Stetig steigende Ferkelzahlen – Wie gelingt das Management großer Würfe?
Ergebnisse einer Praxisumfrage des Netzwerks Fokus Tierwohl
Stand: Februar 2024
- Philipp Franz, Landwirt, Agrarprodukte Bernsgrün-Hohndorf eG (Impulsbetrieb Tierwohl)
- Dr. Daniel Gieseke, Universität Kassel
- Prof. Isabel Hennig-Pauka, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
- Dr. Heiko Janssen, Landwirtschaftskammer Niedersachsen
- Katja Menzer, Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
- Wilhelm Schulte-Remmert, Landwirt (Impulsbetrieb Tierwohl)
- Dr. Sabine Schütze, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
- Laura Schönberg, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
Durch den genetischen Fortschritt, Verbesserungen im Besamungsmanagement sowie einer bedarfsgerechteren Versorgung der Sauen in der Trächtigkeit, haben sich in den letzten Jahren die biologischen Leistungen der Sauen kontinuierlich verbessert. Dies zeigt sich vor allem an der erhöhten Anzahl lebend geborener Ferkel. Hier ist nun ein angepasstes Management der großen Würfe gefragt, um die Ferkelverluste während der Säugezeit gering zu halten und gleichzeitig kräftige und vitale Ferkel abzusetzen.
Wie wird dies bereits von den ferkelerzeugenden Betrieben in Deutschland gehandhabt? Welche Maßnahmen haben dabei für Sauenhalterinnen und Sauenhalter besondere Bedeutung? Kann man generelle Empfehlungen aus der Praxis ableiten? Diese und mehr Fragen sollte eine Umfrage zu Managementmaßnahmen beim Umgang mit großen Ferkelwürfen aus dem Jahr 2023, initiiert durch die Arbeitsgruppe „Saugferkelverluste“ des Netzwerks Fokus Tierwohl, beantworten.
Informationen zu den Betrieben
An der Umfrage nahmen 89 Ferkelerzeugerbetriebe unterschiedlicher Betriebsgröße teil. Da nicht alle Teilnehmenden alle Fragen beantworteten, variiert der den Ergebnissen zugrundeliegende Datensatz. Etwa ein Drittel der Teilnehmenden hält 101 bis 300 Sauen, ein Drittel 301 bis 600 Sauen und die restlichen Betriebe weniger als 100 bzw. mehr als 600 Sauen (9 % bzw. 16 % der Teilnehmenden). Jeweils ein teilnehmender Betrieb hält weniger als 10 und mehr als 3000 Sauen. Mehr als die Hälfte der Betriebe arbeitet im 3-Wochen-Rhythmus und am häufigsten wurden Gruppengrößen zwischen 21 und 40 Sauen genannt.
Angaben über die durchschnittliche Wurfgröße (gesamt geborene Ferkel) und die Anzahl der lebend geborenen Ferkel pro Wurf machten 85 bzw. 87 Teilnehmer. Der Mittelwert bei den gesamt geborenen Ferkeln je Wurf aller Betriebe lag bei 17,7. Im Durchschnitt ergab die Anzahl lebend geborener Ferkel je Wurf 16,1 mit einer Spannbreite von 12,7 bis 19,9 lebend geborener Ferkel je Wurf.
Wurfausgleich
Direkt nach der Geburt ist Kolostrum eine lebenswichtige Energiequelle für jedes Ferkel. Bevor ein Wurfausgleich durchgeführt wird, sollte jedes Ferkel Kolostrum von seiner eigenen Mutter aufnehmen. Daher sollte der Wurfausgleich frühestens 12 Stunden nach der Geburt des letzten Ferkels eines Wurfes durchgeführt werden. Dies wird auch in der Praxis vorwiegend so gelebt: 48 von 89 Teilnehmenden gaben an, den ersten Wurfausgleich am 1. Lebenstag, aber frühestens nach 12 Stunden durchzuführen. 29 der Betriebe versetzen die Ferkel zum ersten Mal am 2. bis 3. Lebenstag und 10 in der ersten Lebenswoche. Jedoch ist nicht nur der Zeitpunkt des Wurfausgleiches entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahme. Ziel des Verteilens von einzelnen Ferkeln sehr großer Würfe an andere Sauen innerhalb einer Abferkelgruppe mit weniger Ferkeln ist es, Saugferkelverluste durch Verhungern zu vermeiden und einheitliche Absetzgewichte zu erreichen. Gleichzeitig wird durch ein Abstimmen der Ferkelzahl auf die Zitzenzahl und Milchleistung das biologische Potenzial der Sau berücksichtigt. Wie die Umfrageantworten zeigen, gibt es verschiedene Strategien: Versetzen der größten oder der kleinsten Ferkel, Versetzen ganzer Würfe oder das Versetzen nach keinem festen Schema, sondern je nach Situation (Abb. 1). Festzuhalten ist, dass es betriebsindividuelle Unterschiede gibt, welche Maßnahme am besten funktioniert.
Auf welche Wurfgröße ausgeglichen wird, ist ebenso bedeutsam wie die Häufigkeit des Wurfausgleichs und ob zwischen verschiedenen Abferkelgruppen getauscht wird. Von 86 gaben 75 Teilnehmende an, die Ferkel innerhalb einer Absetzgruppe zu versetzen. Die anderen 11 Betriebe versetzen zwischen verschiedenen Abferkelgruppen. Außerdem gaben 25 Betriebe an, den Wurfausgleich einmalig durchzuführen, während 28 Betriebe ihn zwei Mal und 27 mehrmals über die Verweildauer der Tiere im Abferkelstall durchführen. Unter den Umfrageteilnehmenden gaben 47 von 89 an, dass 14 Ferkel die durchschnittliche Wurfgröße sei, auf die ausgeglichen werde. Die maximale Wurfgröße nach dem Versetzen lag bei der Mehrheit der Teilnehmenden bei 16 bzw. 15 Ferkeln (30 bzw. 25 von 84 Betrieben).
Den Wurfausgleich nur innerhalb einer Absetzgruppe zu machen, ist auf jeden Fall ratsam. Zwar kann man mitunter beim „Zurücksetzen“ kleinerer Ferkel aus der vorherigen Absetzgruppe einheitlichere Absetzgewichte erreichen, allerdings stehen dem auch nachteilige Auswirkungen gegenüber. Das Immunsystem älterer Ferkel aus einer anderen Absetzgruppe ist schon weiterentwickelt und auch die Keimflora, mit der die Ferkel in Kontakt gekommen sind, kann eine andere sein. Dies führt schlimmstenfalls zu Infektionen bei den jüngeren Tieren und kann zu Wachstumsverzögerung durch eine geringere Milchaufnahme bzw. verpasste Säugezeiten führen. Die Sterblichkeit kann dadurch mitunter sogar ansteigen.
Grundsätzlich gilt: So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich! Denn jedes Tauschen erhöht das Risiko der Keimverschleppung.
Ammensysteme
Bei hochfruchtbaren Sauen ist die durchschnittliche Anzahl der Zitzen bei den Sauen regelmäßig kleiner als die Anzahl an lebend geborenen Ferkeln. Meist sind also mehr Ferkel vorhanden als die Sauen säugen können. Die Aufzucht dieser „überzähligen“ Ferkel ist eine Herausforderung, der man sich sowohl aus Sicht des Tierschutzes als auch aus wirtschaftlicher Sicht stellen muss. Hierzu bedient man sich dem Konzept der „Ammenaufzucht“, d. h. Ferkel werden nicht von ihrer eigenen Mutter aufgezogen, sondern bei natürlichen Ammensauen oder in Ausnahmefällen einer technischen Amme.
Die Frage, ob ein Ammensystem zum Management im Abferkelstall gehört, beantworteten 87 Teilnehmende, wobei der größte Teil der Befragten Ammensauen einsetzt (Abb. 2).
Bzgl. der Zufriedenheit wurde nach der Bewertung der technischen Ammensysteme in Schulnoten bei den Betrieben gefragt, die technische Ammen einsetzen. Im Durchschnitt erreichten die technischen Ammen die Note 2,8. Die Zufriedenheit der Nutzer lag also eher nur im Mittelfeld. Positiv wurde angemerkt, dass technische Ammen kurz nach der Geburt den Stress nehmen, mehr Ammensauen einsetzen zu müssen, sodass man mehr Zeit für die Ferkel habe. Allerdings wüchsen die Ferkel nach 7 bis 10 Tagen zu stark auseinander. Weiterhin wurde angemerkt, dass die Ferkelentwicklung an technischen Ammen schlechter sei als an natürlichen Ammen. Da eine technische Amme eine Sau nie ersetzen könne, sei die Aufzucht an technischen Ammen immer nur die letzte Wahl.
Beifütterung
Die Ferkelbeifütterung ist vom Einsatz von technischen Ammen zu unterscheiden. Bei der Ferkelbeifütterung handelt es sich nicht um eine mutterlose Aufzucht, sondern die Ferkel werden zusätzlich zur Sauenmilch gefüttert. Außerdem können von der Beifütterung alle Ferkel profitieren, während bei einem Ammensystem nur der Teil der Ferkel, der zur Amme kommt, eine „Extrabehandlung“ erhält. Je nachdem, wann eine Beifütterung der Saugferkel beginnt, erfüllt sie einen unterschiedlichen Zweck. Die frühe Beifütterung von Milch/Milchaustauscher dient vor allem dazu, die sehr jungen Ferkel am Leben zu erhalten, wenn z. B. die Milchleistung der Sau nicht ausreichend ist oder aber kleine, schwache Ferkel weniger Chance haben, eine Zitze zu ergattern. Die spätere Zufütterung von Prestarter hingegen soll auf die anstehende Futterumstellung zum Absetzen vorbereiten und so den Einbruch in den Zunahmen nach dem Absetzen verringern.
44 von 87 Teilnehmenden, die die Frage beantworteten, bieten den Ferkeln über ein Beifütterungssystem zusätzlich Ferkelmilch an. Davon gaben 18 Betriebe an, ein mobiles und 25 ein stationäres Beifütterungssystem zu nutzen. Bei der mobilen Beifütterung wird von 13 Betrieben mit der Hand gefüttert. Es sind unterschiedliche Systeme verschiedener Hersteller auf dem Markt erhältlich. Die eingesetzten stationären Beifütterungssysteme der Umfrageteilnehmenden sind Abb. 3 zu entnehmen.
Ein Großteil der Befragten ist mit dem verwendeten Beifütterungssystem zufrieden (Abb. 4). Vor allem bei der Beifütterung von Hand wurde jedoch der Arbeitsaufwand als negativer Punkt benannt und dass eine häufige Gabe kleinerer Mengen kaum zu leisten sei. Die Betriebe beginnen am häufigsten im Zeitraum vom ersten bis zum vierten Lebenstag mit der Beifütterung und dann über eine Dauer von durchschnittlich 14 Tagen. Bei den 45 gegebenen Antworten variierte die Dauer zwischen 3 und 28 Tagen.
Praxiserfahrungen
Am Ende der Umfrage wurden die Teilnehmenden gebeten, verschiedene vorgegebene Maßnahmen nach der Wichtigkeit in Bezug auf das Management großer Würfe zu rangieren. 82 Befragte gaben ihre Bewertung ab. Daraus ergab sich folgende Rangierung:
- ausreichende Kolostrumversorgung
- gut geplanter, sauenindividueller Wurfausgleich
- rechtzeitige Saugferkelbeifütterung
- Einsatz eines Ammensystems
Als weitere wichtige Managementmaßnahmen werden in der Praxis die Folgenden gesehen:
- optimale Fütterung/Konditionierung der Sauen
- Gesundheit(-süberwachung) der Sauen
- Gesunderhaltung der Ferkel
- Splitsuckling
- Geburtsüberwachung
Es gibt viele Stellschrauben, um die Ferkelverluste während der Säugezeit gering zu halten und gleichzeitig kräftige und vitale Ferkel abzusetzen. Die Maßnahmen setzen dabei teilweise schon vor der Geburt an und sind betriebsindividuell zu betrachten. Die übergeordnete Bedeutung einer hohen Vitalität von gesunden Saugferkeln für Entwicklung und Gesundheit in allen späteren Lebensphasen rechtfertigt den hohen Aufwand im Management in dieser Lebensphase. Zudem ist die Anzahl der verkauften Ferkel aus ökonomischer Sicht von herausragender Bedeutung.
Stimmen aus der Praxis
Weitere wichtige Managementmaßnahmen und Einflussfaktoren wurden von den Teilnehmenden im Folgenden genannt. Manche Maßnahmen können für manche Betriebe auch Nachteile mit sich bringen. Daher muss jeder Betrieb seine Maßnahmen auf die individuelle Situation abstimmen: