Ausgangssituation
Seit dem 01. Januar 2022 ist die Tötung männlicher Küken unmittelbar nach dem Schlupf gesetzlich untersagt. Dies war bis dahin gängige Praxis in der Legehennenhaltung, da die Aufzucht männlicher Tiere der Legelinien auf Grund geringer Mastleistung und schlechter Futterverwertung ökonomisch wenig attraktiv ist.
Aktuell gibt es folgende Alternativen:
Die Geschlechtsbestimmung im Ei
Die derzeitige Gesetzgebung erlaubt es durch technologische Verfahren das Geschlecht im bebrüten Ei bis einschließlich zum 12. Bruttag zu bestimmen und die Eier entsprechend zu selektieren. Dies Verfahren wird auch als „In-Ovo Selektion“ bezeichnet. Genaueres zum Verfahren kann hier entnommen werden.
Das Zweinutzungshuhn
Tiere dieser Züchtung sind sowohl auf Mast-, wie auch auf Legeleistung gezüchtet, erreichen dadurch aber nicht die hohen Leistungen der jeweils in eine Richtung spezialisierten Tiere. An der Zucht und Haltung von Zweinutzungshühnern wird seit Jahren intensiv geforscht. Der Einsatz des Zweinutzungshuhns wird zwar politisch favorisiert, eine bedeutende Rolle findet die Haltung von Zweinutzungshühnern momentan allerdings nur in der ökologischen Tierhaltung, da die meisten Bio-Verbände die Geschlechtsbestimmung im Ei ablehnen.
Aufzucht männlicher Küken von Legelinien (Bruderhähne oder Junghähne)
Als Drittes besteht die Möglichkeit die männlichen Tiere aufzuziehen und zu mästen. Dieses Verfahren wird als Bruderhahn- oder Junghahnaufzucht bezeichnet. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts 8,2 Mio. männliche Küken aufgezogen. Dies waren 45 % der 18,3 Mio. geschlüpften weiblichen Küken, sodass bei den Übrigen von Geschlechtsbestimmung im Ei auszugehen ist.
Marktbedingungen
Die Entscheidung der Bundesregierung aus dem Kükentöten auszusteigen, brachte deutsche Legehennen haltende Betriebe und Brütereien unter Zugzwang. Letztere sind verpflichtet, geschlüpfte männlichen Küken nach dem Schlupf an Aufzüchter*innen zu vermitteln.
Spezifische Daten zur Anzahl von in Deutschland aufgezogenen Bruderhähnen liegen nicht vor, da bisher keine bundesweite Erfassung erfolgt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der größte Teil der Bruderhähne im europäischen Ausland aufgezogen wird. Bei der Aufzucht der Bruderhähne im Ausland sind die Haltungsbedingungen nur schwierig nachzuverfolgen und es fallen meist längere Transportwege für die Küken an. Allerdings müssen Betriebe die unter dem KAT-System (Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e.V.) Bruderhähne aufziehen, auch im Ausland die entsprechenden Richtlinien einhalten.
Nach dem Verbot des Tötens männlicher Eintagsküken war die Bruderhahnaufzucht die dominierende Alternative in Deutschland. Aufgrund des technologischen Fortschrittes und den damit sinkenden Kosten hat jedoch die Ovo-Bestimmung immer mehr an Bedeutung gewonnen und stellt mittlerweile die Hauptalternative dar. Die Entscheidung der Bundesregierung die Geschlechtsbestimmung ab dem 01.01.2024 bis zum 12. Bebrütungstag, und nicht wie ursprünglich vorgesehen nur bis zum 6. Bebrütungstag, zuzulassen, begünstigen diesen Trend. Des Weiteren lässt der technologische Fortschritt die Selektionskosten pro Ei immer weiter sinken, so dass die In-ovo Selektion auch ökonomisch immer sinnvoller erscheint. Diese wird meist nicht allein über den Verkaufserlös des Fleisches finanziert, sondern überwiegend mit einer Quersubventionierung über einen 2 bis 4 Cent höheren Eierpreis der „Schwesterhennen“.
Tendenziell wird also die Anzahl an Bruderhähnen weiter sinken, allerdings ist zu bedenken, dass durch Fehlbestimmung der In-Ovo-Selektion weiterhin Hähne anfallen werden. Außerdem lehnen die meisten Bioverbände die Geschlechtsbestimmung im Ei grundsätzlich ab und betrachten die Bruderhahnaufzucht als Übergangsform zum Zweinutzungshuhn.
Haltung der Bruderhähne
Die Aufzucht von Bruderhähnen ist eine relativ neue Produktionsrichtung und stellt Landwirt*innen vor neue Herausforderungen. Rechtliche Vorgaben für die Haltung gibt es bisher lediglich bei der ökologischen Haltung durch die Durchführungsverordnung (EU) 2020/464 zur Verordnung 2018/848, der sogenannten EU-Öko-Verordnung.
Im konventionellen Bereich hat allein Niedersachsen spezifische Mindestanforderung an die Haltung von Bruderhähnen definiert. In beiden Fällen orientieren sich die Haltungsvorgaben eng an denen von Junghennen. Zurzeit zählen die Bruderhähne rechtlich gesehen noch zu den Masthühnern. Durch die unterschiedlichen Verhaltensweisen (z.B. vermehrtes Aufbaumen, Rangkämpfe, Agilität) und den biologischen Leistungen der Tiere, ähneln sie jedoch mehr ihren Schwestern, den Junghennen. Aus diesem Grund können die Tiere theoretisch auch gemischtgeschlechtlich aufgezogen werden, sodass die Geschlechtsbestimmung nach dem Schlupf vermieden werden kann. Durch ein unterschiedliches Impfprogramm zwischen den männlichen und weiblichen Tieren ist die gemeinsame Aufzucht aber deutlich teurer als eine getrennte Aufzucht. Die meisten der in Deutschland produzierten Eier stammen aus Betrieben mit KAT-Zertifizierung. Mit dem neuen Leitfaden für die Aufzucht hat der Verein beschlossen, dass seit Januar 2022 nur noch KAT‑Junghennen eingestallt werden dürfen, wenn die Aufzucht der Bruderhähne ebenfalls unter den KAT-Anforderungen erfolgt.
Zur Haltung von Bruderhähnen werden in Deutschland meist ehemalige Enten- und Hähnchenmastställe umfunktioniert. Futter- und Tränkebahnen von Masthühnern können dabei weiter für die Aufzucht der Bruderhähne genutzt werden. Diese müssen jedoch mit einem Drahtseil als Aufsitzschutz ausgerüstet oder verstärkt werden, um zu verhindern, dass sie als Sitzstangen genutzt werden. Der Stall muss insgesamt gut strukturiert sein, um dem agileren Verhalten der Tiere gerecht zu werden und Rangkämpfe, Federpicken und Kannibalismus zu vermeiden. Dafür sollten so früh wie möglich Sitzstangen oder erhöhte Ebenen und Beschäftigungsmaterial (z.B. Heuballen, Staubbademöglichkeiten) angeboten werden. Der Zugang zu einem Kaltscharraum und Auslauf kann den Tieren zusätzliche Anreize bieten.
Beim Platzbedarf herrscht derzeit noch Uneinigkeit. Während bei KAT max. 18 Tiere pro m² Nutzfläche ab 01.07.2024 gefordert werden, zeigen praktische Erfahrungen, dass ein geringerer Besatz von 13 bis 15 Tieren pro m² günstiger ist, um aggressives Verhalten zu vermeiden. Vorteilhaft für die Aufzucht ist die im Vergleich zur Hähnchenmast deutlich längere Aufzuchtperiode von 10 bis 22 Lebenswochen, die entsprechend mit wenigeren Serviceperioden einhergeht. Tendenziell zeichnen sich ein geringerer Antibiotikaeinsatz und niedrigere Verlustraten bei den Junghähnen ab. Durch die längere Haltungsperiode sollte ein angepasstes Impfprogramm in Erwägung gezogen werden.
Der Futterverbrauch von Bruderhähnen ist im Vergleich zu Masthybriden etwa doppelt so hoch. Bei einer Aufzucht unter konventionellen Bedingungen bis 1,5 kg Lebendgewicht beträgt dieser ca. 1: 3,0-3,5. Bei einer verlängerten Aufzucht verschlechtert sich die Futterverwertung weiter. Die Bruderhähne haben jedoch das Potential, befriedigende Leistung bei einer geringeren Proteinversorgung zu erzielen. Vor allem die schwereren braunen Herkünfte können bei einer angepassten extensiven Fütterung vergleichbare Mastendgewichte wie mit einem Standard-Mastfutter erzielen. Dabei müssen die Tiere unbegrenzt Zugang zum Futter haben, um den geringeren Proteingehalt durch eine erhöhte Futteraufnahme ausgleichen zu können. Des Weiteren kann der Energiegehalt gesenkt werden, um einen früheren Eintritt in die Geschlechtsreife, und damit verbundenen Hahnenkämpfen, vorzubeugen.
Schlachtung und Vermarktung
Die Schlachtkörperzusammensetzung der Tiere unterscheidet sich maßgeblich von denen der Masthühner. Die Bruderhähne haben einen vergleichsweisen geringen Anteil an Brustfleisch, welches das wertvollste Teilstück ist. Stattdessen bildet sich ein höherer Fleischanteil an den Keulen aus. Sie können daher nicht in den geläufigen Schlachtprozess integriert werden. Für die Schlachtung müssen daher entweder die Schlachtlinien umgerüstet werden oder es muss auf Legehennen-Schlachthöfe ausgewichen werden. Es empfiehlt sich, vor dem Einstieg in die Bruderhahnaufzucht die Abnahme durch einen geeigneten Schlachthof zu klären. Betriebe mit kleineren Herden haben eventuell auch die Möglichkeit, mit einem mobilen Schlachtbetrieb zu arbeiten.
Für die Vermarktung sollten daher die positiven Merkmale des Fleischs hervorgehoben werden, wie der intensivere Geschmack, die etwas dunklere Färbung und die guten Fleischeigenschaften. Um eine gute Wirtschaftlichkeit zu erzielen, kann das Fleisch als Premiumprodukt vermarktet und über die Quersubventionierung der Eier unterstützt werden.
Für die Vermarktung haben sich deutschlandweit einige einzelbetriebliche und überbetriebliche Initiativen gebildet, die unter eigenem Label ihre Produkte bewerben. Trotzdem ist eine gezielte Aufklärung notwendig, um die Akzeptanz für das vergleichsweise teurere Fleisch zu erhöhen.
Die Junghähne haben einen vergleichsweise geringen Anteil an Brustfleisch, welches das wertvollste Teilstück ist. Stattdessen bildet sich ein höherer Fleischanteil an den Keulen aus. Für die Vermarktung sollten daher die positiven Merkmale des Fleisches hervorgehoben werden, wie den intensiven Geschmack, die etwas dunklere Färbung und die guten Fleischeigenschaften. Um eine gute Wirtschaftlichkeit zu erzielen, kann das Fleisch als Premiumprodukt vermarktet und über die Quersubventionierung der Eier unterstützt werden.
Für die Vermarktung haben sich deutschlandweit einige einzelbetriebliche und überbetriebliche Initiativen gebildet, die unter eigenem Label ihre Produkte bewerben. Trotzdem ist eine gezielte Verbraucheraufklärung notwendig, um die Vorteile des Bruderhahnfleisches in den Köpfen zu verankern und die Zahlungsbereitschaft für das vergleichsweise teurere Fleisch zu erhöhen.
Fazit
Die Mehrheit der Verbraucher lehnt das Töten der männlichen Küken aus Legelinien ab. Damit die Alternative der Bruderhahnaufzucht erfolgreich sein kann, müssen die Produkte daraus (Frischeier, Fleisch, Verarbeitungsprodukte) Akzeptanz finden. Der höhere Futterverbrauch, die längere Aufzuchtdauer, die spezifische Schlachtkörperbeschaffenheit und die Schlachtung in speziellen Schlachtlinien tragen zu höheren Produktionskosten bei. Verbraucher müssen daher über die besonderen Umstände bei der Aufzucht von Bruderhähnen aufgeklärt werden, um den Mehrpreis der Produkte einordnen zu können. Am Ende entscheiden die Verbraucher durch ihr Kaufverhalten über den Erfolg der Bruderaufzucht.
Fazit
Die Mehrheit der Verbraucher*innen lehnt das Töten der männlichen Küken aus Legelinien ab. Damit die Alternative der Bruderhahnaufzucht erfolgreich sein kann, müssen die Produkte daraus (Frischeier, Fleisch, Verarbeitungsprodukte) Akzeptanz finden. Der höhere Futterverbrauch, die längere Aufzuchtdauer, die spezifische Schlachtkörperbeschaffenheit und die Schlachtung in speziellen Schlachtlinien tragen zu höheren Produktionskosten bei. Verbrauchende müssen daher über die besonderen Umstände bei der Aufzucht von Bruderhähnen aufgeklärt werden, um den Mehrpreis der Produkte einordnen zu können. Am Ende entscheiden die Verbraucher durch ihr Kaufverhalten über den Erfolg der Bruderaufzucht.
Quellen
- ALDI Nord (o. J.): Wir schaffen das Kükentöten ab. www.aldi-nord.de/unternehmen/verantwortung/lieferkette-food/tierwohl-bei-aldi-nord/ohne-kuekentoeten.html
- ALDI Süd (o. J.): Wir schaffen das Kükentöten ab. www.aldi-sued.de/de/nachhaltigkeit/lieferkette/produktionsstandards/tierwohl/ohne-kuekentoeten.html
- Ammer, S., Quander, N. Gangnat, IDM., Maurer, V. und Leiber, F. (2017) Mastleistung und Fleischqualität von männlichen Legehybriden bei Fütterung unterschiedlicher Proteinquellen. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Campus Weihenstephan, Freising-Weihenstephan, 07.-10. März 2017.
- Biohandel (2021): Edeka will bei Eigenmarken-Eiern auf Kükentöten verzichten | BioHandel https://biohandel.de/markt-branche/edeka-will-bei-eigenmarken-eiern-auf-kuekentoeten-verzichten
- BLE (2023) Bericht zur Markt- und Versorgungslage mit Eiern 2022. https://www.ble.de/ [Zuletzt besucht: 29.04.2024]
- Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (2020): Was ist ein Bruderhahn? https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/haetten-sies-gewusst/tierhaltung/was-ist-ein-bruderhahn (12.10.2021)
- Destatis (2024): Brütereien, eingelegte Bruteier, geschlüpfte Küken. Statistisches Bundesamt, Genesis Online, Tabelle 41321-0003
- DGS Magazin für die Geflügelwirtschaft (2019): Anstieg der Hennenplätze in Europa. https://www.dgs-magazin.de/Anstieg-der-Hennenplaetze-in-Europa,QUlEPTYwNTM0MjMmTUlEPTQ3Mg.html (12.10.2021)
- DGS Magazin für die Geflügelwirtschaft (2020): Harte Töne aus der Politik. DGS Heft 40, Jahrgang 72.
- Hörning, B. (2021): Zweinutzungshühner & Bruderhähne – Überblick über neuere Entwicklungen. Vortrag, Neuland e.V. Beratungsplattform Zweinutzungshuhn/Freilandgeflügel, 18. August 2021.
- Hörning, B. 2024. Stand der Entwicklung zum Zweinutzungshuhn. Tag des Zweinutzungshuhns, Ökologische Tierzucht (ÖTZ), Neuland e.V., Niedersächsische Landesvertretung, 22.1.24, Berlin. Link zur Aufzeichnung
- Jahn, A. & Tiemann, I. (2022) Ein Update zum Töten männlicher Hühnerküken von Legelinien. In: Deutsches Tierärzteblatt 70 (8), 1016-1020.
- KAT – Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e. V. (2024): KAT-Leitfaden Aufzucht.
- Krautwald-Junghanns, M. (2021): Haltung von Bruderhähnen – Literaturreview. Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät, Klinik für Vögel und Reptilien.
- Krieg, C. (2019): Kükentöten: Ein Verbot verlangt nach Ersatz. www.landundforst.de/landwirtschaft/tier/kuekentoeten-verbot-verlangt-ersatz-554594 (12.10.2021)
- Netzwerk Fokus Tierwohl (2021): Bruderhahnaufzucht, Podcast. fokus-tierwohl.de/de/podcasts/bruderhahnaufzucht (17.11.2021)
- Niedersächsischen Ministerium für Landwirtschaft: Mindestanforderungen an die Haltung männlicher Legehybride, sog. „Bruderhähne“ definiert (RdErl. d. ML v. 25. 11. 2021 – 204.1-42503/2-1111 (E))
- REWE Markt GmbH (o. J.): Schon bewusst? 500 Millionen Eier ohne Kükentöten. (rewe.de) www.rewe.de/nachhaltigkeit/nachhaltig-einkaufen/gruene-produkte/tierwohlprojekte-ei/
- Schröter, I. und Mergenthaler M. (2019) Hahnenküken von Legehühnern sollen leben! Und was machen wir dann mit den Hähnen? Zahlungsbereitschaft für Hahnenfleischprodukte unter Berücksichtigung des Informations-Framings. Innovatives Denken für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft. Beiträge zur 15. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Kassel, 5. bis 8. März 2019, Berlin.
- Schütz K., Mergenthaler, M. und Wittmann, M. (2018) Marktpotential für Geflügelprodukte aus Hahnenfleisch von Lege- und Zweinutzungshybriden. Forschungsberichte des Fachbereichs Agrarwirtschaft Soest Nr. 45.
- Tierschutzgesetz (TierSchG) : §4c 1 bis 3
- Waterloh, B. (2020) Ein ganzer Stall voll Hähne. Landwirtschaftliches Wochenblatt, 29/2020.