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Thermoregulation beim Rind unter Witterungsstress

Rinder sind Warmblüter und haben daher eine gleichbleibende Körpertemperatur (ca. 38 – 39 °C). Die Thermoregulation hat zur Aufgabe diese Körpertemperatur unabhängig von der Umgebungstemperatur möglichst konstant zu halten. Je größer der Aufwand des Körpers wird um die Körpertemperatur konstant zu halten, desto größer ist der „Witterungsstress“. Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen und Zusammenhänge der Thermoregulation beim Rind erläutert.

Temperaturzonen und -regulationsvermögen

Die thermoneutrale Zone, in der das Tier keine zusätzliche Energie aufwenden muss, um die Körpertemperatur zu regulieren, liegt laut Bianca (1968) für Rinder zwischen 0 – 16 Grad Celsius.

Bei Unter- oder Überschreiten der Grenzen B und B´ können die Tiere ihre Körpertemperatur nicht mehr im physiologischen Rahmen halten und es besteht Lebensgefahr (Sporkmann et al., 2016).

Kälber, deren Mütter sich sehr gut um ihren Nachwuchs kümmern (früh trocken lecken, Präsentation des Euters, körperliche Nähe, Schatten- und Wärmespender etc.) haben eine höhere Toleranz gegenüber widrigen Witterungsbedingungen als solche, die auf sich allein gestellt sind. Die thermoneutrale Zone für Tränkekälber wird bei einer Luftfeuchte von 50 % bis 60 % mit +15 °C und +25 °C beschrieben. Für ältere Kälber, die bereits einen funktionierenden Pansen besitzen und daher wiederkäuen können, wird der thermoneutrale Bereich mit +5 °C bis +15 °C angenommen (Berkemeier, 2021 in Elite Magazin, Hufelschulte, 2020 in topagrar).

Grenze der Anpassungsfähigkeit

  • Sobald die Köperkerntemperatur den Normalbereich unterschreitet (37,5 °C), spricht man von Hypothermie (Dirksen et al. 2006). Sinkt die Körperkerntemperatur weiter, droht der Kältetod
  • Je größer die thermische Belastung ist, desto stärker tritt die Aufrechterhaltung der Körperkerntemperatur in Konkurrenz zur Nutzleistung und Gesundheit („verstärkte Anpassung“)
  • Unterschreitet die Wärmeaufnahme/-bildung die Wärmeabgabe, so sinkt die Körperkerntemperatur
  • Wind kann dem Körper beträchtliche Wärmemengen entziehen; mit steigender Windgeschwindigkeit steigt die Temperatur, bei der die Tiere ihre physiologische Körperkerntemperatur aufrechterhalten können
  • In Tab. 4 ist die Außentemperatur aufgeführt, welche in Abhängigkeit zur Windgeschwindigkeit steht. Je niedriger die Außentemperatur und je höher die Windgeschwindigkeit, desto niedriger ist die „gefühlte Temperatur“

 

Nach Angaben des NRC (2016) können Mutterkühe, die sich durch eine gute Körperkondition und ein angepasstes Winterfell auszeichnen, in der Mitte der Trächtigkeit eine Temperatur von - 21°C problemlos vertragen. Dazu muss aber das Fell trocken und sauber sein. Säugende Mutterkühe können nach NRC (2016) auch tiefere Temperaturen ohne körperlichen Schaden überstehen. Ab mehr als - 30°C tritt jedoch mehrheitlich ein Kälte-Stress ein (Anderson et al., 2022). Bei schwächeren Tieren sollte die Kälte-Toleranzgrenze bei etwa - 29°C liegen. Ab einer Rektal-Temperatur unter 28°C muss zwingend gehandelt werden, da Tiere keine eigene Regulation mehr haben. Die Rektal-Temperatur zählt als Goldstandard, ist aber in der Praxis nur mäßig durchführbar.

Nach Angaben von Mader et al. (2010) können 6 Bereiche des Kältestresses anhand der Temperatur untergliedert werden, welche in Tab. 5 ausgewiesen sind. Hier wird ersichtlich, dass erst ab - 30 °C eine extreme Kältestress-Situation bewertet wurde. Es muss erwähnt werden, dass die Bewertung der Temperaturkategorien zwischen Rassen und auch zwischen Tieren Unterschiede aufweisen können.

Tabelle 5: Comprehensive climate index CCI nach Mader et al. (2010)
CCI Temperatur (°C)Bewertung
über 0kein Kältestress
0 bis -10milder Kältestress
-10 bis -20moderater Kältestress
-20 bis - 30starker Kältestress
-30 bis -40extremer Kältestress
unter -40ACHTUNG /LEBENSGEFAHR

Interessant sind hierbei die Aussagen von Sporkmann et al. (2014), dass in Abhängigkeit vom Comprehensive climate index-Level keine Veränderungen in der Wasseraufnahme der Mutterkühe beobachtet werden konnten. Auch die Anzahl der Besuche an den Tränken zeigten hier keine gerichtete Entwicklung mit zunehmendem Kältestress (Sporkmann et al., 2014).

Wärmeübertragung

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für den Wärmetausch:

  • Wärmeleitung oder Konduktion: Wärme fließt in Richtung des Mediums mit geringerer Temperatur ab (z.B. Wasser, Luft, Boden)
  • Wärmeströmung oder Konvektion: Wärme wird durch ein strömendes Medium (z.B. Wind) abtransportiert
  • Wärmestrahlung: Wärme wird durch elektromagnetische Wellen übertragen (z.B. Sonnenstrahlen)
  • Evaporation: Energieabgabe über Wasserdampf (Schwitzen, Hecheln)

Durch direkte Sonneneinstrahlung erhöht sich der Wärmeeintrag des Tieres deutlich. Das Aufkommen an Wolken verringert den Wärmeeintrag im Vergleich zur direkten Strahlung. 

Kalte und nasse Liegeflächen, (hohe) Windgeschwindigkeiten und nasses Fell erhöhen die Wärmeabgabe im Winter.