Gestaltung eines Witterungsschutzes als Kälteschutz
Die Kühe müssen sich bei belastender Witterung in einen geschützten Bereich zurückziehen können. Dieser muss so konzipiert sein, dass der Wärmeentzug z. B. durch Wind reduziert wird, das Haarkleid relativ trocken bleibt und beim Liegen Körperwärmeverluste zum kalten, feuchten Boden minimiert werden.
Außerdem ist ein witterungsgeschützter Bereich ein deutliches Zeichen dafür, dass die Tierhaltenden der Fürsorgepflicht den Tieren gegenüber nachkommen.
Weiterhin bereichert ein natürlicher (Baum- und Buschreihen), witterungsgeschützter Bereich Flora und Fauna, indem er Vögeln, Insekten etc. ein Habitat bietet.
Ziele für die Gestaltung eines Witterungsschutzes:
- ausreichende Liegezeiten (sonst Erschöpfungszustände möglich)
- normales Wiederkauverhalten (Energie für Wärmebildung)
Kernelemente eines Witterungsschutzes
- Windschutz
- Liegefläche: Konduktive Wärmeverluste durch Einstreu reduzieren
- Schutz vor Niederschlag
Es existieren verschiedene Möglichkeiten diese Kernelemente zu berücksichtigen und das Einzeltier nicht zu überfordern.
Formen des Witterungsschutzes
Es bedarf zwingend einer eingestreuten, windgeschützten Liegefläche, die trocken sein muss, damit die Liegezeiten von etwa 50 % des Tages gewährleistet werden können. Gegenden mit viel Niederschlag (Schnee und Regen) benötigen ggf. ein Dach (Schutzhütte). Untersuchungen zeigen, dass die Liegedauer der Kühe in Gegenden mit viel Schnee unter Dach ausreichend war. Die Liegezeiten der Kühe verminderten sich deutlich (von 50 % des Tages auf 35 %), wenn der Zugang zur Schutzhütte nicht möglich war (Morgan et al., 2011). Hier zeigt sich deutlich, dass in Regionen mit hohen Mengen an Niederschlag (Schnee oder Regen) der Unterstand eine gewisse Bedeutung hat. In Gegenden mit geringem Niederschlag im Winter (kontinentales Klima), wird dagegen eher kein Unterstand benötigt, wenn ausreichend Liegeflächen zur Verfügung stehen. Standort- und betriebsspezifische Formen sind zu forcieren und durch die Tierhaltenden umzusetzen. Dabei können verschiedene Systeme des Witterungsschutzes kombiniert werden.
Windschutz
Hohe Windgeschwindigkeiten können auch bei Mutterkühen zu einer Auskühlung des Körpers führen. Vor diesem Hintergrund scheint ein Windschutz für diese Wetterlagen erforderlich zu sein. Wenn zusätzlich Regen oder Nieselregen das Fell der Mutterkühe durchnässt, wird die isolierende Wirkung des Haarkleides deutlich herabgesetzt und die Prozesse der Trocknung des Fells erzeugen zusätzlich Verdunstungskälte. Bei kurzfristigen Ereignissen sollten keine Auswirkungen auf das Wohlergehen der Mutterkühe erwartet werden. Sollte die Kombination aus Wind und Regen aber mehrere Tage anhalten, wäre die Schaffung eines Unterstandes vorteilhaft für die Thermoregulation der Kühe.
- Reduktion der Wärmeabgabe durch natürliche Schutzmöglichkeiten wie Hecken, Baumreihen und Wälder oder aber künstlicher Windschutz wie Windschutzwände (Strohballen oder Windschutznetze) oder Unterstände mit Schutzwirkung gegen die Hauptwindrichtung ausgerichtet
- bei längerer Wirkung von Wind + Regen = Regenschutz erforderlich
Inwieweit ein Windschutz für die Freilandhaltung der Mutterkühe erforderlich wird, muss immer auf einzelbetrieblicher Ebene abgeschätzt werden. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass ein Windschutz auch gegen Regen schützen kann, wenn Wind und Regen gleichzeitig auftreten.
Natürlicher Windschutz
Windgeschützte Bereiche für Mutterkühe und Kälber bieten:
- Baum- und Buschreihen
- Laubbäume: sind nur bedingt geeignet
- unterschiedlich hohe Bäume bieten guten Schutz
- kuppiertes Gelände* (Tiere stellen sich hinter Kuppen)
- tiefe Einstreu bietet (Teil-) Schutz vor Wind
*Gelände mit Hügeln, Mulden und Senken
Windschutzart | Abstand vom Windschutz Höhe des Windschutzes mal Faktor… | ||||
5 | 10 | 15 | 20 | 30 | |
Reduktion der Windgeschwindigkeit (%) | |||||
Laubbaum, einreihig, Porosität: 65-75% | 50% | 65% | 80% | 85% | 100% |
Nadelbaum, einreihig, Porosität: 40-60% | 30% | 50% | 60% | 75% | 95% |
Nadelbaum, mehrreihig, Porosität: 20-40% | 25% | 35% | 65% | 85% | 95% |
Windschutzwand, Porosität: 0% | 25% | 70% | 90% | 95% | 100% |
Bietet eine Fläche keinen natürlichen, gewachsenen Windschutz, so können einreihig oder besser mehrreihig gepflanzte Bäume Schutz bieten (KTBL-Schrift 481). Nach Brandle und Finch (1991) ergeben sich bei einreihig gepflanzten Nadelbäumen und einer Porosität von 40-60%, eine Dichte zwischen 40 und 60%. Dadurch wird die leeseitige (dem Wind abgewandte Seite) Windgeschwindigkeit auf ca. 30% der luvseitigen (dem Wind zugewandte Seite) reduziert. Der so geschützte Bereich ist 5-mal so tief, wie die Baumreihe hoch ist. Eine mehrreihige Anpflanzung mit einer Porosität von 20-40%, erzielt eine Dichte von 60-80% und verringert die Windgeschwindigkeit auf 35%. Hierbei umfasst der geschützte Bereich eine Tiefe, die der 10-fachen Baumhöhe entspricht (Tabelle 11).
Baulich-technischer Windschutz
Gibt es auf den Flächen keinen, natürlich gewachsenen Windschutz für die Tiere, so besteht die Möglichkeit Windschutzwände zu errichten. Diese sind im Idealfall:
- transportabel
- porös (verhindern Wirbel)
- optimal: V-förmig (90°)
Nach nordamerikanischen Studien von Klein (2009) ist eine Porosität von 20-35% als optimal anzusehen. Die Windgeschwindigkeit reduziert sich hier auf 20-30% der Ausgangssituation.
Beispiel: 9 m/s (32 km/h) reduzieren sich auf 1,8-3 m/s (6-9 km/h)
Es ist darauf zu achten, dass die Windschutzwand bis zum Boden reicht, damit Zugluft vermieden werden kann (KTBL-Schrift 481). Eine Windschutzwand ist in einem Bereich wirksam, dessen Tiefe der 6-8fachen Höhe der Windschutzwand entspricht (Abbildung 14 & 15).
Wird ein Platzbedarf pro Kuh und Kalb von ca. 7 m2 angenommen, so ergeben sich folgende Wandmaße und Flächen je nach Herdengröße (KTBL-Schrift 481):
Herdengröße (Kuh-Kalb-Paare) | Erforderliche geschützte Fläche1) | Windschutzwand 2) 3) | |
n | qm | Höhe (m) | Länge (m) |
20 | 140 | 2 | 12 |
50 | 350 | 3 | 19 |
100 | 700 | 4 | 29 |
200 | 1400 | 4 | 58 |
Optimalen Schutz bieten L-, T oder kreuzförmige Wandgrundrisse, zusätzlich sollte auf gleichlange Seiten geachtet werden. Um rangniederen Tieren die Möglichkeit zu geben, ausweichen zu können und da sie nur wenig genutzt werden können, sollten spitze Winkel vermieden werden (KTBL-Schrift 481).
Vergleichende Untersuchungen
Graunke (2007) untersuchte in Schweden im Zeitraum von Dezember bis März (Winter) das Verhalten von Mutterkühen auf einer Weide mit Zugang zu verschiedenen geschützten Bereichen:
[1] ohne Schutz,
[2] Wald,
[3] Schutz und windzugewandt und
[4] schutznah und windzugewandt.
(In [3] und [4] kommt es darauf an, wo sich die Tiere genau befinden.)
Hier zeigte sich, dass in Abhängigkeit von der Wind-Chill-Temperatur (bezeichnet die gefühlte Temperatur, siehe Kapitel 3.2) der Aufenthalt auf der freien Fläche oder im Wald signifikant beeinflusst wurde. Bei tiefen Temperaturen wurde in Verbindung mit starkem Wind eher der Wald als natürlicher Schutz angenommen. Der baulich-technische Windschutz wurde dagegen nur selten genutzt (Graunke, 2007). Sie schlussfolgert, dass Mutterkühe und Rinder sich an die Witterungsverhältnisse anpassen konnten und sich dem Grad des Schutzes entsprechend verhielten. Wichtig zu vermerken ist, dass “…die Kühe und Färsen in der Lage waren, wärmere Wind-Chill-Temperaturen zu finden, ohne dabei notwendigerweise die drei schützenden Weidegebiete aufsuchen zu müssen”. Ergebnis der vergleichenden Studie ist, dass tierindividuelle und Standort- (Niederschlag, Bodenverhältnisse etc.) Unterschiede beachtet werden müssen, da entsprechend unterschiedliche Lösungen möglich sind.
Auch Golze (2000) und Zube (1996) geben an, dass Mutterkühe und Fleischrinder erst nach langer Regenperiode mit geringen Temperaturen und starkem Wind den künstlichen Schutzbereich (Unterstand) nutzen.
Tierhaltende sollten immer hinterfragen, warum ein Unterstand nicht genutzt wird, ob es bspw. für die Tiere im Unterstand Nachteile gab, die größer waren, als sich dem schlechten Wetter auszusetzen. Ganz oft spielt die Zugänglichkeit eine Rolle, auch der Aufstellungsort und der damit verbundene Überblick über die Weide kann darüber entscheiden, wie ein Unterstand von den Tieren genutzt wird oder nicht.
Liegefläche
Neben dem Schutz vor Wind, bedarf es einer trockenen Liegefläche, die den Tieren eine Isolierung/Dämmung von unten bietet. Folgende Anforderungen bestehen an eine optimale Liegefläche zum Schutz vor Kälte:
- eingesäte Grünlandfläche, Zwischenfrucht, genügt nur solange genug Bewuchs vorhanden und keine starken Witterungseinflüsse vorliegen
- eingestreute Liegefläche unter winterlichen Witterungsbedingungen notwendig (z.B. Stroh, Hackschnitzel, Heu, Streu, Anregung für reine Grünlandbetriebe: Grünmasse aus dem Vertragsnaturschutz)
- eingestreute Liegefläche erfordert ein betriebs- und witterungsspezifisches Management (Situationsbezogene Einstreuhäufigkeit und -menge); bei Extrem-Witterungsereignissen (schutzrelevante Tage) sollte das Nachstreuen spätestens nach 24 Stunden erfolgen
- ausreichende Liegefläche (in Abhängigkeit von Herdengröße, Herdenverhalten, Behornung, Kälber bei Fuß) mit 4 m² je Mutterkuh und 1 m² je Kalb
- Wahlmöglichkeiten insbesondere für rangniedrige Tiere in größeren Herden
- separater Bereich für Kälber ist vorteilhaft (z.B. unter Anhänger, Kälberschlupf)
Folgen bei fehlender Liegefläche:
Rinder meiden üblicherweise den direkten Kontakt zum kalten, feuchten Boden, wodurch Körperwärmeverluste eingeschränkt werden können. Unter Umständen tritt diese Verhaltensweise häufiger bei langanhaltendem Regen und tiefen Temperaturen auf und könnte zu Erschöpfungszuständen führen. Da Wiederkauen in Verbindung mit dem Liegeverhalten auftritt, kann bei einem gestörten Liegeverhalten auch das Wiederkauverhalten beeinträchtigt werden. Dies kann die Wärmeerzeugung des Körpers stören.
Die Tabellen in Kapitel 2.1 zeigen Flächengrößen für Kühe und Kälber in geschützten Bereichen. Dabei wird deutlich, dass zwischen unbehornten und behornten Rindern unterschieden werden muss. Außerdem spielt die Herdengröße und die Körpermasse eine Rolle. Weiterhin ist das Sozialverhalten innerhalb der Herde zu beachten. Beispielsweise können dominante Kühe anderen Herdenmitgliedern den Zugang zum geschützten Bereich verwehren. Um dies zu verhindern, muss der Zugang breit genug sein oder es können weitere geschützte Bereiche angeboten werden. Als Mindestfläche können 4 m2 pro Kuh und 1 m2 pro Kalb in Abhängigkeit vom Hornstatus, von der Körpermasse, dem Alter, der Herdengröße und dem Sozialverhalten angenommen werden.
Mazurek et al. (2010) beschreiben einen “Animal Welfare Index” (AWI) für den Bereich der Mutterkuhhaltung in Irland und unterscheiden die Art und die Sauberkeit des Untergrundes (Bodens) und des Laufhofes oder des Grünlandes bewertet werden. Dabei werden die in Tabelle X ausgewiesenen Score für die Bewertung als Vorgabe benannt. So sind zum Beispiel Liegematten mit langem Stroh am besten bewertet. Neben der Liegematte werden aber auch die Sauberkeit dieser Flächen und die diese Liegeflächen umgebenden Flächen mit in das Scoring einbezogen.
Score | Untergrund oder Einstreumaterial | Sauberkeit der Liegefläche | Umgebung der Liegefläche | Zustand des Grünlandes |
2,5 | Stroh > 60 mm | |||
2,0 | Stroh 30-60 mm | |||
1,5 | Hackschnitzel oder Torf | |||
1,0 | Kunststoffmatten | sauber | sauber | Guter Zustand der Narbe |
0,5 | Holzlatten / Platte | mittel | mittel | |
0,0 | Betonspalten | verdreckt | verdreckt | mittlerer Zustand mit Lücken |
-0,5 | Beton | stark verdreckt | stark verdreckt | Zertretener Bestand |
Schutz vor Nässe
Um Schutz vor Nässe zu gewährleisten, bedarf es nicht immer eines Unterstandes:
- Standortbedingungen sind ausschlaggebend für das Ausmaß des notwendigen Schutzes
- Windschutz kann an manchen Standorten auch als Schutz vor Niederschlag fungieren
- trockene Einstreu auf einer Liegematte bietet (Teil-)Schutz vor Nässe
- baulich-technische Maßnahmen (Unterstand)
- baulich-technische Maßnahmen lassen Einstreu weniger durchfeuchten
Nach Wallbaum 1996, Wassmuth et al. 1999 können Unterstände einen umfassenden Witterungsschutz bieten. Dieser sollte tiergerecht gestaltet sein, sodass er von allen Rassen aufgesucht werden kann. Bei fehlender Frischluft, Zugluft oder schlammigen Böden meiden die Tiere Unterstände und suchen andere Aufenthaltsbereiche auf.
Die offene Seite der Unterstände sollte von der Hauptwindrichtung abgewandt sein und wenn möglich, nach Süden ausgerichtet stehen. Die Wintersonne wirkt sich positiv auf die Tiergesundheit aus (KTBL-Schrift 481).