um die Geburt

Das Kapitel „Rund um die Geburt“ umfasst den Zeitraum vom Geburtsbeginn bis zum Abgang der Nachgeburt.

Eine schnelle Geburt ist immer anzustreben, da dies viele Vorteile hat. Der Anteil totgeborener Ferkel sinkt und die Vitalität der Neugeborenen steigt. Die Ferkel haben eine gute Startphase und eine bessere Gewichtsentwicklung. Auch für die Sau bringt eine zügige Abferkelung einige Vorteile. Der Geburtsstress wird verringert und auch die Postpartalphase, also die mütterliche Phase unmittelbar im Anschluss an eine Geburt, verläuft häufig problemloser. Das anschließende Absetz-Rausche-Intervall ist so kurz wie angestrebt.

Darüber hinaus profitieren auch der Tierbetreuer und die anderen Sauen von einem flotten Geburtsverlauf. Je schneller alle Sauen abgeferkelt haben, desto früher kehrt Ruhe im Stall ein.

6.1 Die Geburt

Nach einer durchschnittlichen Trächtigkeitsdauer von 115 Tagen (variiert von 112 bis zu 117 Tagen) kommt es zur Geburt der Ferkel. Das Signal zum Start geht dabei von den Ferkeln aus. Bei einem Großteil der Sauen lässt sich Unruhe und Nestbautrieb kurz vor der Geburt in Form von Manipulation am Beschäftigungsmaterial beobachten. Teilweise kann eine erhöhte Bewegungsaktivität beobachtet werden. Die Sauen suchen dabei häufig angenehmere Liegepositionen.

Das Abferkeln erfolgt im Liegen. Die Sau legt sich etwa eine Stunde vor der Geburt in eine ruhige Seitenlage und die Bauchpresse ist zu beobachten. Wenn sich die Milch im Strahl ermelken lässt, ist dies ein guter Hinweis auf den baldigen Beginn der Geburt. Sieht man deutliche Presswehen und eine erhöhte Atemfrequenz, weiß man, es ist soweit.6 Die Geburtsdauer bei modernen Hochleistungssauen zieht sich immer weiter in die Länge. Bei mehr als 16 Ferkeln dauern die Geburten im Schnitt bereits 6,85 Stunden.70 Sauen, die sich frei bewegen können, stehen mindestens einmal während der Geburt für ein bis drei Minuten, meist zwischen den ersten drei Ferkeln auf und beriechen die Ferkel. Im weiteren Geburtsverlauf bleibt die Sau liegen und wechselt nur selten die Liegeseite, wenn sie nicht gestört wird. Dies festigt auch die Mutter-Kind-Beziehung. Befindet sich ein Ferkel im Becken der Sau, hilft diese durch Anziehen ihrer Hinterbeine den Durchtritt für das Ferkel zu erleichtern. Die intakte Nabelschnur verhindert, dass sich die Ferkel bei der Gesäugesuche zu weit von der Sau entfernen (Gummibandfunktion). Auch ein langer Schwanz der Sau verhindert, dass das Ferkel die falsche Richtung einschlägt. Dabei orientiert sich das Ferkel an den Winkeln zwischen Beinen und Hinterteil oder Bauch der Sau. Als weitere „Hilfsmittel“ zum Auffinden des Gesäuges nutzen Ferkel die Borstenart und -ausrichtung, die Härte des Körperteils (Ferkel suchen weiches Gesäuge) und die Temperatur (die Temperatur nimmt zum Gesäuge hin zu).71 Damit die Ferkel problemlos den Weg finden, dürfen keine Hindernisse (z. B. Kothaufen/Jutesack) im Weg sein. Auf dem Weg zum Gesäuge stellen die Hinterbeine der Sau das erste Hindernis dar, das umlaufen oder überklettert werden muss6 (Abb. 17).

Erfahrene Sauen heben bei Berührungen durch die Ferkel das obere Hinterbein, damit der Weg zum Gesäuge für die Ferkel frei wird.72 Bei mütterlichen Sauen im Kastenstand ist z. B. häufiger das Legen des Hinterbeins auf die Stange des Ferkelschutzkorbs beobachtbar.

Geht die Geburt dem Ende zu, macht die Sau Grunzlaute (als Lockruf) für ihre Ferkel. Dies dient der Kommunikation von Sau und Ferkel und festigt die Sau-Ferkel-Bindung. Der Geräuschpegel im Abferkelabteil sollte daher nicht zu laut sein.

Etwa ein bis zwei Stunden (Spanne von unter einer halben bis 4 Stunden) nach dem letzten Ferkel geht die Nachgeburt ab, womit das Abferkeln abgeschlossen ist.  

6.2 Geburtsüberwachung

Im Abferkelstall ist ruhiges, überlegtes Arbeiten wichtig, um ein Aufschrecken der Sau und somit Stress zu verhindern.

Zur Vorbeugung von erhöhten Saugferkelverlusten sollten die Sauen während der Geburt regelmäßig überwacht werden. Damit soll vor allem erreicht werden, dass Komplikationen während des Geburtsvorgangs frühzeitig erkannt und behandelt werden können.

Hilfreich ist es dabei, an der Bucht zu notieren, zu welcher Uhrzeit wie viele Ferkel geboren sind und ob bereits Geburtshilfe geleistet oder Medikamente verabreicht wurden. So können der Geburtsverlauf und auch die Geburtsdauer erfasst werden und stockende Geburten sind objektiver zu erkennen. Vor allem in großen Sauenbeständen und bei großen Abferkelgruppen verliert man sonst schnell den Überblick. Werden Geburtsprobleme frühzeitig erkannt, kann so rechtzeitig Geburtshilfe geleistet werden. Über den Tag verteilt sollte ca. alle 30 Minuten bei den Sauen in der Abferkelung kontrolliert werden. Auch Kontrollen in der Nacht oder mindestens am späten Abend und am frühen Morgen sind sinnvoll, um Saugferkelverluste noch weiter zu reduzieren. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist sehr aufwändig, da mehr Personal benötigt wird, kann sich aber lohnen. Alternativ können auch wie im Milchviehbereich Kamerasysteme die Nachtwache erleichtern (Abb. 18). Auch für die Sauen ist die Videoüberwachung von Vorteil, da die Tiere nicht durch häufiges Kommen und Gehen des kontrollierenden Tierbetreuers gestört werden.

Wenn die Abferkelungen immer über das Wochenende stattfinden, wird die Geburtsüberwachung häufig auf ein notwendiges Maß reduziert. Um es für den Tierbetreuer angenehmer zu machen, können die Wochentage der Besamung so gewählt werden, dass der Hauptabferkeltag innerhalb der Arbeitswoche ansteht. Oft muss dann allerdings am Wochenende besamt werden. Deshalb müssen Zeitfenster mit hoher Arbeitsbelastung in die betriebsindividuellen Arbeitsabläufe passen.

Tipp

  • Geburtseinleitung mit PGF2alpha am Mittwoch, wenn am Donnerstag der Geburtstermin ist, aber frühestens an Tag 115/116 nach letzter Besamung
  • Geburtsüberwachung: Mittwoch bis Freitag: Spätschicht bis 22:00 und Beginn ab 6:00 Uhr zur Ferkelwache → Geburtsdauer/Ferkel im Durchschnitt 10 bis 15 Minuten (< 1 bis 30 Minuten) – ab 1 bis 2 Stunden ohne neu geborenes Ferkel eingreifen – je nach Befinden der Sau

Vitalitätskriterien (Grenzwert) für neugeborene Ferkel

  • Zeit bis zum Nabelschnurriss: 10 Minuten nach der Geburt
  • Zeit bis zum ersten Gesäugekontakt: 15 – 20 Minuten nach der Geburt → Ferkel ist noch feucht
  • Zeit bis zur ersten Milchaufnahme: 40 Minuten nach der Geburt → Ferkel ist schon angetrocknet

Ferkel, die weniger als 40 Minuten bis zur ersten Aufnahme von Kolostralmilch brauchen, realisieren eine Verlustrate, die unter der mittleren Gesamtverlustrate liegt (Abb. 19). Wird dieser Wert überschritten, steigt die Verlustrate steil an. Dabei ist nicht nur dieser absolute Grenzwert zu bewerten. Es zählt offensichtlich jede Minute. Das Geburtsgewicht wirkt sich ebenfalls dramatisch auf die relative Verlustrate (mittlere Verlustrate aller Ferkel - Verlustrate der Kategorie) aus. Je leichter die Ferkel geboren werden, desto länger brauchen sie, um sich an das Gesäuge vorzuarbeiten. Vitale Ferkel sind in weniger als 10 Minuten am Gesäuge und haben nur ein geringes Verlustrisiko. Leichtere, schwächere Ferkel brauchen bis über eine Stunde zur ersten Milchaufnahme und haben dann eine deutliche höhere Verlustrate. Ursache und Wirkung der Zusammenhänge zwischen Geburtsgewicht, Vitalität und Zeit bis zur Kolostrumaufnahme sind nur schwer zu trennen.73

6.3 Geburtshilfe

6.3.1 Wann ist eine Geburtshilfe notwendig?

Wenn seit mehr als sechs Stunden Milch im Strahl aus dem Gesäuge kommt oder die Sau über längere Zeit Wehentätigkeiten zeigt, ohne dass Ferkel geboren wurden, ist eine Geburtshilfe notwendig. Normalerweise sollte nicht mehr als 15 bis 20 Minuten zwischen der Geburt der Ferkel liegen. Auch wenn es bei der Sau zur Störung des Allgemeinzustandes kommt, sollte gehandelt werden. Sind seit der Geburt des letzten Ferkels zwei Stunden vergangen, ohne dass die Nachgeburt abging oder die Sau gefressen oder getrunken hat, sollte ebenfalls gehandelt werden.

6.3.2 Geburtshilfe Schritt für Schritt

Als Erstes muss die Ursache für das Stocken der Geburt ermittelt werden!

Durch Massieren der Gesäugeleiste oder vorsichtiges Massieren mit der Faust in der Flankengegend, kann man Wehen stimulieren. Dies führt nämlich zur Ausschüttung von Oxytocin. Durch die erneuten Wehen verändern sich häufig etwas die Platzverhältnisse im Bauch und leicht verdrehte Ferkel können mitunter wieder richtig gedreht werden.

Helfen diese ersten Maßnahmen nicht (kein weiteres Ferkel nach 30 Minuten oder nach zwei Stunden zum Ende der Geburt, ohne dass Nachgeburt abgegangen ist) wird eine vaginale Untersuchung der Sau durchgeführt! Dabei ist die Einhaltung der Hygiene das oberste Gebot. Hierzu wird zuerst die äußere Scham trocken gereinigt. Die Geburtshilfe erfolgt immer mit langen Einmalgeburtshandschuhen und ausreichend sterilem Gleitgel. Als erstes kontrolliert man, ob der Gebärmuttermund geöffnet ist. Dann tastet man, ob ein Ferkel den Weg versperrt und mit der Hand entfernt werden kann. Auch die Suche nach weiteren Ferkeln im Geburtskanal, die von selbst nicht herauskommen oder durch ein Ferkel blockiert wurden, ist wichtig.

Bei Wehenschwäche muss das Ferkel aktiv aus dem Geburtskanal herausgezogen werden. Um die Wehentätigkeit anzukurbeln, kann man der Sau Calcium oder ggf. auch zusätzlich Oxytocin spritzen. Vorher muss jedoch kontrolliert werden, ob der Geburtsweg frei ist.

Erfahrungen aus der Praxis

  • "Bewegung hilft manchmal, wenn die Geburt stockt. Wir lassen die Sau dann ein paar Mal den Gang rauf und runter laufen."

Erste-Hilfe-Maßnahmen

  • blau verfärbte Ferkel (Verdacht auf Sauerstoffmangel) an Hinterbeinen schwenken und Schleim aus Nase und Maul entfernen
  • Trockenreiben von Ferkeln zur Herz-Kreislauf-Anregung
  • unterkühlte Ferkel unter die Wärmelampe legen oder im Luftring hängend in einem Eimer mit warmem Wasser aufwärmen
  • Glucosegabe (oral oder 10 ml 5 % Glucoselösung intraabdominal) als lebensrettende Maßnahme bei geschwächten Ferkeln

TierSchNutztV

§ 24 Absatz 4

"Eine Abferkelbucht, in der sich die Jungsau oder Sau frei bewegen kann, muss eine Bodenfläche von mindestens sechseinhalb Quadratmetern aufweisen und der Jungsau oder Sau ein ungehindertes Umdrehen ermöglichen. Eine Abferkelbucht muss ferner so angelegt sein, dass hinter dem Liegebereich der Jungsau oder der Sau genügend Bewegungsfreiheit für das ungehinderte Abferkeln sowie für geburtshilfliche Maßnahmen besteht."