Schweine in Kleinsthaltungen
Online-Kursreihe informiert über Grundlagen der tierwohlgerechte Haltung von Schweinen
An vier Terminen im Juli 2021 fand im Rahmen des Netzwerks Fokus Tierwohl bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LWK NRW) ein Online-Crashkurs für Schweinehalter mit Kleinstbeständen statt. Die Haltung von Schweinen als Heimtier wird in Deutschland zunehmend beliebter. Um ein harmonisches Zusammenleben von Mensch und Tier zu ermöglichen, müssen die Eigenschaften der Spezies berücksichtigt werden. Daher informierten Experten über das Veterinärrecht, die Anatomie und Physiologie, das Verhalten, die Haltung, die Fütterung und das Gesundheitsmanagement von Heim- und Nutzschweinen. Nach den Vorträgen wurde aufgrund von vielen fachlichen Fragen der Teilnehmer:innen bis spät in die Abendstunden diskutiert.
In der Auftaktveranstaltung am 15. Juli 2021 ging es direkt sehr praktisch los. „Manchmal ist das Schwein auch nur ein Mensch! Und was unterscheidet uns?“ lautete der Titel des Vortrags von Dr. Jürgen Harlizius, Fachtierarzt für Schweine und Leiter des Schweinegesundheitsdienstes bei der LWK NRW. Nach einer kurzen Vorstellung verschiedener Schweinerassen ging er zuerst auf die Domestikation der Wildschweine ein. Diese sind schon 8500 v. Chr. zum Menschen gekommen. Danach präsentierte er den Teilnehmer:innen vor den Bildschirmen anhand eines Modells die anatomischen Gegebenheiten des Schweins. Viele Zuhörer nutzten die Gelegenheit, dem ausgewiesenen Schweinefachmann praktische Fragen zur Klauenpflege, dem Gebiss des Schweins und dem Verdauungsapparat zu stellen.
Im Anschluss referierte Dr. Christian Reimer aus der Arbeitsgruppe Tierzucht und Haustiergenetik am Department für Nutzierwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen. Er gab den knapp 240 interessierten Schweinehalter:innen Einblicke in die Minischweinezucht und ihre Entstehung in Deutschland am Beispiel des Göttinger Miniaturschweins. Laut einer Umfrage in der Veranstaltung wird diese Schweinerasse von vielen Teilnehmer:innen zu Hause gehalten. Hintergrund der Minischweinezucht ist die Nutzung zu medizinischen Forschungszwecken in Bereichen der Schuppenflechte, Akne, Herpes, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck und Diabetes. Die Schweinerasse eignet sich dafür unter anderem besonders gut, da Minischweine eine physiologische Nähe zum Menschen und ein einheitliches Erscheinungsbild aufweisen, leicht zu halten sind und eine passende Größe für chirurgische Eingriffe haben. Dr. Reimer nutzte außerdem die Gelegenheit und ging auf die Besonderheiten der Minischweinezucht ein, die beispielsweise der kleine Genpool und das damit verbundene Inzuchtrisiko mit sich bringt. Inzucht kann sich in Krampfanfällen, Missbildungen und Schielen auswirken.
Eine Woche später startete der zweite Veranstaltungstag mit dem Schwerpunkt Veterinärrecht in der Schweinehaltung. Professor Wilfried Hopp vom Veterinäramt des Kreises Soest klärte die Schweinehalter:innen über das Tierschutz-, Tierseuchen- und Arzneimittelrecht auf. Aufgrund des aktuellen Geschehens um die afrikanische Schweinepest informierte er die Teilnehmer:innen ausgiebig über das Virus, die aktuelle Lage und die Gegenmaßnahmen. Dieses Thema beschäftigt derzeit auch die Schweinehalter:innen mit Kleinsthaltungen intensiv, da sie durch die ASP-Fälle in zwei Kleinsthaltungen in Brandenburg ins Rampenlicht gerückt wurden. Professor Hopp nutzte die Gelegenheit und wies nochmals deutlich auf den größten Risikofaktor bei der Einschleppung von ASP hin: Das Verfüttern von Speiseresten. Dies ist nämlich unabhängig von der Bestandsgröße strengstens verboten.
Weiterhin wurden von Professor Hopp einige Regeln für die Freilandhaltung von Schweinen angesprochen, da die Haltung von Schweinen in Mobilställen immer größeren Anklang findet. So müssen Betriebsleiter die Schweine doppelt einzäunen, Unbefugten das Betreten des Betriebsgeländes durch Schilder kenntlich machen und über verschiedene Vorrichtungen und Räume zur Reinigung, Desinfektion, Umkleidemöglichkeit und Futterlagerung verfügen. Ebenso muss eine geeignete Einrichtung zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung verwendeter Schweine vorhanden sein.
Als zweite Referentin dieses Abends klärte Dr. Sabine Schütze vom Schweinegesundheitsdienst der LWK NRW die Frage „Was will mein Schwein mir sagen?“. Anhand vieler Fotos und Videos zeigte sie die unterschiedlichsten Verhaltensweisen von Schweinen. Im Anschluss wurden zahlreiche Fragen gestellt und ausführlich von ihr beantwortet. Ein wichtiger Aspekt, der Kleinsthalter aufgrund der Tierzahlen eher betrifft als Nutztierhalter mit mehreren Schweinen, ist die potenzielle Fehlprägung von Tieren, die ohne Artgenossen aufwachsen. Die Einzelhaltung von Schweinen ist nur in Ausnahmefällen und mit Sichtkontakt zu Artgenossen zulässig (TierSchNutztV). Durch verschiedene Quizfragen, die während des Vortrages gestellt wurden, lernten die Teilnehmenden über ihre Schweine, dass sie ca. 70 % ihrer Aktivitätszeiten mit der Nahrungssuche und mehr als 12 Stunden am Tag mit Ruhen und Schlafen verbringen.
Als dritte Referentin gab Christina Weber, Agrarbetriebswirtin und Ausbilderin im VBZL Haus Düsse, praktische Einblicke in die Kleinsthaltung von Schweinen. Weber konnte den Schweinehalter:innen viele hilfreiche Tipps und Tricks für die tierwohlgerechte Haltung von großen und kleinen Schweinen geben. Die Einblicke reichten von der richtigen Umzäunung von Freilandschweinen bis hin zur Stallgestaltung für Minischweine. Weber nutzte ebenso die Gelegenheit zu betonen, dass die Haltung von Schweinen nicht leicht und auch nicht mit der Haltung eines Hundes zu vergleichen ist. Daher sollte man sich die Anschaffung gut überlegen, auch wenn Schweine „wunderbare und sehr lebensbereichernde Tiere“ sind.
Am dritten Veranstaltungstermin drehte sich alles um die Fütterung und das Gesundheitsmanagement von Schweinen. Dr. Gerhard Stalljohann, ehemaliger Fütterungsreferent der LWK NRW, widmete sich der Frage „Was, wann und wie fressen Schweine gerne?“. Dabei ging er ausführlich auf die Verdauung des Schweins ein und erklärte verschiedene Nähr-, Mineral- und Wirkstoffe im Futter sowie die Versorgungsempfehlungen und Futtermischungen. Die bedarfsgerechte Fütterung von kleinen und großen Schweinen stellt je nach Alter der Tiere unterschiedliche Ansprüche an die Futterrationen und der ständige Zugang zu frischem Wasser ist ein Muss. Gerade für Minischweine ist es wichtig, diese nicht zu überfüttern. So reichen ca. 1 – 2 % des Körpergewichts an Futter pro Tag. Das Fressen ist jedoch nicht nur zur Nahrungsaufnahme gedacht, sondern dient gleichzeitig auch der Beschäftigung der Tiere.
Am letzten Tag des Crashkurses klärte Dr. Jürgen Harlizius die wichtigen Fragen „Wie bleibt mein Schwein gesund? Welche Krankheiten können kommen und was kann ich vermeiden?“. Dabei ging er auf verschiedene Erbkrankheiten, Parasiten, die richtige Klauenpflege, Entzündungen, Infektionskrankheiten und den passenden Ernährungszustand eines Schweins ein. Anhand einer Vielzahl von Bildern stellte er anschaulich dar, wie Erkrankungen erkannt werden können. Als erste Maßnahme bei auffälligen Verhalten gilt: Fiebermessen! Schweine haben ab einer Temperatur von 39,5 °C Fieber und bei unter 38,5 °C spricht man von einer Untertemperatur. In der anschließenden Diskussion wurden unter anderem viele Fragen über die Vermeidung von Sonnenbränden bei Schweinen gestellt, wofür helle Schweine in Freilandhaltung sehr anfällig sind.
Durch den Crashkurs nutzten einige Kleinstschweinehalter:innen die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und neu zu vernetzen.
Autorin: Viola Erfkämper, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen