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Tierwohlorientiertes Auslaufmanagement bei Mastgänsen – Worauf kommt es an?

  • Ludger Cordes, Rothkötter Mischfutterwerk GmbH 
  • Inke Drossé, Deutscher Tierschutzbund E.V.
  • Dr. Andreas Hemme, Die Praxis für Geflügel GbR
  • Marie-Louise Hentschel, BWE-Brüterei Weser-Ems GmbH & Co. KG
  • Prof. Helen Louton, Universität Rostock
  • Steffi Ropel, Biofino GmbH & Co. KG 
  • Silke Schierhold, Landwirtschaftskammer Niedersachsen
  • Dr. Birgit Spindler, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
  • Arnd von Hugo, Landwirt
  • Felix Wesjohann, BWE-Brüterei Weser-Ems GmbH & Co. KG

Förderhinweis
Dieses Dokument wurde im Rahmen des Verbundprojektes Netzwerk Fokus Tierwohl, Förderkennzeichen 28N-4-013-01 bis 28N-4-013-17, durch die Arbeitsgruppe „Masthühner“ des Tierwohl-Kompetenzzentrums Geflügel erarbeitet und durch DLG e.V. und FiBL Deutschland e.V. methodisch-didaktisch aufbereitet. 
Das Verbundprojekt der Landwirtschaftskammern und landwirtschaftlichen Einrichtungen aller Bundesländer hat das Ziel, den Wissenstransfer in die Praxis zu verbessern, um rinder-, schweine- und geflügelhaltende Betriebe hinsichtlich einer tierwohlgerechten, umweltschonenden und nachhaltigen Nutztierhaltung zukunftsfähig zu machen. 
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. 

Alle Informationen und Hinweise ohne jede Gewähr und Haftung.

Herausgeber

DLG e.V.
Fachzentrum Landwirtschaft
Eschborner Landstraße 122
60489 Frankfurt am Main

FiBL Deutschland e.V.
Bereich Tierwohl
Kasseler Straße 1a
60486 Frankfurt am Main

Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder (auch für den Zweck der Unterrichtsgestaltung) sowie Bereitstellung des Merkblattes im Ganzen oder in Teilen zur Ansicht oder zum Download durch Dritte nur nach vorheriger Genehmigung durch die fachlich zuständige Geschäftsstelle des Tierwohl-Kompetenzzentrums und DLG e.V., Servicebereich Marketing, Tel. +49 69 24788-209, M.Biallowons@DLG.org

 

Neben wenigen Vollerwerbsbetrieben in den für Deutschland typischen Gänseregionen wird die Gänsemast hierzulande überwiegend im landwirtschaftlichen Nebenerwerb zur Direktvermarktung mit Haltung der Tiere im Freiland betrieben. Hierfür sollte ein entsprechend großer Grünauslauf vorgehalten werden. Spätestens ab der 9. Lebenswoche, wenn die Gänse voll befiedert sind, ist ein Zugang zur Weide zu ermöglichen. Ein praktischer Ansatz ist es, jungen Gösseln bereits ab der 2./3. Lebenswoche stundenweise bei gutem Wetter einen begrünten und trockenen Auslauf zu gewähren. Hier finden die jungen Tiere frisches Grün und Kräuter wie die Vogelmiere, welche sie gerne aufnehmen. Wenn die Gänse dann voll befiedert sind, können sie auch nachts und bei Schlechtwetterperioden draußen gehalten werden. Es empfiehlt sich jedoch, die Gänse nachts in einer für sie gewohnten und überdachten Behausung mit Einstreu unterzubringen. Laut niedersächsischer „Gänsehaltungsvereinbarung“ sollte pro Tier eine Auslauffläche von mind. 10 m2 (Standweide), bei einem Wechselweide-Verfahren mind. 4 m2, zur Verfügung stehen. Bei Programmen wie „Gänse aus bäuerlicher Freilandhaltung“ werden sogar 15 m2 bewachsene und strukturierte Fläche je Tier benötigt. In den NEULAND-Richtlinien für artgerechte Gänsehaltung sind mindestens 20 m² pro Tier bei Portions- und Standweide vorgesehen.

Der Weideauslauf muss den Tieren das ganze Jahr, bzw. die gesamte Haltungsperiode, zur Verfügung stehen und kann wesentlich zur bedarfsgerechten und kostengünstigen Ernährung der Tiere beitragen. Entsprechend sollte ein besonderes Augenmerk auf die Pflege und Gestaltung des Auslaufs gelegt werden. Bei intensiver Nutzung der Weideflächen durch 500 oder mehr Tiere je ha landwirtschaftlich genutzter Fläche (LF) erfolgt eine zunehmende Beanspruchung der Grasnarbe. Es sind 50-70 m² Grünfläche pro Gans notwendig, um sie ganzjährig auf einer vollends begrünten Fläche halten zu können. Voraussetzungen für eine gute und robuste Gänseweide sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Bedingungen für eine optimale Gänseweise (Schneider et al., 2002)
Boden 
  • leicht bis  mittelschwer ohne staueneden Untergrund mit pH-Wert 5,0 - 5,5
  • Tonige Lehm- und Tonböden mit pH-Wert 6
 
Pflanzen 
  • 70-80 % Gräser
  • 10-15 % Weißklee
  • 10-20 % Kräuter 
 
Grasnarbe 
  • geschlossen, dicht
 
Aufwuchshöhe 
  • 10 cm, maximal 15 cm
 
Weitere Anforderungen 
  • Vorhandensein von Schattenspendern
 

Die Gans verbringt den Großteil ihrer Zeit im Freien. Auch die Ausmast sollte in der von der Gans gewohnten Umgebung getätigt werden. Ist die Gans ihr Leben lang an das Freiland gewöhnt worden, ist das Ausmästen der Tiere in einem Stall schwierig, genauso kann eine Gruppentrennung im Herbst zu Problemen führen. Weil die Gans sehr sensibel auf Standortveränderungen reagiert, sollte sich das Umfeld für die Gänse nicht ändern. Eine Ausmast im Stall ist zwar möglich, doch die Umstellung von der Auslaufhaltung zur reinen Stallhaltung stresst die Tiere enorm. Die Aufstallungsgebote während der letzten Geflügelpestzüge bestätigen immer wieder den hohen Stress für die Tiere, wenn sie im Stall bleiben müssen. Hier sind weitreichende Maßnahmen wie häufigere Kontrollen der Tiere und das Angebot zusätzlichen Beschäftigungsmaterials (z.B. frisches Stroh oder Maissilage) erforderlich. Ziel sollte es daher sein, den Tieren ganzjährig optimale Bedingungen auf der Weide zu bieten.

Strukturierung des Auslaufs

Besonders in den heißen Sommermonaten ist eine ausreichende Beschattung wichtig. Hierfür müssen Unterstände angeboten werden, aber auch Bäume und Sträucher eignen sich als Schattenspender. Diese dienen gleichzeitig dem Schutz vor Beutegreifern aus der Luft, welche vor allem für die jungen Gössel in den ersten Wochen ein Risiko darstellen. Eine Alternative wäre zum Beispiel das Spannen von Netzen im Auslauf. Eine geeignete Umzäunung des Auslaufs, z.B. durch einen Wildschutzzaun mit einem stromführenden Draht, bietet Schutz vor weiteren Beutegreifern wie Fuchs und Marder und je nach Region auch dem Wolf. Um die ständige Versorgung der Tiere mit frischem Wasser und Futter zu gewährleisten, sind entsprechende Futter- und Wasserangebote im Freiland vorzuhalten. Dabei ist unter Beachtung von § 3 der Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest (GeflPestSchV) die Futter- und Wasserstelle zu überdachen, um dem Eintrag von z.B. Wildvogelkot vorzubeugen. Bei den Tränkeinrichtungen muss das Wasser so angeboten werden, dass die Gans ihren Kopf und Schnabel vollständig ins Wasser eintauchen und dieses über ihren Körper schütten kann. Zur Schonung des Auslaufs ist es empfehlenswert die Wasserstellen für die Gänse in regelmäßigen Abständen zu versetzen. Eine Badegelegenheit in Form von größeren Wasserflächen im Freiland ist nicht zwingend notwendig, sie können insbesondere bei höheren Besatzdichten zu hygienischen Problemen führen. Ein Angebot von Beschäftigungsmaterial ist bei Zugang zum Freiland nicht erforderlich.

Pflegemaßnahmen

Der Bedarf an Grünmasse je Tier und Mastdurchgang liegt bei ca. 140 kg für eine 7-8 kg schwere Spätmastgans. Die Beanspruchung der Weide durch die Nutzung der Tiere ist hoch. Der Verbiss der Tiere ist tief, und auch der stark ätzende Kot der Tiere kann der Grasnarbe zusetzen, was einen einseitigen Pflanzenbestand fördern kann. Abhilfe kann hier eine Umtriebsweide schaffen, die durch Versetzen eines mobilen Elektrozauns gut umzusetzen ist. Auf der anderen Seite ist durch das im Vergleich zu anderen Nutztieren geringere Körpergewicht und die großen Füße der Druck auf den Boden geringer, was sich bei manchen, insbesondere feuchten, Standorten als vorteilhaft erweist.

Zur Pflege der Weide gehört also möglichst ein regelmäßiger Wechsel der Fläche oder ggf. Umbruch. Auch das Prinzip der Portionsweide, also das Erweitern der Fläche alle 3-4 Tage, hat sich bewährt.

Bei Neu- oder Nachsaaten empfiehlt sich darauf zu achten, Mischungen zu verwenden, deren Gräser von den Gänsen gerne gefressen werden. Dazu gehören Deutsches Weidelgras, Rotes Straußgras, Rotschwingel, aber auch Weißklee, Schwedenklee oder Löwenzahn. Weniger gerne aufgenommen werden Glatthafer, Knaulgras oder Lieschgras sowie Ackerluzerne, Rotklee und viele Wildkräuter. Der Standort beeinflusst die Sortenwahl. Bei einigen Pflanzen besteht Vergiftungsgefahr für Gänse. Die Gänsesterbe (Erysium crepidifolium) und Schwarzer Nachtschatten (Solanum nigrum L.) können nach Aufnahme zum Tod des Tieres führen.

Die Aufwuchshöhe sollte 15 cm nicht überschreiten, besser sind 10 cm, da zu hohes Gras von den Tieren niedergetreten und nicht mehr gefressen wird. Überständige und verschmähte Pflanzen sowie Geilstellen sollten nachgemäht werden.

Alle zwei bis drei Jahre ist eine Kalkdüngung mit ca. 10 t Branntkalk je ha empfehlenswert. Diese wirkt desinfizierend und bindet Säuren im Boden. Das Walzen des Auslaufs im Frühjahr ebnet die Grasnarbe und fördert einen dichten Grasbestand. Die Hygiene im stallnahen Bereich kann zusätzlich durch Maßnahmen wie das Ausbringen von Hackschnitzeln verbessert werden, um einer Verschlammung und/oder Pfützenbildung vorzubeugen.

Beispiel aus der Praxis

Der Betrieb Claßen aus Niedersachsen, Impulsbetrieb im Netzwerk Fokus Tierwohl, setzt bei seiner Auslaufgestaltung auf Maispflanzen in Kombination mit einer Kleegrasuntersaat. Das hat gleich mehrere Vorteile. Die Tiere nehmen im jungen Alter zunächst das Gras auf, wohingegen ältere Tiere auch die Blätter der Maisstängel abfressen oder auch die ganze Pflanze mit Kolben. Außerdem bietet der Pflanzenbestand Schutz vor Prädatoren, spendet Schatten und dient zusätzlich der Beschäftigung. Darüber hinaus ist positiv zu bewerten, dass Mais oder auch Roggen starke Stickstoffzehrer sind und den Nährstoffeintrag durch die Gänse für ihr Wachstum nutzen. Ist die Stickstoffzehrung bei begrenzter Fläche und wenig bis keinem Pflanzenbewuchs in der vegetationsarmen Zeit nicht mehr vorhanden, besteht die Gefahr, dass Nährstoffe im Boden akkumuliert werden.

Betriebsleiter Claßen pflügt die Flächen jährlich und kalkt sie, sodass sie sauber bleiben und der Keimdruck möglichst geringgehalten wird. Insgesamt stehen vier Flächen zur Verfügung, wovon je eine im Wechsel für den Anbau von Wintergetreide genutzt wird.

 

Literatur

Golze, M. (2019) Vortrag „Neue Ergebnisse zur Weidemast von Gänsen und Einflüsse auf die Produktqualität von Gans und Ente“. 5. Praxistag Wassergeflügelhaltung, Bernburg

NEULAND-Richtlinien für die artgerechte Gänsehaltung (2018): NEULANDRichtlinien (neuland-fleisch.de)

Pingel, H. (2000) Enten und Gänse. Ulmer, Stuttgart

Schneider, K.-H. (2002) Gänsezucht für jedermann: Das Handbuch für die Praxis. Oertel und Spörer, Reutlingen

Vereinbarung des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) und der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft, Landesverband e. V. (NGW) über Mindestanforderungen an die Haltung von Gänsen in Aufzucht und Mast („Gänsehaltungsvereinbarung“): Enten / Gänse | Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (niedersachsen.de) (Download-Bereich)