Allgemeine Managementempfehlungen
4.1 Gute Mensch-Tier-Beziehung
Eine gute Mensch-Tier-Beziehung ist sowohl für den Tierbetreuer als auch für das Schwein für einen entspannten Alltag entscheidend. Besonders um den Geburtszeitraum ist ein gewisses Vertrauen der Sauen wichtig. Angst oder Nervosität gegenüber dem Menschen wirken sich sowohl auf das Abferkeln als auch das mütterliche Verhalten negativ aus.56 Reagieren Sauen nervös auf die Anwesenheit des Menschen oder versuchen sie sich zurückzuziehen, kann dies zu vermehrtem Aufstehen/Hinlegen während und nach der Abferkelung führen. Hierdurch steigt das Risiko von Erdrückungsverlusten.57, 58
Was kann man als Tierbetreuer tun?
Zuerst einmal: wenn man selbst ruhig ist, hat dies direkt einen positiven Effekt auf die Sau. Da sowohl die Anzahl als auch die Dauer der positiven Emotionen entscheidend sind,59 sollte man sich also immer wieder Zeit für Zuwendungen nehmen (Abb. 8). Kraulen (Video 4), leichtes Klapsen, auch mal während der Ruhephase, ruhiges Reden bis hin zu leiser und ruhiger Musik über Tag wirken beruhigend auf die Sau.60, 61, 62 Auch durch Füttern z. B. mit Heu oder Stroh aus der Hand kann man sich mit den Sauen anfreunden. Intensives Waschen der Sauen fördert ebenfalls die direkte Mensch-Tier-Beziehung und kann den späteren Umgang mit den Sauen verbessern.
Erfahrungen aus der Praxis
- "Ein sehr gutes Verhältnis zur Herde und regelmäßiger Berührungskontakt (z. B. Kopfkraulen) erleichtern die Arbeit – vor allem in der Abferkelung – enorm. Werde ich nicht als Gefahr wahrgenommen, so ist das Stresslevel der Sau geringer. Werden meine Berührungen als angenehm empfunden, erleichtert das z. B. eine Gesäugeuntersuchung sehr."
"Sprechen mit der Sau/den Ferkeln beim Betreten des Abteils."
4.2 Tipps für den Start
Die Arbeitssicherheit spielt bei geöffnetem Ferkelschutzkorb in der Bewegungsbucht sowie in der freien Abferkelung eine große Rolle.
Sauen, die das System nicht erlernen oder eine erhöhte Aggressivität gegenüber Menschen zeigen, müssen daher auf Dauer den Bestand verlassen. Bei der Gestaltung der Bucht müssen die Anforderungen aus Sicht der Sauen und der Ferkel erkannt und umgesetzt werden. Dabei muss der Arbeitseinsatz effizient gestaltet werden. Eine genaue Beobachtung der Tiere zeigt Schwachstellen im System auf. Häufig führen schon kleine Anpassungen zu einer Verbesserung der Situation. Gerade in großen Buchten sollte das Ferkelnest sehr attraktiv gestaltet werden, um die Nestakzeptanz zu erhöhen. Neben der Ausgestaltung des Nestes spielt auch die Temperatur des Ferkelnestes eine entscheidende Rolle. Ist das Nest zu warm, legen sich die Ferkel einfach woanders in die Bucht. Ist das Nest zu kalt, legen sie sich zur Sau. In beiden Fällen steigt das Risiko erdrückt zu werden.
Weiterhin spielt neben der Ferkelnesttemperatur die Abteiltemperatur eine wesentliche Rolle in Hinblick auf die Nestakzeptanz. Die Raumtemperatur sollte möglichst schnell möglichst kühl sein, um den Ansprüchen der Sau gerecht zu werden und die Motivation der Ferkel, sich ins warme Nest zurückzuziehen, zu erhöhen.
4.3 Lebenslauf der Sau
Der sogenannte Sauenplaner liefert vor allen Dingen die Produktionsdaten einer Sau sowie der Herde. Dort werden z. B. Angaben zum Belegen, Umrauschen und der Abferkelung hinterlegt. Mit Hilfe solch eines Datenerfassungsprogramms können auch Eigenschaften und Verhaltensweisen während der Geburt vermerkt werden. Diese Informationen stellen eine wichtige Grundlage für z. B. Selektionsentscheidungen dar. Die Beurteilung und Bewertung des Gesäuges nach dem Absetzen ist ein weiteres Kriterium für die Selektion. Ausreichend funktionsfähige Zitzen sind Voraussetzung für eine gute Aufzuchtleistung in der folgenden Laktation. Als Ziel sollten, wie bereits bei der Selektion der Zuchtläufer, 15 bis 16 Zitzen angestrebt werden.
Erdrückungsverluste schwanken tierindividuell sehr stark und könnten auch als Kriterium für die Auswahl der Sauen genutzt werden.63, 64
Darüber hinaus können Informationen bezüglich der Ferkelverluste und Aufzuchtleistungen als Hilfe beim Versetzen von Ferkeln dienen. Eine Sauenkarte ist wie der Personalausweis der Sau und sollte immer im Abferkelstall dabei sein (Abb. 9 und 10). Wer einen speziellen Überblick über die Muttereigenschaften der Sau bekommen möchte, kann z. B. eine sogenannte „Mütterlichkeitskarte“(Video 5) erstellen. Anhand derer kann ein Mütterlichkeitsindex errechnet werden (kostenloses Programm), der hilft, Saugferkelverluste durch gezielte Selektion auf gute Muttereigenschaften zu reduzieren.
Schulungsskript zur Mütterlichkeitskarte
Berechnung des Mütterlichkeitsindex
Welche Merkmale fließen in den Mütterlichkeitsindex ein?
- Geburtsverhalten
- Gesundheit der Sau
- Wurfqualität
- Abliegeverhalten
- Umgänglichkeit gegenüber Menschen
Video 5: Bewertung der Sauen mit der Mütterlichkeitskarte
4.4 Behandlungen
4.4.1 Entwurmung und Räudebehandlung
Eine Entwurmung der Sau vor dem Aufstallen in das Abferkelabteil verhindert die Übertragung von Würmern bzw. ihren Eiern auf die Nachzucht. Wichtig zu wissen ist: Die Parasiteneier haften fest am Haarkleid. Darum gehört neben der medikamentösen Entwurmung auch Duschen zur Bekämpfung dazu.
Auch vorhandene Räudemilben werden von der Sau auf die Ferkel übertragen, sodass auch eine medikamentöse Behandlung (per Injektion oder als Pour on) vor der Abferkelung zu empfehlen ist.
Für ein an den Betrieb angepasstes Entwurmungs-/Räudebehandlungsmanagement ist der Hoftierarzt zuständig.
4.4.2 Duschen
Auf das Duschen der Sauen vor dem Umstallen vom Warte- in den Abferkelstall sollte aus Hygienegründen nicht verzichtet werden (Abb. 11). Auch wenn mit bloßem Auge keine Verschmutzung der Sau erkennbar ist, können anhaftende Keime ein Infektionsrisiko für die Ferkel darstellen. Kam es in der Wartehaltung zur Verschmutzung im Liegebereich oder zum Suhlen im Kotbereich, kommen teils stark verdreckte Sauen von der Wartehaltung in den Abferkelstall. Ein ordentlich gereinigtes und desinfiziertes Abteil bringt dem neugeborenen Saugferkel wenig, wenn die Muttersau selbst viele Keime mit einträgt. Daher ist es durchaus angebracht, die Sauen vor der Umstallung von Kopf bis Fuß zu waschen. Vor allem das Gesäuge, der Kopf und der Rumpf sollten gesäubert werden, da die Saugferkel bereits unmittelbar nach der Geburt direkten Kontakt zu diesen Körperstellen haben. Das Gesäuge wird von vielen Landwirten beim Waschen vernachlässigt. Daher sollte zum Waschen der Sauen eine Bürste zum Reinigen schwer erreichbarer Körperregionen verwendet werden. Eine bloße Reinigung mit kaltem Wasser ist nicht optimal und kann sich auch negativ auf die ungeborenen Ferkel auswirken. Das Wasser sollte der Körpertemperatur der Sau entsprechen (35 – 37 °C). Um möglichst viel Schmutz und Keime von der Haut zu bekommen, empfiehlt sich ein Sauenwaschmittel, das möglichst sowohl reinigend und desinfizierend als auch hautpflegend wirkt. Auch Produkte, mit denen die klebrigen Spulwurmeier von der Sau entfernt werden können, sind auf dem Markt verfügbar.
Ähnlich wie beim Stallwaschen werden die Sauen erst eingeweicht, dann mit dem Shampoo eingeschäumt und zum Schluss abgespült. Für das Einschäumen empfiehlt sich eine Schaumspritze zur automatischen Zudosierung der vom Hersteller empfohlenen Menge Waschmittel. Nach dem Abwaschen kommen die sauberen Sauen in das gut vorgewärmte Abferkelabteil. Die Raumtemperatur sollte auf etwa 20 °C eingestellt sein, damit die Sauen schnell trocknen und das Erkältungsrisiko gering bleibt.
Eine Sauendusche in einem extra dafür angelegten Raum/Bereich ist sinnvoll. Aus arbeitswirtschaftlicher Sicht ist es vorteilhaft, wenn die Dusche zwischen Warte- und Abferkelstall positioniert und auf die Größe der Abferkelgruppe abgestimmt ist. Damit es in der Sauendusche nicht zu Stress kommt, wird 1 m²/Sau empfohlen. Ein gewisser Körperkontakt zwischen den Sauen ist zur Erreichung einer mechanischen Reinigung jedoch durchaus erwünscht. Bei Betonspalten mit einer Schlitzbreite von 18 mm kann Wasser gut ablaufen, sodass eine ausreichende Rutschfestigkeit besteht und es nicht zu Verletzungen kommt.65 Allerdings ist auf eine ausreichende Durchlüftung zu achten, damit die feuchte Luft heraustransportiert wird. Ansonsten kann es durch die wasserdampfgesättigte Luft zu Sauerstoffmangelsituationen und Hitzestress bei den Sauen kommen, welches Kreislaufschwäche oder Totgeburten zur Folge haben kann.
Ein Waschen der Sauen erst im Abferkelstall ist nicht die ideale Lösung, denn die Sauen tragen Dreck und Keime in das Abferkelabteil hinein. Dennoch ist das Waschen im Abferkelstall immer noch besser, als gänzlich auf das Waschen zu verzichten. Eine andere Alternative ist ein Waschen der Sauen im Wartestall. In Kleingruppen sind dann auch die Ställe direkt eingeweicht. Bei Großgruppen kann in der Selektionsbucht gewaschen werden. Auch ein Zentralgang kann mitunter zum Waschen der Sauen genutzt werden.