Managementmaßnahmen vor der Geburt
Zeitraum: Einstallen in den Abferkelstall bis zum Geburtsbeginn
5.1 Zeitpunkt des Einstallens
Die Einstallung sollte vier bis sechs Tage vor dem errechneten Geburtstermin geschehen und kommt dem natürlichen Verhalten von Sauen entgegen, die sich auch in der freien Natur einige Tage vor der Geburt vom Familienverband absondern. Außerdem kann sich die Sau noch an die neue Bucht gewöhnen. Eventuell aufkommender Stress durch den Ortswechsel sollte rechtzeitig vor der Geburt „abgebaut“ werden können.
Unbekanntes Nestbaumaterial sollte erst nach dem Einstallen vorgelegt werden, da einige Sauen davor „erschrecken“ und das Einstallen in die Bucht erschwert wird. Damit die Sau vorab die Bucht kennenlernen kann, sollte sie nicht direkt nach dem Einstallen fixiert werden.
TierSchNutztV
§ 24 Absatz 4
"Eine Abferkelbucht, in der sich die Jungsau oder Sau frei bewegen kann, muss eine Bodenfläche von mindestens sechseinhalb Quadratmetern aufweisen und der Jungsau oder Sau ein ungehindertes Umdrehen ermöglichen. Eine Abferkelbucht muss ferner so angelegt sein, dass hinter dem Liegebereich der Jungsau oder der Sau genügend Bewegungsfreiheit für das ungehinderte Abferkeln sowie für geburtshilfliche Maßnahmen besteht."
§ 30 Absatz 2b
"Werden Jungsauen oder Sauen im Zeitraum von einer Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin bis zum Absetzen ihrer Ferkel nicht in der Gruppe gehalten, dürfen sie nur in Buchten gehalten werden, die den Anforderungen des § 24 Absatz 4 entsprechen. Dabei dürfen Jungsauen und Sauen nur für einen Zeitraum von längstens fünf Tagen, der die Zeit beinhaltet, in der die Jungsau oder Sau abferkelt, im Kastenstand gehalten werden."
5.2 Vorbereitung des Stalles
Kontrollpunkte
- separates Schuhwerk für den Abferkelstall
- Schuhwechsel vor dem Betreten des Abteils oder eine Desinfektionswanne vor dem Abteil aufstellen
- Tränkedurchflussraten (> 2,5 – 3,0 l/min) und Wassertemperatur (> 12 °C, aber auch nicht zu warm) prüfen
- Kontrolle der Ferkelnesttemperaturen (Infrarotthermographie der Bodenplatte: 39 – 41 °C auf 40 – 50 % der Plattenoberfläche)
- Hygiene-/Trockenpulver ins Ferkelnest streuen
5.3 Wasserversorgung
Eine Sau säuft in der Abferkelbucht bei warmen Temperaturen bis zu 50 l pro Tag. Daher muss den Sauen in der Abferkelbucht jederzeit ausreichend und sauberes Wasser zur Verfügung stehen. Schweine sind Schlürftrinker, das heißt, sie tauchen den Unterkiefer in die offene Wasserfläche und saugen mit einer schlürfenden Bewegung das Wasser ein. Damit dies auch funktioniert, muss der Wasserstand in der offenen Tränke hoch genug sein (ca. 5 cm). Sofern Aqua Level benutzt werden, sollten die Tröge möglichst kippbar und gut zu reinigen sein, damit Futterreste und altes Wasser regelmäßig und einfach entfernt werden können. Eine gute Troghygiene ist in diesem Bereich unabdingbar. Bei offenen Tränken ist die Keimbelastung des Wassers regelmäßig zu kontrollieren.
Eine hohe Durchflussrate von 2,5 bis 3,0 l/min sollte für säugende Sauen gegeben sein (Tab. 4).
Haltungsabschnitt | Lebendmase (kg) | Wasserbedarf (l/Tier und Tag) | Durchflussmenge (l/min) |
Saugferkel | < 9 | 0,7 – 1 | 0,4 – 0,5 |
Absetzferkel | < 29 | 1 – 3 | 0,5 – 0,7 |
Mastschweine | < 50 | 3 – 6 | 0,6 – 1,0 |
50 – 80 | 5 – 8,5 | 0,8 – 1,2 | |
80 – 120 | 8,5 – 11 | 1,5 – 1,8 | |
güste und niedertragende Sauen | 8 – 12 | 1,5 – 1,8 | |
hochtragende Sauen | 10 – 15 | 1,5 – 1,8 | |
säugende Sauen | 15 + 1,5/Ferkel | 2,5 – 3,0 | |
Eber | 12 – 15 | 1,0 – 1,5 |
Beißnippel und Tröge müssen vor der Einstallung gereinigt und desinfiziert werden. Es ist darauf zu achten, dass vor Einstallung keine Reste der Desinfektion im Trog sind. Eine Mutter-Kind-Tränke (Abb. 12) ist als Zusatztränke empfehlenswert. Die Ferkel lernen nicht nur von der Sau die Wasseraufnahme aus einer Tränke, sondern sie nehmen auch Keime aus dem Speichel und Futterresten der Muttersau auf, was sich auch positiv auf die Gesundheit auswirken kann, da das Immunsystem „trainiert“ wird. Zudem können sogar liegende Sauen während der Geburt Wasser aufnehmen.
Ist keine Mutter-Kind-Tränke vorhanden, empfiehlt es sich, zusätzlich zur Nippeltränke Tränkschalen (Abb. 13 & 14) aufzustellen, um die Wasseraufnahme der Saugferkel zu unterstützen. Diese dürfen nicht von der Sau erreichbar sein. Das heißt, dass sie sowohl bei geöffnetem Kastenstand in der Bewegungsbucht als auch in der freien Abferkelung außerhalb des Aktionsbereichs der Sau platziert sein müssen.
Um die Tränke möglichst sauber und den Bereich rundherum trocken zu halten, ist auf die Positionierung zu achten. Bevorzugt werden Tränken über Spalten angebracht, damit Wasser ablaufen kann. Das bedeutet auch, dass die Tränke nicht zu nah am Ferkelnest positioniert werden sollte.
5.4 Nestbaumaterial
In der freien Natur verwenden Wildschweine Gras, Laub und kleine Zweige zum Nestbau. Da das Nestbauverhalten ein angeborenes Verhalten ist, muss auch bei der Haltung von Sauen geeignetes Nestbaumaterial, welches durch Scharren, Wühlen und Tragen zu bearbeiten ist, angeboten werden. Möglich sind z. B. Jutesäcke, Heu oder langstieliges Stroh (Abb. 15). Wenn Heu oder Stroh eingesetzt werden, ist vor allem darauf zu achten, dass das Material nicht gleich zwischen den Spalten verschwindet. Vor allem direkt unter der Raufe sollte ein zumindest schlitzreduzierter (Abb. 16) oder planbefestigter Bereich eingerichtet werden. Heu und Stroh sollten bei Bedarf mehrfach nachgelegt werden.
Der Zugang zu Stroh (Video 8) kann die Nestbauaktivität anregen.66 Damm et al.67 zeigten, dass die Anzahl der Erdrückungsverluste bei Sauen mit freiem Zugang zu Stroh reduziert war. Beim Vergleich zwischen Stroh und Torf zeigten Sauen mit Stroh als Nestbaumaterial deutlich mehr Nestbauaktivität. Bei den meisten Betrieben wird derzeit häufig ein Jutesack als Nestbau- und später als Beschäftigungsmaterial eingesetzt. Dies wird sicher auch bei der Umstellung auf Bewegungsbuchten so sein. Ein festgebundener Jutesack gibt jedoch nur einen Anreiz zum Kauen und zur Manipulation, nicht zu den anderen Verhaltensweisen beim Nestbau. Er ist daher kein optimales Nestbaumaterial. Um zumindest teilweise den Nestbautrieb zu befriedigen, sollte er so angebracht werden, dass er ein gutes Stück auf dem Boden aufliegt. Auch wenn Sauen Jutesäcke gut annehmen, sollte ihre Eignung als Nestbaumaterial kritisch geprüft werden. Sie haben wenig Effekte auf Ferkelsterblichkeit und sind kein gleichwertiger Ersatz für langstieliges, manipulierbares Material.11
Grundsätzlich gilt: Verfügbarkeit von passendem Nestbaumaterial wirkt sich immer positiv auf das Nestbauverhalten aus!
Neben der Qualität ist auch die Menge von organischem Nestbaumaterial, immer unter Berücksichtigung des Güllesystems, zu beachten. Einige Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass mit etwa 2 kg langstieligem Stroh ab 24 Stunden vor der Geburt das Nestbauverhalten ausreichend befriedigt wird.11 In anderen Untersuchungen verbrauchten Sauen vor und nach dem Abferkeln täglich im Durchschnitt 0,5 kg Stroh, welches in einer Raufe vorgelegt wurde. Am Tag der Geburt verbrauchten die Sauen im Durchschnitt 1,5 kg mit einer Spanne von weniger als 0,5 kg bis zu 7,5 kg Stroh.46
Anmerkung
Ziel ist es nicht, dass die Sau ein Nest baut, sondern die Sau soll das Verhaltensmuster ausleben können. Ein Wildschwein in der freien Natur muss ein Nest bauen. Dies ist bei unseren Hausschweinen weder notwendig noch gewollt, da den Ferkeln ein sicheres Nest zur Verfügung steht. Damit die Ferkel dieses annehmen, wird viel getan.
TierSchNutztV
§ 30 Absatz 7 Satz 2
"In der Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin muss jeder Jungsau oder Sau ausreichend Stroh oder anderes Material zur Befriedigung ihres Nestbauverhaltens zur Verfügung gestellt werden, soweit dies nach dem Stand der Technik mit der vorhandenen Anlage zur Kot- und Harnentsorgung vereinbar ist."
Ausführungshinweise (Stand 05/2023)
"Jungsauen und Sauen zeigen kurz vor dem Abferkeln Nestbauverhalten und brauchen hierzu ein geeignetes Material, am besten Stroh. Der Bezug auf den „Stand der Technik“ verpflichtet den Tierhalter, gegebenenfalls verfügbare Einrichtungen oder Anlagenteile nach- oder zuzurüsten, wenn die Entmistungsanlage insgesamt damit die Verwendung von Nestbaumaterial ermöglicht (vgl. amtliche Begründung BR-Drucksache 119/06). Somit müssen zumindest in Neu- und Umbauten die Haltungsbedingungen, insbesondere in Hinblick auf Bodengestaltung und Gülletechnik, so gestaltet werden, dass die Verwendung von optimal geeigneten Nestbaumaterialien wie z. B. Stroh möglich ist.
In bestehenden Haltungen, in denen der Einsatz von Stroh mit der vorhandenen Anlage zur Kot- und Harnentsorgung nicht vereinbar ist, sind andere Materialien wie beispielsweise Jutesäcke der Sau zur Verfügung zu stellen.
Das Nestbaumaterial sollte spätestens ab dem 112. Trächtigkeitstag angeboten werden und muss mindestens bis zum Ende des Geburtsvorgangs ständig in ausreichenden Mengen vorhanden sein. Das Nestbaumaterial muss von der Sau ins Maul genommen und getragen werden können. Im Falle einer Haltung im Kastenstand, muss gewährleistet werden, dass das Nestbaumaterial für die Sau sicher erreichbar ist, da nicht erreichbares Nestbaumaterial zu vermeidbarer Erregung führt."
5.5 Schließen des Ferkelschutzkorbs vor der Geburt
Der genaue Zeitpunkt, zu dem der Ferkelschutzkorb geschlossen wird, ist ein Spagat. Für das vollständige Verzichten des Schließens spricht zum einen die Befriedigung des Nestbauverhaltens der Sau und zum anderen das Ermöglichen einer Trennung von Kot- und Liegeplatz. Demgegenüber bietet ein geschlossener Kastenstand den Ferkeln sowie teilweise auch dem Tierbetreuer Schutz. Das unzureichend befriedigte Nestbauverhalten bei vor der Geburt fixierten Sauen kann durch Vorlage von genug geeignetem Nestbaumaterial nur zum Teil kompensiert werden.
An welchem Tag vor der Geburt die Sauen in der Bewegungsbucht fixiert werden, ist betriebsindividuell und erfordert gerade in der Umstellungsphase auf Bewegungsbuchten einige Probedurchgänge.
Erfahrungen aus der Praxis
- "Schließen des Kastenstandes während der Fütterungszeit, so stehen die Sauen in der richtigen Position."