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  • Philipp Franz, Landwirt, Agrarprodukte Bernsgrün-Hohndorf eG (Impulsbetrieb Tierwohl)
  • Dr. Daniel Gieseke, Universität Kassel
  • Prof. Isabel Hennig-Pauka, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
  • Dr. Heiko Janssen, Landwirtschaftskammer Niedersachsen
  • Katja Menzer, Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
  • Wilhelm Schulte-Remmert, Landwirt (Impulsbetrieb Tierwohl)
  • Dr. Sabine Schütze, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
  • Laura Schönberg, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

Einleitung

In den letzten Jahren haben sich die biologischen Leistungen der Sauen kontinuierlich verbessert. Als Folge des genetischen Fortschritts, Verbesserungen im Besamungsmanagement sowie einer bedarfsgerechteren Versorgung der Sauen in der Trächtigkeit ist vor allem die Anzahl lebend geborener Ferkel stark angestiegen. Daran schließt sich allerdings als Herausforderung das Management der großen Würfe an. Beispielhaft hat sich in Nordrhein-Westfalen die Anzahl der lebend geborenen Ferkel pro Wurf im Durchschnitt der Betriebe von 13,0 im Wirtschaftsjahr 2011/2012 auf 15,4 im Wirtschaftsjahr 2021/2022 erhöht.1

Wesentliche Kernpunkte dabei sind:

  • Die individuellen Geburtsgewichte werden immer geringer, die Schwankungen innerhalb eines Wurfes größer.
  • Das Management der Sauen und Ferkel wird anspruchsvoller.
  • Die Anzahl lebend geborener Ferkel übersteigt mitunter die Anzahl vorhandener Zitzen, die zur Versorgung aller Ferkel benötigt werden.
  • Die Menge des produzierten Kolostrums ist unabhängig von der Wurfgröße, schwankt stark zwischen Sauen und kann nur geringfügig durch züchterische, hormonelle oder die Fütterung betreffende Maßnahmen beeinflusst werden.

Kolostrumversorgung

Kolostrum ist eine lebenswichtige Energiequelle, so dass jedes Ferkel so schnell wie möglich nach der Geburt Kolostrum aufnehmen muss (Abb. 1). Nach wissenschaftlichen Studien sind 200 g Kolostrum/Ferkel das absolute Minimum. Besser sind mindestens 250 g Kolostrum/Ferkel innerhalb der ersten 24 Stunden.2 Eine intensive Geburtsüberwachung ist Pflicht, um einen Überblick zu haben, welches Ferkel Kolostrum aufgenommen hat und welches nicht. Innerhalb von 20 Minuten nach der Geburt sollte ein Ferkel eine Zitze erreicht haben. Das Auskühlen der Ferkel muss auf jeden Fall verhindert werden. Die Thermoregulation (z. B. durch Muskelzittern) verbraucht viel Energie, so dass die mit dem Kolostrum aufgenommene Energie direkt wieder verloren geht. Kleinere, leichtere Ferkel haben im Vergleich zu größeren Ferkeln eine geringere Fähigkeit zur Thermoregulation und erleiden daher einen größeren Wärmeverlust. Ein warmes Ferkelnest ist daher essenziell.

Wie kann man die Kolostrumaufnahme unterstützen?

Bei der Abferkelung sollte im Stall eine ruhige Atmosphäre herrschen, damit die Sauen sich stressfrei ablegen und den Ferkeln ihr Gesäuge präsentieren. Ferkel, die an der Sau bzw. in der Bucht herumirren, werden ans Gesäuge gesetzt. Das Trocknen der Ferkel und das Anlegen an das Gesäuge direkt nach der Geburt führt zu einer verkürzten Zeit bis zur ersten Milchaufnahme und kann daher ein entscheidender Punkt für die Optimierung des Überlebens der Neugeborenen in großen Würfen sein.3 Unterkühlte Ferkel müssen erst einmal aufgewärmt werden. Dafür werden die Ferkel meist unter die Wärmelampe gelegt. Andere Möglichkeiten, um schwache Ferkel aufzuwärmen, sind Warmreiben oder ein Bad in körperwarmem (39,5 °C) Wasser. Beim Aufwärmen im Wasser gibt es einiges zu beachten: die Ferkel müssen z. B. mit einer „Schwimmweste“ stabilisiert werden, damit sie nicht ertrinken. Verbleiben die Ferkel zu lange im Wasser, kühlt dieses ab und hat dann einen negativen Effekt. Wichtig ist auch, dass die Ferkel anschließend gut abgetrocknet werden.

Eine weitere Managementmaßnahme, um sicherzustellen, dass wirklich jedes Ferkel Kolostrum aufnehmen kann, ist das sogenannte „split suckling“. Hierbei werden die erstgeborenen Ferkel nach der Kolostrumaufnahme kurz ins Ferkelnest gesperrt, so dass die nachkommenden Ferkel ohne größere Konkurrenz Biestmilch aufnehmen können. Es ist zu beachten, dass nur kräftige Ferkel mit vollen Bäuchen für 1,5 bis 2 Stunden weggesperrt werden. Nachdem die anderen Ferkel gesäugt haben, dürfen auch die „Großen“ wieder ans Gesäuge. Dieses Vorgehen kann man am ersten Lebenstag zwei- bis dreimal wiederholen. Eine Voraussetzung ist jedoch, dass die Geburten möglichst schnell ablaufen.

Schwache Ferkel schaffen es meist nicht mehr aus eigener Kraft ans Gesäuge und brauchen Unterstützung, um lebenswichtige Energie aufzunehmen. Notfalls kann man Kolostrum abmelken und dem Ferkel oral verabreichen (z. B. mit einer Einmalspritze ohne Nadel). Eine andere Möglichkeit für einen Energiebooster bei geschwächten Ferkeln ist die Gabe von Glucose, entweder oral oder 10 ml 5 % Glucoselösung intraabdominal. Daneben gibt es kommerziell erhältliche Produkte, die ebenfalls als Energielieferant oder sogar als Kolostrumersatz dazu dienen sollen, die Vitalität des Ferkels so zu erhöhen, dass es sich das Kolostrum bei der Sau selbst holen kann. Meist handelt es sich um eine Kombination unterschiedlicher Inhaltsstoffe (z. B. Immunglobuline, Fett, Vitamine). Über die Wirksamkeit gibt es jedoch wenig wissenschaftliche Studien. In einer Untersuchung von Meyer et al. 4 wurden fünf handelsübliche Präparate in ihrer Wirkung am Saugferkel innerhalb der ersten 24 Lebensstunden getestet. Kein Produkt konnte die Tageszunahmen im Vergleich zur Kontrollgruppe erhöhen und bis auf ein Produkt zeigten die Versuchsgruppen tendenziell höhere Verlustraten und nicht, wie erwartet, niedrigere als die Kontrollgruppen. Die Autoren führen diese Ergebnisse auf die sehr frühe Eingabe dieser im Wirkstoffgehalt hochkonzentrierten Produkte zurück, die zu einer Störung der Kolostralmilchaufnahme geführt haben könnte und/oder darauf, dass die von den Herstellern vorgesehenen Eingabemengen von etwa 2 ml/Ferkel für neugeborene Ferkel eine erhebliche Menge darstellen, die es zu verdauen und zu verstoffwechseln gilt. In einer anderen Studie von Muns et al.5 wurde der Effekt von einem Energie- sowie einem Kolostrumersatzpräparat mit Immunglobulinen (IgG) von Rindern auf die Überlebensrate der kleinen Ferkel, die Menge an Immunglobulin G und den Wachstumsfaktor 1 (IGF-I) sowie das Gewicht untersucht. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass innerhalb von 12 Stunden nach der Geburt eine zweimalige orale Gabe von Ergänzungspräparaten einen positiven Effekt auf das Überleben der kleinen Ferkel und die Verbesserung ihrer IGF-I- oder IgG-Spiegel während der Säugephase haben. Die Gewichtsentwicklung bzw. das Wurfwachstum zum Absetzen wurden jedoch nicht beeinflusst.

Wurfausgleich

Unter Wurfausgleich versteht man das Verteilen von einzelnen Ferkeln sehr großer Würfe an andere Sauen innerhalb einer Abferkelgruppe mit weniger Ferkeln. Ziel ist es, Saugferkelverluste durch Verhungern zu vermeiden und einheitliche Wurfgewichte zu erreichen. Gleichzeitig wird durch ein Abstimmen der Ferkelzahl auf die Zitzenzahl (Abb. 2) und die Milchleistung das biologische Potenzial der Sau berücksichtigt.

In der Praxis gibt es unterschiedliche Strategien des Wurfausgleichs. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es betriebsindividuelle Unterschiede gibt, welche Maßnahmen am besten funktionieren.

3.1 Empfehlungen für einen effektiven Wurfausgleich

3.1.1 Vorbereitung

Vor dem Versetzen müssen die Muttereigenschaften der Sau beurteilt werden. Dazu zählt die Zahl der funktionsfähigen Zitzen, die Gesäugepräsentation, ein nicht zu großer Abstand zwischen den Gesäugeleisten, die Größe der Zitzen und natürlich der Charakter der Sau. Es lohnt sich, solche Dinge vorab bei der Sau entsprechend zu dokumentieren. Informationen aus vorangegangenen Abferkelungen wie z. B. der Geburtsverlauf, die Milchmenge und das Verhalten können auf der Sauenkarte vermerkt werden. Auch Informationen darüber, ob die Sau bereits Amme war und wie die Aufzucht der Ferkel verlaufen ist, sollten festgehalten werden. Dadurch können bereits im Vorfeld potenzielle Ammensauen in einer Abferkelgruppe ausgesucht werden. Dieses Vorgehen ist auch vorteilhaft, wenn unterschiedliche Personen zu den Abferkelterminen eingeteilt sind. Die Vorauswahl erlaubt es dann, schneller Ammensauen auszuwählen und gerade in großen Abferkelgruppen nicht zu viel Zeit zu verlieren. Eine Empfehlung aus der Praxis ist auch das „Trainieren des Wurfausgleichs“ mit neuen Mitarbeitenden.

3.1.2 Der richtige Zeitpunkt - Sicherstellen der Kolostrumaufnahme

Jedes Ferkel sollte zuerst Kolostrum von seiner eigenen Mutter aufnehmen. Das bedeutet, dass der Wurfausgleich frühestens 12 Stunden nach der Geburt des letzten Ferkels durchgeführt werden sollte.6 Allerdings sollte auch nicht zu lange gewartet werden. Beim Versetzen innerhalb der ersten 24 Stunden gibt es keine Unterbrechung des Säugens.7 Nach etwa drei Tagen hat sich eine stabile Saugordnung gebildet, sodass danach Ferkel nur noch an freiwerdende Zitzen (z. B. wenn ein Ferkel erdrückt wurde) versetzt werden können.8, 9 Sonst kann es zu verpassten Säugezeiten und Stress der Ferkel durch Rangkämpfe kommen.

3.1.3 Versetzungsstrategien

In der Praxis werden unterschiedliche Strategien des Versetzens verfolgt. Zum einen wird empfohlen, nur die größten bzw. stärksten Ferkel eines Wurfs zu versetzen, weil man davon ausgeht, dass sie sich auch in einem fremden Wurf durchsetzen können und besser mit dem Stress klarkommen.

Aber auch das Versetzen der kleinsten Ferkel wird praktiziert. Hier lautet die Empfehlung, dass kleine Ferkel zu einer Sau mit anderen kleinen Ferkeln sollen. Die Überlegung ist hierbei, dass die Ferkel bessere Chancen haben, sich gegen gleichschwere Ferkel des fremden Wurfs durchzusetzen. Eine weitere Empfehlung zum Versetzen der kleinsten Ferkel ist, sie an eine Jungsau zu setzen, die z. B. kleinere Zitzen oder einen kleineren Wurf hat.

Allerdings gibt es zu beiden Verfahren – dem Versetzen der größten oder der kleinsten Ferkel – in der Literatur widersprüchliche Angaben, ob es von Vor- oder Nachteil für die Ferkel ist.10

In Nordamerika wird ein kontinuierlicher Wurfausgleich während der gesamten Säugeperiode praktiziert. Die Ferkel werden immer wieder nach Größe/Gewicht sortiert, wobei auch ältere Ferkel zu jüngeren Würfen zurückgesetzt werden. Der Vorteil dieses Verfahrens soll die Erreichung einheitlicher Absetzgewichte sein. Allerdings berichten mehrere Studien über die nachteiligen Auswirkungen dieses Verfahrens auf Wachstum, Wachstumsleistung und Sterblichkeitsrate, 11, 12 so dass dies nicht empfohlen wird.

Unabhängig davon, ob man die größten oder die kleinsten Ferkel versetzt, sollte möglichst jedes Ferkel seine eigene Zitze bekommen. Nur in Einzelfällen muss nicht für jedes Ferkel eine eigene funktionsfähige Zitze vorhanden sein. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Sau einen guten Gesundheitszustand und eine ausreichende Milchleistung hat. Allerdings wird in der Literatur beschrieben, dass Ferkel ohne festen Zitzenplatz langsamer wachsen als die mit festem Zitzenplatz.6

Erstwurfsauen sollten so viele Ferkel aufnehmen, wie das Gesäuge Zitzen hat, um die Stimulation der Milchdrüse und damit die Milchmenge in der nächsten Laktation zu maximieren. Allerdings ist auch zu beachten, dass die Kolostrummenge bei Jungsauen per se etwas geringer ist als bei älteren Sauen.13 Im Vergleich haben Sauen im zweiten und dritten Wurf mehr Kolostrum als Erstwurfsauen oder Sauen mit vier Würfen oder mehr.

Neben dem „Tauschen“ einzelner Ferkel gibt es die Strategie, ganze Würfe zu versetzen, z. B. wenn eine Sau bei oder nach der Geburt verendet.

Grundsätzlich gilt: So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich! Denn jedes Tauschen erhöht das Risiko der Keimverschleppung.

 

3.1.4 Das Säugeverhalten nutzen

Wenn die Ferkel über Nacht geboren werden, sind sie bei Arbeitsbeginn des Tierbetreuenden häufig schon acht oder mehr Stunden alt. Hier kann man sich das Säugeverhalten zu Nutze machen, indem man bevorzugt Ferkel versetzt, die keine feste Zitze haben. Falls man bei der Ferkelauswahl nicht ganz sicher ist, kennzeichnet man die in Frage kommenden Ferkel mit einer bestimmten Farbe und beobachtet sie ein weiteres Mal zu einem späteren Zeitpunkt (Abb. 3). Auch nach dem Versetzen müssen die Ferkel noch besonders im Auge behalten werden, um den Erfolg sicherzustellen.14 Wenn jedoch ein kleines Ferkel in einem großen Wurf eine stabile Säugeposition hat, ist es sinnvoll, es bei seinen Geschwistern zu lassen.

 

3.1.5 Split suckling bei den ersten Würfen der Abferkelgruppe

Falls zu viele Ferkel an einer Sau sind, aber (noch) keine Sauen für einen Wurfausgleich zur Verfügung stehen, kann man bspw. bei einem Wurf mit 17 bis 18 Ferkeln mehrmals die sieben bis neun größten Ferkel im Ferkelnest ca. zwei Stunden einsperren und die kleineren Ferkel bei ihrer Mutter lassen, um die Zeit zu überbrücken. Nach mehreren solchen Intervallen haben auch die kleineren Ferkel genügend Milch aufgenommen und sind gegenüber ihren Wurfgeschwistern „selbstbewusster“.12, 14

3.2 Die Kehrseite der Medaille

Neben den vielen Vorteilen des Wurfausgleichs gibt es aber auch einen Hauptnachteil: die Hygiene. Durch das Versetzen der Ferkel können auch Krankheitserreger verbreitet werden. Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass eine Infektion in der ganzen Abferkelgruppe verschleppt wird. Auch der mögliche Stress für die Ferkel und die Sauen sollte nicht unterschätzt werden.

Profitieren vor allem kleinere Ferkel vom Wurfausgleich, zeigen Untersuchungen, dass es nicht unbedingt vorteilhaft für die schweren Ferkel ist. Diese verlieren ihren Vorteil gegenüber leichteren Ferkeln, den sie in einem inhomogenen Wurf haben, da sie sich nun mit „gleichstarken“ Ferkeln auseinandersetzen müssen.15, 16 Außerdem stellen schwerere Ferkel höhere Ansprüche an die säugende Sau.

Einige Untersuchungen stellten auch einen Zusammenhang zwischen Wurfausgleich und Ohrverletzungen17 bzw. Schwanzverletzungen/Schwanzbeißen nach dem Absetzen fest.18, 19 In einer weiteren Studie von Calderón Díaz et al.20 wurde ebenfalls ein Einfluss des Wurfausgleichs auf Herzbeutelentzündungen am Schlachthof festgestellt. Eine weitere Studie stufte einen häufigen Wurfausgleich als Risikofaktor für das Auftreten von PMWS (Post-Weaning Multisystemic Wasting Syndrome), das am häufigsten auftretende Krankheitsbild infolge einer PCV2-Infektion (Porcines Circovirus 2), ein.21

Ferkelbeifütterung (Milch, Brei)

4.1 Funktion der Beifütterung

Je nachdem, wann eine Beifütterung der Saugferkel beginnt, erfüllt sie einen unterschiedlichen Zweck. Die frühe Beifütterung von Milch/Milchaustauscher dient vor allem dazu, die sehr jungen Ferkel am Leben zu erhalten, wenn z. B. die Milchleistung der Sau nicht ausreichend ist oder aber kleine, schwache Ferkel weniger Chance haben, eine Zitze zu ergattern. Die spätere Zufütterung von Prestarter hingegen soll auf die anstehende Futterumstellung zum Absetzen vorbereiten und so den Einbruch in den Zunahmen nach dem Absetzen verringern.

Das beste Futter für Saugferkel ist die Sauenmilch. Hohe Zahlen geborener Ferkel pro Sau und Wurf erfordern aber umsichtiges Nachdenken darüber, Ferkel schon früh mit zusätzlichen Nährstoffen zu versorgen. Allerdings sollte auch nicht zu früh damit begonnen werden. Alle Ferkel sollten zuerst Kolostrum aufnehmen, da die wichtigen Schutzstoffe nicht künstlich ersetzt werden können.

Meist stellt sich in den ersten zwei bis drei Tagen nach der Geburt heraus, ob Ferkel zugefüttert werden sollten. In Betrieben mit vielen lebendgeborenen Ferkeln ist die Milchbeifütterung schon Standard.

Zu berücksichtigen ist, dass bei der Beifütterung auch eine Überversorgung starker Ferkel nicht ausgeschlossen werden kann. In einer Untersuchung von Rohe und Hessel22 konnten bei Ferkeln mit geringen Geburtsgewichten keine Vorteile durch den Einsatz von Milchcups (Abb. 4) auf die Gewichtszunahmen festgestellt werden. Ab einem Geburtsgewicht über 1,5 kg profitierten die Ferkel von dem zusätzlichen Futterangebot durch die Milchcups. Daraus schlossen die Autoren, dass nicht wie erhofft die leichteren Ferkel vom Cup profitieren, sondern die großen, schweren Ferkel.

Hinweis

Die Ferkelbeifütterung ist vom Einsatz von technischen Ammen zu unterscheiden. Bei der Ferkelbeifütterung handelt es sich nicht um eine mutterlose Aufzucht, sondern die Ferkel werden zusätzlich zur Sauenmilch gefüttert (= Zusatzfütterung). Außerdem können von der Beifütterung alle Ferkel profitieren, während bei einem Ammensystem nur der Teil der Ferkel, die zur Amme kommen, eine „Extrabehandlung“ erhält.

4.2 Beifütterungsmethoden

Zur Ferkelbeifütterung eignet sich in der Zeit von den ersten Lebenstagen bis zur Prestarterphase ab etwa der 3. Lebenswoche ausschließlich flüssig verabreichter Milchaustauscher.23 Danach können sowohl flüssige als auch trockene Futtermischungen gegeben werden. Die Zusammensetzung des Beifutters muss sich an der Enzymausstattung des Ferkeldarms orientieren und variiert daher mit dem Alter der Ferkel. In den ersten Lebenstagen überwiegt die Produktion von Enzymen zur Verdauung von Milchzucker. Die endogene Produktion von Enzymen für andere Nährstoffe wie Kohlenhydrate (z. B. Stärke), Fette und Eiweiße ist anfangs sehr gering und entwickelt sich erst langsam mit zunehmendem Alter. Dazu hängt diese auch vom Nahrungsangebot für das Saugferkel ab. Daher dient die Beifütterung des Ferkels, insbesondere ab der 3./4. Lebenswoche, auch als sogenanntes „Enzymtraining“. Ein möglichst schonender Übergang von Milchpulver zu Prestarter kann durch Verschneiden des Futters erreicht werden. Meist wird Prestarter jedoch zusätzlich angeboten, so dass das Ferkel wählen kann. Weiterführende Informationen sind den neuen DLG-Merkblättern zur Ferkelbeifütterung zu entnehmen.

DLG-Merkblatt 485 "Stationäre Beifütterungssystme für Saugferkel - Teil 1"

DLG-Merkblatt 486 "Stationäre Beifütterungssystme für Saugferkel - Teil 2"

 

Unabhängig davon, ob die Zusatzfütterung über mobile Zusatztröge oder über ein fest installiertes System (z. B. Tassensystem), per Hand oder automatisiert erfolgt (Abb. 5 – 10), sind Frische und eine gute Hygiene das A und O. Zur Anmischung von Milchaustauschern oder Breifuttern muss stets frisches und sauberes Wasser genutzt werden. Die hohen Temperaturen im Abferkelstall führen sonst sehr schnell zu einem massiven Keimwachstum und Verderb der Milch bzw. des Beifutters! Auch der Fliegenbefall kann bei länger stehender Milch bzw. Brei extrem ansteigen.

Eine andere Methode der Beifütterung ist das gemeinsame Fressen von Sau und Ferkeln aus einem Trog oder vom Boden (Abb. 11 & 12). Hier wird auf spezielle Saugferkelfutter verzichtet und das Ferkel frisst das Sauenfutter mit. In der Regel werden keine großen Mengen aufgenommen, der Mehrwert für das Ferkel liegt eher darin, dass es das Fressen von der Mutter lernt und der Verdauungstrakt langsam auf festes Futter vorbereitet wird.

Allgemein ist es ein Vorteil der Beifütterung bei der eigenen Muttersau, dass durch das reduzierte Versetzen von Ferkeln untereinander und an Ammensauen die horizontale und vertikale Übertragung von Krankheiten reduziert wird.

4.3 Ökonomische Aspekte

Neben dem Aspekt des Tierschutzes darf auch die Wirtschaftlichkeit für den Einsatz einer Beifütterung nicht außer Acht gelassen werden. Eine wichtige ökonomische Kennzahl für die Ferkelerzeugung stellt die Anzahl der abgesetzten Ferkel dar, die durch die hohe Fruchtbarkeit der Sau sowie durch die Reduzierung der Saugferkelverluste bis zum Absetzen bedingt wird. In wie weit sich ein Beifütterungssystem rentiert, hängt von mehreren betrieblichen Faktoren sowie der Kostengrundlage für die Berechnung ab. Daher lässt sich keine pauschale Aussage treffen, ab wie viel mehr abgesetzten Ferkeln eine Beifütterung wirtschaftlich ist. Wird mit einfachen Zusatztrögen, die per Hand gefüllt werden, gearbeitet, sind die Investitionskosten überschaubar, und laufende Kosten sind vor allem der Milchaustauscher selbst. Nicht zu unterschätzen ist aber der zeitliche Mehraufwand bei der manuellen Beifütterung. Das Anrühren des Milchaustauschers per Hand und die Vorlage bestenfalls kleiner Mengen mehrmals am Tag kosten viel Zeit.

Durch eine Voll-Automatisierung wird der Arbeitsaufwand reduziert, das hat aber seinen Preis. Allein die Investitionskosten für die Tröge, Sensoren, Leitungen und Ventile belaufen sich schnell auf mehr als 160 € pro Abferkelbucht. Dazu kommen die Kosten für die Misch- und Verteiltechnik. Etwas weniger kostenaufwändig sind halbautomatische Systeme, deren Technik sich auf eine zeitgesteuerte Pumpe sowie einen Eimer als Dosierbehälter beschränkt. Ein Ammensystem ist für rund 650 € inkl. MwSt. erhältlich.24 Rohe und Hessel22 schlussfolgerten aus ihrem Versuch, dass eine automatische Milch- und Prestarterbeifütterung erst kostendeckend ist, wenn mindestens 0,65 mehr Ferkel je Wurf abgesetzt werden.

Ammen

Bei hochfruchtbaren Sauen ist die durchschnittliche Anzahl der Zitzen bei den Sauen regelmäßig kleiner als die Anzahl an lebend geborenen Ferkeln. Meist sind also mehr Ferkel vorhanden als die Sauen säugen können. Die Aufzucht dieser „überzähligen“ Ferkel ist eine Herausforderung, der man sich sowohl aus Sicht des Tierschutzes als auch aus wirtschaftlicher Sicht stellen muss. Hierzu bedient man sich dem Konzept „Ammenaufzucht“, d. h. Ferkel werden nicht von ihrer eigenen Mutter aufgezogen.

Mit dem Einsatz von Ammen kann man mehrere Ziele erreichen:

  • Verminderung des Gewichtsverlustes der Sauen durch zu starkes Absäugen,
  • Verringerung der Saugferkelverluste und damit eine Erhöhung der Anzahl aufgezogener/verkaufter Ferkel je Sau und Jahr,
  • Erhöhung der Lebensleistung der Sauen,
  • Verbesserung der Wachstumschancen von kleinen Ferkeln.

Auch kann die Qualität der verkauften Ferkel steigen (bessere Ausgeglichenheit in Gewicht und Alter).25

Hinweis

Bei dem Konzept „Ammenaufzucht“ darf nicht vergessen werden, dass unabhängig davon, ob eine natürliche oder künstliche Amme eingesetzt wird, der Trennungsstress eine bedeutende tierschutzrelevante Konsequenz ist. Dieser betrifft sowohl die Ferkel als auch die Sau.26

5.1 Natürliche Ammen

Bei natürlichen Ammen handelt es sich um Sauen, deren eigene Ferkel bereits abgesetzt wurden. Sie können daher bereits in der vierten oder fünften Laktationswoche sein, wodurch die Milchzusammensetzung für die Ferkel in der ersten Lebenswoche nicht mehr optimal ist. Bei den jungen Ferkeln kann es zu einem Mangel an bestimmten Nährstoffen kommen. Zudem verursacht die sehr fettreiche Milch schnell Durchfall. Daher ist die Aufnahme von Kolostrum vor dem Versetzen essenziell, damit die Ferkel maternale Antikörper und weitere wichtige Inhaltsstoffe für einen guten Start ins Leben aufnehmen können.

Auch wenn die Ferkel bei einer Ammensau nicht von ihrer eigenen Mutter gesäugt werden, so können sie dennoch in einer natürlichen Situation aufgezogen werden. Die Aufnahme von Sauenmilch aus einem Gesäuge ist das ursprünglichste Verhalten. Andere Systeme und der Einsatz von speziellen Ferkelmilchaustauschern stellen immer einen Kompromiss dar. Als weiteren Vorteil neben der mütterlichen Versorgung haben Ammenferkel die Möglichkeit, Verhaltensweisen wie z. B. die Aufnahme von Wasser aus einer Schalentränke von der Sau zu lernen.

Nicht nur ein intensiver Wurfausgleich, sondern auch das Versetzen an Ammensauen kann sich nachteilig auf die Tiergesundheit auswirken. Durch das Mischen von Ferkeln unterschiedlicher Würfe wird die Verbreitung von Krankheitserregern erleichtert. Außerdem wirkt sich der dadurch entstehende Stress negativ auf das Immunsystem aus, so dass Ferkel anfälliger für Erkrankungen werden.

Ferkel profitieren jedoch meistens vom Einsatz einer Amme. Dennoch sind aus Sicht der Sau auch Nachteile zu berücksichtigen. Auch wenn in der Regel die größeren und kräftigeren neugeborenen Ferkel an die Amme gesetzt werden, besteht eine klare Diskrepanz zwischen der Milchaufnahme der zugesetzten Ferkel und der Milchleistung der Sau. Der dadurch entstehende Milchdruck ist schmerzhaft für die Sau und kann dazu führen, dass die neuen Ferkel nicht angenommen werden bzw. dass die Sau die Milchleistung sogar komplett einstellt. Häufig wird deshalb eine Behandlung mit Schmerzmitteln durchgeführt.26 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Sau zu stark abgesäugt wird und es Probleme bei der Wiederbelegung gibt. Der Lebendmassezuwachs der Ferkel und das begrenzte Futteraufnahmevermögen der Sauen führen nämlich häufig zu einem Energiedefizit der Muttertiere. Um zusätzlich Energie für die Milchbildung zu gewinnen, wird daher – verbunden mit einem Lebendmasseverlust der Sau – Körpergewebe mobilisiert.27 Zusätzlich zur regelmäßigen Kontrolle der Körperkondition der Amme sollten auch das Gesäuge und die Zitzen in Augenschein genommen werden, da durch die verlängerte Säugedauer das Gesäuge und die Zitzen stark beansprucht werden.

5.1.1 Eignung als Ammensau

Als Ammen sind Sauen geeignet, die in der Vergangenheit große Würfe mit gleichmäßigen Ferkeln aufgezogen haben. Grundlage für solch hohe Aufzuchtleistungen ist vor allem ein gutes Gesäuge.

Zu einem guten Gesäuge (Abb. 13 & 14) zählt:

  • die Zahl an funktionsfähigen Zitzen: besser 16 als 14
  • die Größe der Zitzen: Ferkel kommen am einfachsten mit kleinen, etwas längeren Zitzen zurecht
  • ein Abstand zwischen den beiden Gesäugeleisten, der nicht zu groß ist: kommt einer guten Präsentation des Gesäuges mit einem einfachen Zugang entgegen
  • ein straffes Gewebe

Solche Eigenschaften haben meist Sauen mit bisher niedriger Wurfzahl. Außerdem sind auch die Muttereigenschaften wie ein ruhiger Umgang mit fremden Ferkeln wichtig. Gute Ammensauen zeichnen sich außerdem durch einen guten Appetit aus, wodurch das Risiko der Abmagerung geringgehalten werden kann.

Bezüglich der Abmagerung sind vor alle Sauen mit einer flachen Milchkurve im Vorteil, während Sauen mit einer steilen Laktationskurve eher abmagern, weil sie relativ viel Körpersubstanz einschmelzen. Als Ammen kommen also Sauen in Frage, die über mehrere Wochen und Monate bei mittlerer Milchleistung ihr Körpergewicht halten und so im Anschluss an eine lange Säugezeit wieder trächtig werden.28

5.1.2 Maßnahme beim Fehlen einer Ammensau

Steht im Falle eines Ferkelüberschusses, bei Sauen mit Milchmangel oder beim Verenden einer Sau keine Ammensau zu Verfügung, kann ein zweistufiges Ammensystem, wie es in Dänemark üblich ist, genutzt werden.29 Die größten neugeborenen Ferkel werden dabei von Sauen aufgezogen, die eine gute Milchproduktion haben und etwa eine Woche zuvor abgeferkelt haben. Der eine Woche alte Wurf wird von Sauen, die gerade abgesetzt werden, aufgezogen (Abb. 15). Voraussetzung für dieses System ist entsprechend ein Wochenrhythmus.

Vergessen werden darf dabei allerdings nicht, dass sich die Säugezeit für die Ammensauen deutlich verlängert. Daher sollten die Kondition und Milchleistung der Ammensauen regelmäßig überprüft werden, um sie nicht zu überfordern.

 

5.1.3 Kontrolle der Akzeptanz der fremden Ferkel durch die Sauen

Lassen Sie ein oder zwei der kleinsten eigenen Ferkel der Sau für bis zu 24 Stunden bei ihr, um dem neuen Wurf zu helfen, sich zu etablieren. Die Anwesenheit der eigenen Ferkel soll beruhigend auf die Sau wirken, sodass die neuen Ferkel leichter Kontakt zur Amme bekommen.

Eine Praxisempfehlung für den Fall, dass nicht ganze Würfe, sondern nur einzelne Ferkel versetzt werden sollen, lautet, die zwei neuen Ferkel mit den vorhandenen Ferkeln eine Stunde lang ins Ferkelnest zu sperren. Vorher kann man sie noch an der Vulva der Amme reiben, um sie möglichst schnell geruchlich anzupassen.14

Auch das versetzte Austauschen ist eine Möglichkeit, die Akzeptanz der fremden Ferkel positiv zu beeinflussen. Dafür wird am Vormittag die erste Hälfte des alten Wurfs gegen den neuen Wurf ausgetauscht, am Abend dann die zweite Hälfte.9 Eine Oxytocingabe soll ebenfalls die Bindung zum neuen Wurf stimulieren. Der Einsatz dieses Hormons sollte jedoch immer mit dem Tierarzt abgestimmt werden, um eine unnötige Hormongabe zu vermeiden.

5.1.4 Gewöhnung an die Bucht

Ammen müssen erst an die Bucht gewöhnt sein, bevor sie fremde Ferkel bekommen. Am besten bleibt die Sau in der Bucht, in der sie ihre eigenen Ferkel aufgezogen hat. Dies hat dann aber zur Folge, dass die Abteile nicht Rein-Raus belegt werden können.

Bei Rein-Raus-Belegung von Abteilen kann ein separates Abteil für Ammensauen, das im Gegensatz zu den Standardabteilen meist kontinuierlich belegt wird, eingerichtet werden. Die Sauen dienen solange als Amme, wie die Milchleistung ausreichend ist. Allerdings sollte die Amme ca. 8 bis 24 Stunden die neuen Ferkel haben, bevor sie in eine neue Bucht umgestallt wird. Neue Buchten mit anderen Gerüchen durch Reinigung und Desinfektion und neue Ferkel können auch gutmütige Ammen überfordern.14

5.1.5 Was tun, wenn...

die Sau aggresiv auf die Ferkel reagiert?
  • Aufnehmende Sau ein bis zwei Stunden vor dem Versetzen nicht säugen lassen, damit die Milch drückt und die Ferkel sehr hungrig sind.
  • Ferkel in der Zeitspanne versetzen, in der im Abteil gesäugt wird. Das ist am einfachsten nach der Fütterungszeit zu erreichen.
  • Ferkel am frühen Nachmittag versetzen, wenn die Sauen in der Ruhephase sind.
  • Sau und gesamten Wurf z. B. mit ätherischen Ölen einsprühen, damit sie einen gleichen Geruch bekommen.
  • Sauen zum Versetztermin mit etwas Schmackhaftem zum Fressen „belohnen“.

 

neue Ferkel von den vorhandenen nicht akzeptiert werden?
  • Gesamten Wurf am späten Vormittag oder frühen Nachmittag sehr hungrig machen.
  • Neues Ferkel an eine freie Zitze halten.
  • Für ausreichend große und sehr gute Unterlage im Nest sorgen, z. B. Teppichboden oder Jutematte, damit sich beim Schlafen die Gerüche vermischen (Abb. 16).

 

das neue Ferkel ruhelos und störend ist?
  • Da oft ein voller Magen hilft, die Ferkel zur Ruhe zu bringen, je nach Körpergeicht 10 bis 40 ml warme Ferkelmilch mit einer Spritzflasche in das Maul geben.
  • Falls sich das Problem nicht löst, das Ferkel zur eigenen Mutter zurückbringen und das Verfahren mit einem der Wurfgeschwister fortsetzen.

 

5.1.6 Ökonomische Aspekte

Bei natürlichen Ammen besteht der Vorteil darin, dass keine Investitionskosten für Technik anfallen und die Ferkel durch Sauen gesäugt werden. Allerdings werden weitere Abferkelbuchten benötigt. Am besten sogar extra ein Abteil bzw. Abteile, die für die Ammensauen vorgehalten werden. Dies ist in bestehenden Betrieben manchmal schwierig umzusetzen und nur durch eine Abstockung zu lösen.

Wird ein Neubau geplant, sind zusätzliche Abferkelbuchten für Ammensauen einzuplanen. Abferkelbuchten gehören aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu den teuersten Plätzen, so dass dies auch als Kostenfaktor zu sehen ist. Auch stehen die Ammen zunächst für eine Wiederbelegung nicht zur Verfügung, wodurch sich die durchschnittliche Zwischenwurfzeit im Betrieb erhöht.

5.2 Künstliche/technische Ammen

Neben der „klassischen“ Bildung von natürlichen Ammengruppen, also Sauen, deren eigene Ferkel in der Regel abgesetzt sind, gibt es auch verschiedene „künstliche“ oder „technische“ Ammen auf dem Markt.

Der Einsatz von künstlichen Ammen ist eine komplett mutterlose Aufzucht, d. h. die Ferkel werden mit nur wenigen Lebenstagen (meist am 2. LT) abgesetzt und in separaten Buchten oder Boxen aufgezogen, die mit einem automatischen Fütterungssystem ausgestattet sind. Dadurch werden die Ferkel zwar mit lebenswichtigen Nährstoffen versorgt, es fehlt aber der natürliche Kontakt zur Sau, und ein Lernen von Mutter-zu-Kind ist nicht möglich. Dies kann mitunter negative Folgen für das Verhalten der Ferkel im späteren Leben haben.

Technische Ammen gibt es für unterschiedliche Futtermittel (Ferkelmilch, Prestarter mit hohem Milchpulveranteil bzw. ohne Milchpulver) und für unterschiedliche Darreichungsformen (flüssig, breiig, kalt, warm). Dabei muss die Technik die Ansprüche der Ferkel erfüllen: häufige Fütterung kleiner, homogener Mengen, gleichzeitiges Fressen aller Ferkel, hygienisch einwandfrei. Aber auch die Ansprüche der Futtermittel müssen erfüllt werden: Gewährleistung bestimmter Temperaturbereiche, flüssig/breiig, Quellzeiten.

Wichtig zu wissen

Der Tierhaltende bewegt sich mit diesem System mitunter in einer rechtlichen Grauzone!

Nach § 27 Absatz 1 Satz 1 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) dürfen Ferkel erst nach 4 Wochen abgesetzt werden. Eine Ausnahme ist, wenn es zum Schutz der Sau oder des Ferkels vor Schmerzen, Leiden, Schäden passiert. Eine ähnliche Formulierung findet sich auch im EU-Recht (RL 2008/120/EG). Mittlerweile sind durch die gestiegene Ferkelzahl fast immer rechtfertigende Gründe, wie Milchmangel oder Hunger der Ferkel, gegeben. Bei hochleistenden Betrieben tritt die Ausnahme also bereits regelmäßig ein und es werden routinemäßig auch Ferkel unter 21 Tage abgesetzt. Die Anzahl der frühabgesetzten Ferkel sollte so gering wie möglich gehalten und stattdessen Beifütterungssysteme oder eine (auch möglichst geringe) Anzahl natürlicher Ammen genutzt werden.

§ 27 Absatz 1 Satz 1 TierSchNutztV

„Saugferkel dürfen erst im Alter von über vier Wochen abgesetzt werden. Abweichend von Satz 1 darf ein Saugferkel früher abgesetzt werden, wenn dies zum Schutz des Muttertieres oder des Saugferkels vor Schmerzen, Leiden oder Schäden erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 darf ferner ein Saugferkel im Alter von über drei Wochen abgesetzt werden, wenn sichergestellt ist, dass es unverzüglich in gereinigte und desinfizierte Ställe oder vollständig abgetrennte Stallabteile verbracht wird, in denen keine Sauen gehalten werden.“

 

RL 2008/120/EG Anhang I Kapitel II C3

"Die Ferkel müssen mindestens 28 Tage alt sein, wenn sie abgesetzt werden, es sei denn das Wohlbefinden oder die Gesundheit des Muttertiers oder der Ferkel wären andernfalls gefährdet. Die Ferkel dürfen jedoch bis zu sieben Tage früher abgesetzt werden, wenn sie in spezielle Ställe verbracht werden, die geleert, gründlich gereinigt und desinfiziert werden, bevor eine neue Gruppe aufgestallt wird; diese Ställe müssen von den Stallungen der Sauen getrennt sein, um die Übertragung von Krankheitserregern für die betreffenden Ferkel möglichst gering zu halten."

Literatur

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