Haltung bei Kältebelastung
Belastende / entlastende Umweltfaktoren auf die Kältebelastung
Grundsätzlich haben niedrige Temperaturen, hohe Windgeschwindigkeiten, feuchte und kalte Liegeflächen, Niederschlag und hohe Luftfeuchtigkeit durch vermehrte Wärmeabgabe Einfluss auf die Kältebelastung.
Belastende tierseitige Faktoren | Folgen für Mutterkühe |
feuchtes, verschmutztes Fell (z. B. durch Liegen auf dem Boden ohne Einstreu) | vermehrte Wärmeabgabe (feuchtes Fell verliert dämmende Wirkung) |
unvollständig ausgeprägtes Winterhaarkleid und/oder durch Ektoparasitenbefall tlw. nicht intaktes Haarkleid | vermehrte Wärmeabgabe |
geringe Körperreserven – geringe subkutane Fettschicht | vermehrte Wärmeabgabe |
Aus denen in der Tab. 6 und 7 genannten belastenden Witterungsfaktoren und den daraus resultierenden Folgen für Mutterkühe, können eine schlechte Körperkondition, Krankheiten, einen damit einhergehenden erhöhten Energiebedarf bei Krankheit, Klauenprobleme, Stoffwechselerkrankungen, Haarschäden/-verlust durch Ektoparasiten, nach sich ziehen.
Untersuchungen aus Schottland von Morgan et al. (2011) zeigen sehr deutlich, dass der Energiebedarf der Mutterkühe (tragend) in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit und dem Zustand des Winterfells sehr stark variieren kann. So kann der Energiebedarf bei Windstille von etwa 80 MJ ME je Mutterkuh und Tag auf fast 120 MJ ME je Tag ansteigen, wenn das Fell nass und die Windgeschwindigkeit bei 10 m/s liegt (Abbildung 4).
Der höhere Energiebedarf der Mutterkühe in den Kälteperioden kann je nach Fütterungssystem bei einer bestehenden Fütterung oder Ration nicht kurzfristig verändert werden. Tierhaltende müssen in der Lage sein Anpassungen vornehmen zu können. Vor diesem Hintergrund geben Morgan et al. (2011) die Empfehlung, den Tieren bei Kältestress zusätzliches Futter in Form von Kraftfutter anzubieten, um den Effekt der erhöhten Wärmeabgabe abzumildern. Hier muss der Landwirt in Abhängigkeit von Windgeschwindigkeit, Zustand des Fells und der Körperkondition eine Entscheidung treffen. Die empfohlenen Mengen an zusätzlichem Kraftfutter nach Morgan et al. (2011) sind in Abbildung 5 ersichtlich. Auch das Management muss dahingehend angepasst werden und auch die Befahrbarkeit der Weide muss bei schlechten Witterungsverhältnissen gegeben sein.
Um den belastenden Umweltfaktoren und den daraus resultierenden Folgen entgegenzuwirken sollte auf entlastende tierseitige Faktoren und Witterungsfaktoren geachtet werden, die in Tab. 8 genannt werden. Basis hierfür sind Tiere bei guter Gesundheit und ein entsprechender Witterungsschutz.
Entlastende tierseitige Faktoren | Entlastende Haltungsfaktoren |
trockenes Winterfell | eingestreute Liegefläche |
optimale Futter- und Energieaufnahme | Windschutz |
gute Körperkondition | Regenschutz |
gute Gesundheit notwendig | |
Tierindividuelle Anpassungsreaktionen (siehe 4.2.) |
Anpassungsreaktionen und -möglichkeiten
Auf Kältestress können Mutterkühe mit Änderungen im Verhalten, der Gesundheit und der Leistung reagieren. Hier muss auch zwischen kurz- und mittelfristigen Anpassungsreaktionen und -möglichkeiten unterschieden werden.
Ein wichtiger Aspekt für Haltende von Mutterkühen ist die Schulung ihres Auges für die Bildung und Beurteilung des Winterhaarkleides, siehe Abbildung 7. Dieses kann innerhalb einer Herde, Rasse und im Jahresverlauf unterschiedlich ausgeprägt sein, siehe Abbildung 8. Das Winterhaarkleid sollte zu Beginn des Winters 1x beurteilt werden. Je kühler es in der Region wird, desto früher sollte das Winterhaarkleid beurteilt werden (spätestens Anfang November). Bei älteren und jüngeren Tieren kann der Fellwechsel länger dauern. Ziel sollte sein, dass ca. 60% der Tiere in Score a und b liegen.
Kurzfristige ethologische Anpassungsreaktionen
Rinder, die Kältestress ausgesetzt sind, können ihr Normalverhalten nicht ausleben. In der Folge können biologische Funktionen, das Tierwohl und die Gesundheit beeinträchtigt sein. Damit einhergehend können Verhaltensänderungen auftreten, die sich bei fehlender Bedarfsdeckung bis hin zu Verhaltensanomalien entwickeln können (Polsky und von Keyserlingk, 2017).
Verhaltenselement | Reaktion bei Wärmeentzug |
Körperhaltung |
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Ortsveränderung |
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Verhaltensänderung |
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Nach Sporkmann et al. (2016) wird mit zunehmendem CCI (also niedriger Temperatur) auch das Liegeverhalten verringert. Bis -10 °C wurden im Mittel 9,5 Stunden je Tag mit dem Liegen verbracht. Bei -10 bis -20 °C verminderte sich diese Liegezeit auf unter 8 Stunden je Kuh und Tag.
Die Tab. 10 zeigt, dass Rinder das Liegen auf unisolierten Flächen bei feucht-kalter und trocken-kalter Witterung vermeiden und bei dieser Witterungslage eher eingestreute Flächen aufsuchen. Das Aufsuchen des Unterstandes hingegen, wird bei diesen Witterungsverhältnissen bevorzugt und weniger bei einer trocken-warmen Witterung. Allein die Futterstelle mit entsprechender Entfernung wird bei trocken-warmer und feucht-kalter Witterung vermehrt und bei trocken-kalter Witterung weniger besucht.
Witterung | |||
Verhaltensweisen | trocken - warm1 | feucht-kalt2 | trocken-kalt3 |
Liegen auf unisolierten Flächen | 12% | 0% | 0% |
Aufsuchen der Einstreufläche | 0% | 4% | 18% |
Aufsuchen des Unterstandes | 5% | 24% | 22% |
Aufsuchen der > 80m von der Futterstelle entfernten Bereiche | 80% | 50% | 26% |
Kurzfristige körperliche Anpassungsreaktion
- Mobilisierung von Körperreserven
- Vasokonstriktion
- Kältezittern
- Erhöhung der Oxidationsprozesse
- Verminderung der Atemzüge (Respiration Rate) auf unter 20x je Minute (Webster, 1974)
Mittelfristige körperliche Anpassungsreaktion
Im Jahresverlauf muss je nach Kalbeperiode ein Auf- und Abbau von Körperreserven erfolgen (Abbildung 10 und 11). Hierbei ist darauf zu achten, dass Fleischrinder Ansatztypen und keine Umsatztypen sind. Es bedarf der passenden Körperkondition zu entsprechenden Jahreszeit. Diese ist leichter zu erzielen, wenn die Tiere gesund sind und sich an die Veränderung der Jahreszeiten gewöhnen können. Auch die Anpassung des Haarkleids an die Jahreszeit ist eine weitere mittelfristige Anpassungsreaktion. Der Behaarungsgrad nach Durbin et al. (2020) (siehe Abbildung 8) kann zur Beurteilung des Wechsels des Haarkleides genutzt werden. Der Wechsel des Haarkleids hat eine starke genetische Komponente (hohe Erblichkeit), aber auch die Mineralstoffversorgung und ggf. krankheitsbedingte Haarwechselprobleme spielen eine Rolle. Auch rassespezifische Unterschiede bezüglich Hautdicke und Thermoregulation sind zu beachten. So hatten Galloways mit dickerer Haut und dichterem Haar weniger Verletzungen bei gefrorenen Tritttrichtern und Absetzer die nahe dem Winter geboren wurden, haben dickere Haut.
Exkurs: Körperkondition bei Mutterkühen
Um Problematiken rund um die Fruchtbarkeit und Geburt zu vermeiden, sollte zur Kalbesaison eine Überkondition der Mutterkühe vermieden werden. Mit der Beurteilung der Körperkondition kann das Tier als direkter Indikator genutzt werden. Die Abbildungen 9 und 10 zeigen die Zielvorgaben der Körperkondition von Mutterkühen. In Abhängigkeit vom Kalbetermin schwanken diese im Jahresverlauf. Beim Absetzen der Kälber sollte der Körpersubstanzverlust nach dem Kalben wieder ausgeglichen sein (KTBL-Schrift 481). Zur Beurteilung der Kondition bei Mutterkühen ist in Abbildung 11 der Lendengriff dargestellt.
Auswirkungen auf die Tiere bei Überschreiten der Anpassungsfähigkeit
Die Winteraußenhaltung fördert bei richtigem Management die Gesundheit, kuriert aber keine Krankheiten. Deshalb dürfen nur gesunde Kühe im Winter außen gehalten werden. Auch in der Außenhaltung ist im Krankheits-/Verletzungsfall eine separate Betreuung von Einzeltieren sicherzustellen.
Die Anpassungsreaktionen erkrankter Tiere sind eingeschränkt durch z.B.:
- Ektoparasitenbefall, welche die Widerstandsfähigkeit des Winterhaarkleids schädigen, im Winter muss besonders auf Haarlinge geachtet werden
- Endoparasitosen/Wurmbefall
- Lahmende Tiere, die Probleme mit Ortsveränderungen haben
- Stoffwechselstörungen
- gestörte Futterverwertung/ - aufnahme
- chronische Erkrankungen
- mehrere gleichzeitige Probleme/ Krankheiten schränken die Anpassungsreaktionen verstärkt ein
Folgen für die Gesundheit:
- vermehrt Erkrankungen durch übermäßigen Wärmeentzug (Winter): Herbsttetanie, Stoffwechselstörungen, Atemwegserkrankungen, Parasitosen, Erfrierungen an Extremitäten (Kälber: Ohrnekrosen)
- starkes Einschmelzen von Körperreserven, Abmagerung