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Mitteldeutscher Schweinetag

Zukunftsfähige Schweinehaltung

Einer guten Tradition folgend, fand am 11. November 2021 der Mitteldeutsche Schweinetag in Halle-Peißen statt. Das im zweijährigen Turnus stattfindende Fachforum wurde gemeinsam vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum, der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt, dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Zusammenarbeit mit der Erzeugergemeinschaft Altmark Schwein und dem bundesweit agierenden Projekt „Netzwerk Fokus Tierwohl“ vorbereitet und durchgeführt. Er stellte sich den großen Herausforderungen, vor denen fast 20.000 deutsche Schweinehalter stehen, um den fachlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen an den Tier- und Umweltschutz zu entsprechen und trotzdem wettbewerbsfähig bleiben zu können. Die Branche befindet sich derzeit in einer gravierenden Krise, die ausgelöst wird von einem absatzbedingten Preisverfall bei steigenden Kosten für die erzeugten Produkte. Dazu kommen zunehmende Auflagen und fehlende Planungssicherheit beim gleichzeitig geforderten Umbau des Wirtschaftssektors. In Mitteldeutschland sind davon mehr als 600 Schweine haltende Betriebe betroffen, die 2,1 Mio. Schweine halten.

Die Rahmenbedingungen werden in erster Linie durch die Tierschutznutztierhaltungsverordnung (TierschNutztV) gesetzt und haben besonders für die Sauenhaltung erhebliche Konsequenzen. Doch diese Anforderungen sind nur ein Teil der großen Herausforderungen für die Schweinehalter. Bereits 2015 hatte der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik (WBA) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in seinem Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ Empfehlungen für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung entwickelt. Mit dem Referentenentwurf zum Staatlichen Tierwohllabel, wurden für die Ferkelaufzucht und die Schweinemast bereits einige Kriterien definiert, die beschreiben, wie diese Bereiche der Schweinehaltung künftig aussehen soll. Parallel dazu verständigte sich die Borchert-Kommission auf einen Zeitplan, bis wann die Transformation der Nutztierhaltung erfolgen soll. Seit dem Sommer hat der Druck durch die Ankündigungen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH), bis 2030 Frischfleisch nur noch aus der Haltungsform 3 bzw. 4 beziehen zu wollen, zugenommen. Wie die involvierten Programme des LEH und des staatlichen Tierwohlkennzeichens unter einen Hut zu bringen sind, ist leider noch nicht beantwortet. Doch dem nicht genug: Die TA Luft wird im nächsten Monat rechtskräftig und eine zusätzliche Herausforderung.

Um viele der genannten Fragen ging es im ersten Tagungsblock „Rahmenbedingungen für die zukünftige Schweinehaltung“, moderiert von Dr. Simone Müller (TLLLR).

Zukünftige Anforderungen an die Schweinehaltung und das Tierwohl aus Sicht der Borchert-Kommission

Phillip Schulze Esking, selbst Schweinemäster im Kreis Coesfeld und Mitglied des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung, eröffnete mit dem Thema „Zukünftige Anforderungen an die Schweinehaltung und das Tierwohl aus Sicht der Borchert-Kommission“. Der Referent stellte seinen Ausführungen eine aktuelle Situationsanalyse voran und beschönigte nichts. Dass 60 % der deutschen Ferkelerzeuger und 40 % der Schweinemäster (ISN, September 2021) angeben, ihre Schweinehaltung aufgeben zu wollen, beschreibt die Not der deutschen Tierhalter. Da hilft es wenig, dass dies in anderen Teilen Europas, z. B. Spanien, ganz anders ist. Corona und ASP haben dazu geführt, dass unseren Schweinehaltern 30 bis 50 € am Schwein fehlen. Auch veränderte Verzehrsgewohnheiten unserer Verbraucher und Fleischersatzprodukte machen deutlich: die Schweinehaltung bekommt echte Konkurrenz. Der Abstand zu den Kostenführern ist bei den deutschen Schweinehaltern größer geworden. Dabei wird die von der Gesellschaft geforderte Transformation der Tierhaltung den Strukturwandel und Bestandsabbau beschleunigen. Es ist eine große Herausforderung, das was jetzt noch da ist zu erhalten, um den Umbau umzusetzen.

Die Frage, wer die dabei entstehenden Mehrkosten am Markt tragen soll, ist noch immer nicht gelöst. Während Schweinehalter Jahrzehnte lang immer stolz darauf waren in einem freien Markt zu agieren, werden sie in Zukunft andere Wege gehen müssen. Bereits heute ist klar, dass über die Erlöse der am Markt verkauften Produkte die geforderten Mehraufwendungen nicht bezahlt werden können. Tierwohl hat sich inzwischen zum „öffentlichen Gut“ entwickelt, doch leider zeugt die Realität für solche Güter meist von einem Marktversagen. Um so konsequenter die Forderung von Philipp Schulze Esking: „Wenn eine wohlhabende Gesellschaft Veränderungen von den Tierhaltern einfordere, es aber nicht schaffe, diese an der Ladentheke auch zu bezahlen, dann müsse sie über Transferleistung sicherstellen, dass die Produktion im Land aufrechterhalten werden kann!“ Auf das Staatliche Tierwohlkennzeichen eingehend, schätzte der Referent ein, dass es zwar das Ziel gibt, bis 2040 die Schweinehaltung umgestellt zu haben. Verbindliche Kriterien für die Stufen (1 „ITW-Plus“,2 „Außenklima“ und 3 „Premium“) sind jedoch erst ab Ende 2022 zu erwarten. Noch laufen sehr viele Verhandlungen, u. a. auch innerhalb der Ad hoc-Arbeitsgruppe, die sich mit den Anforderungen an Außenklimaställe beschäftigt. Dies ist auch im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Biosicherheit geboten. Dringend notwendig sind die Anpassungen im Bau- und Umweltrecht. An den LEH gewandt betonte Esking „Das wichtigste Signal für die deutschen Schweinehalter ist 5xD, weil nur so auch das schwächste Glied in der Kette, die Ferkelerzeugung in Deutschland gehalten werden kann.“

Betriebswirtschaftlichen Konsequenzen von mehr Tierwohl

Die „Betriebswirtschaftlichen Konsequenzen von mehr Tierwohl“ beschrieb Stefan Leuer von der Landwirtschaftskammer (LWK) Nordrhein-Westfalen. Diese hängen in erster Linie von den Mehrkosten für die Schweinefleischerzeugung ab.

Die Reflektion der Schlachterlöse in der Schweinemast in den letzten dreißig Jahren beschreiben die langjährigen Ertragsbedingungen: Mit durchschnittlich 1,50 €/kg Schlachtgewicht musste der Schweinehalter in den vergangenen 30 Jahren wirtschaften und Investitionen planen! Zusätzliche Anforderungen aus den verschiedensten Bereichen (z. B. Kupierverzicht, Kastration usw.) finden sich im Preis bisher nicht wieder. Wird das von der Gesellschaft sehr vehement geforderte „Mehr“ an Tierwohl hinterfragt, geraten sehr verschiedenartige Aspekte in den Fokus: Das reicht von „dem besseren Gefühl beim Fleischverzehr“ über die Diskussion zu möglichen Größenbegrenzungen für Tierhaltungsbetriebe bis hin zu den tatsächlich feststellbaren Wirkungen für die Tiere selbst. Über diverse Programme, die auch dem Tierhalter höhere Preise in Aussicht stellen, soll dieses mehr an Tierwohl „verkauft“, d. h. marktfähig gemacht werden. In der Fülle der Programme finden sich ein höheres Platzangebot und das permanente Angebot von Raufutter fast durchgängig wieder. Dabei konzentriert sich die Diskussion bislang fast ausschließlich auf die Schweinemast.

Perspektivisch wird aber auch die Ferkelerzeugung mitgenommen werden müssen, weil auch aus Sicht der Borchert Kommission nur ein „nämliches Produkt“ in der Ladetheke transparent und glaubhaft ist. Leuer betrachtete die Tierwohlkosten in Höhe von 25 €/Mastschwein aus der Sicht der direktkostenfreien Leistung. Dieser Teilkostenbetrag enthält alle Leistungen abzüglich der Kosten, die sich in Verbindung mit der Produktion verändern (Futter, Tier, Wasser, Energie, Tierarzt, Versicherung). Er dient der Finanzierung der Arbeits- und Festkosten, die auch im Zusammenhang mit den Tierwohlprogrammen stehen. Anhand von Beispielen zeigte er auf, welche Bau- und Investitionskosten für die Umsetzung der verschiedenen Tierwohlprogramme entstehen können (58 - 372 €/Mastplatz). Da auch die Raufutterversorgung ein obligatorisches Kriterium vieler Programme ist, wurden verschiedene technische Lösungen im Zusammenhang mit der Mechanisierbarkeit und dem Angebot je Tier kritisch hinterfragt. Das was im ersten Moment oft günstig erscheint, muss nicht in jedem Fall dem Optimum entsprechen. Ein weiteres Problem: Viel zu wenig wird über die gestiegenen Produktionskosten in der Ferkelerzeugung gesprochen bzw. unabhängig vom Programm mit gleichbleibenden Tiereinsatzkosten kalkuliert. Dies muss sich, sollen auch die Ferkel weiterhin in Deutschland erzeugt und geboren werden, dringend ändern und führt realistisch betrachtet zu deutlich höheren Erzeugungskosten je Tier.

Als klare Botschaft konstatierte Stefan Leuer: „Im Moment bieten etablierte Tierwohlprogramme am ehesten eine Perspektive!“ Ob Deutschland mit der Transformation der Tierhaltung auch weiterhin am internationalen Markt eine wesentliche Rolle spielen wird, ist offen. Eine gute Chance haben zur Zeit alle heimischen Produzenten, die einen regionalen Markt suchen und finden.

Was motiviert eine zukünftige Generation von Schweinehaltern?

Wenn über Zukunft gesprochen wird, dann geht es auch um die Motivation, sich einer Aufgabe zu stellen. Gesa Langenberg, Schweinehalterin aus Bockstedt in Niedersachsen, gelang es sehr authentisch und fesselnd, mit Ihren Ausführungen „Was motiviert eine zukünftige Generation von Schweinehaltern?“ Hoffnung zu geben. Ihre Botschaften waren zusammengefasst: „Es braucht eine gewisse eigene Leidenschaft, einen Partner, der mitmacht und die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen.“ Das Chapeau, das sehr viele Teilnehmer im Nachhinein der jungen Mutter aussprachen, war verdient und wer sich anstecken lassen will von der Zuversicht, dem sei auf Youtube der Kanal „Hundert Hektar Heimat“ empfohlen. Eine innere Überzeugung wie Gesa Langenberg zu haben und zu sagen „Ja, die Tierhaltung in Deutschland hat Zukunft“ war eine der motivierendsten Momente des Mitteldeutschen Schweinetags 2021.

Neue Konzepte für Schweineställe

Der zweiten Block der Tagung widmete sich dem Thema „Neue Konzepte für Schweineställe“. Damit standen die großen Umbrüche in den Haltungssystemen im Fokus. „Die Forderung der Umsetzung einer sehr großen Zahl an Veränderungen hat es in so kurzer Zeit noch nicht gegeben“, darauf verwies Moderator Dr. Manfred Weber (LLG). Dabei sind die steigenden gesellschaftlichen Ansprüche an die Haltungsverfahren der Zukunft keine Eintagsfliegen. Das wurde von den Präsidenten der Landwirtschaftskammern und Landeseinrichtungen schon früh erkannt und deshalb beschäftigte sich schon seit 2016 eine Gruppe aus Fachexperten „ganzheitlich“ mit einem Haltungskonzept für die Schweinehaltung der Zukunft. Im Ergebnis konnten zwei Broschüren zum Stallbau der Zukunft auf der Homepage der BLE zunächst für Mastschweine, abschließend aber auch für Sauen und Ferkel veröffentlicht werden.

Im Spannungsfeld zwischen TierSchNutztV und Ausführungshinweisen

Den Grundstandard für die Verfahrensgestaltung der Zukunft stellt die Haltungsgesetzgebung dar und so ist Anfang des Jahres nach langer Entstehungsgeschichte die neue Nutztierhaltungsverordnung für Schweine verkündet worden. Parallel dazu wurden Ausführungshinweise veröffentlicht, die als Empfehlungen für das Verwaltungshandeln zu verstehen sind. Die Neufassung der Tier-SchNutztV bedeutet z. T. erheblichen Aufwand und lässt (mit einigem Recht) Raum für technischen Fortschritt oder Interpretationsspielräume für unterschiedliche Betriebe und ihre Bedingungen zu. Ausführungshinweise konkretisieren die Vorgaben, in jeder Konkretisierung steckt aber auch eine Gefahr! Darauf verwies Dr. Eckhard Meyer (LfULG) im ersten Vortrag dieses Blockes „Im Spannungsfeld zwischen TierSchNutztV und Ausführungshinweisen“ und stellte praktikable Lösungen vor.

Vorgaben mit geringem baulichen Aufwand (organisches Beschäftigungsmaterial, Vorgaben zum Tier-Fressplatz-Verhältnis insbesondere bei sensorgesteuerten Fütterungssystemen) sind mehr oder weniger eine Frage der Einstellung von Mensch und Technik. Für alles was zur Beschäftigung nicht gefressen werden kann, gelten nach den Ausführungshinweisen Vorgaben wie diese anzubringen und zu erneuern sind. Das sollte im Rahmen der Routine und des Stalldurchganges regelmäßiger als bisher geschehen. Trotzdem gilt es nicht nur streng mit Blick auf die gesetzlichen Formulierungen zu handeln, denn jede Form der Beschäftigung kann etwas Gutes bewirken, ein Alibi sein oder sogar nachteilig wirken.

Die möglichen Probleme mit den Vorgaben zum Tier/Fress-platzverhältnis entstehen hauptsächlich dadurch, dass die gesetzlichen Formulierungen zur ad libitum Fütterung älter als die diskutierte Technik sind. Ziel ist, dass alle Schweine satt gefüttert werden, was auch eine Frage der praktischen Einschätzung sein muss. Dagegen sind die Vorgaben mit hohem baulichen Aufwand (Bewegungsbuchten, Deckzentrum) und deshalb längeren Übergangsfristen eine Frage der Platzaufteilung und Kosten. Mehrphasige Lösungen in und außerhalb des klassischen Stallgebäudes sind im Hinblick auf Zukunfts- und Genehmigungsfähigkeit dringend weiter zu entwickeln. Im Abferkelbereich zählt Hygiene und es gilt mehr als in anderen Bereichen unterschiedliche Temperaturansprüche von zunehmend großen Sauen und kleinen Ferkeln miteinander zu vereinbaren. Deshalb dürfen aktiv beheizte Ferkelnester nicht größer sein als notwendig. Die Interpretation der Vorgaben sollte überdacht werden! Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gelehrt: „Justitiabel ist allein die Verordnung“. Bevor gebaut wird ist die Meinung der überwachenden Behörde einzuholen.

Planungsbeispiele für Ställe nach Tierwohlkonzepten

Wilfried Brede vom Serviceteam Alsfeld GmbH zeigte aus seiner praktischen Beratungsarbeit „Planungsbeispiele für Ställe nach Tierwohlkonzepten“. Dabei orientierte er sich an der Initiative des Lebensmitteleinzelhandels und fokussierte sich anfangs auf Umbaulösungen zur Haltungsform 3 (Außenklima) und 4 (Premium) in der Schweinemast. Unter Berücksichtigung der zur Zeit gezahlten Boni in den ausgewählten Programmen ist in seinen Beispielen die Wirtschaftlichkeit der Schweinemast, unter den Bedingungen der Haltungsform 3 oder 4 deutlich besser, als die aktuell geltenden Ertragsbedingungen für ITW-Betriebe.

Nachdrücklich wies er im Weiteren darauf hin, dass bislang lediglich die Mast in den Tierwohlprogrammen „gefordert und gefördert“ wird. Höhere Haltungsanforderungen in der Mast, der Sauenhaltung (z. B. Abferkelbuchten > 7,5 m², Auslauf im Deck- und Wartebereich) und der Ferkelaufzucht, wie sie z. B. im Hofglückprogramm der EDEKA-SÜDWEST gelten, bedingen auch entsprechend höhere Ferkelpreise. Das würde für Schweinemäster bedeuten, dass diese im Rechenbeispiel 13 bis 23 €/Ferkel mehr an den Ferkelerzeuger zahlen. In der Konsequenz wären dann zusätzlich zu den Boni der Haltungsform um 47 Cent (Stufe 3) bzw. 74 Cent (Stufe 4) höhere Auszahlungspreise je Kilogramm Schlachtgewicht am Haken notwendig, um wirtschaftlich arbeiten zu können! Damit wird deutlich: die Finanzierung der Investitionen bzw. der Ausgleich des entstehenden jährlichen Mehraufwandes gegenüber dem bisher noch geltenden Standards bedürfen dringend einer Lösung! Sein Resümee „Landwirte brauchen für die Umsetzung von mehr Tierwohl klare Leitlinien und belastbare Planungshorizonte, individuelle „Masterpläne“ und Hilfestellung bei baurechtlichen- und immissionsschutzrechtlichen Belangen“ richtete sich ehrlich und kritisch auch an die deutsche Agrarpolitik.

Zeitgemäße Haltung in alten Ställen?

Kann es eine „Zeitgemäße Haltung in alten Ställen?“ geben, fragte sich eine Thüringer Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Simone Müller (TLLLR). Die vorgestellte Machbarkeitsstudie entstand im Zusammenhang mit dem Staatlichen Tierwohlkennzeichen, dessen Einführung bereits am 4. September 2019 vom alten Bundeskabinett beschlossen wurde. Da nicht davon auszugehen ist, dass jeder Mäster neue Ställe bauen kann, sind Möglichkeiten konventionelle Ställe umzubauen von großem Interesse. Den Maßstab bildeten die Stufe 2 (Außenklima) und Stufe 3 (Premium mit Auslauf) des seit August 2020 vorliegenden Referentenentwurfes zur Tierwohlkennzeichnungs-verordnung. Dabei liegt das Platzangebot für eine zukunftsfähige Schweinehaltung mit 47 % in Stufe 2 und in Stufe 3 mit 100 % deutlich über dem zur Zeit geltenden Anforderungen. Deutlich höhere Anforderungen werden auch an Größe und Gestaltung der Liegefläche gestellt. Sie muss in jedem Fall mind. 0,6 m² groß und weich oder eingestreut sein. Der Außenklimakontakt in Stufe 2 ist durch eine auf einer Seite offenen Stall mit natürlicher Lüftung möglich. Alternativ kann ein Auslauf ohne Größenanforderungen zur Verfügung gestellt werden. Das ist der wesentliche Unterschied zur Stufe 3, in dem je Tier obligatorisch mindestens 0,5 m² Auslauffläche angeboten werden muss. Nach den Plänen der Borchertkommission sollten 2030 rund 40 % der Mastplätze der Stufe 2 entsprechen. 2040 soll die Stufe 2 bereits gesetzlicher Standard werden. Für zwei von vier konventionellen Stallanlagen in Pavillonbauweise wurden von den beiden Projektanten Lösungsvarianten vorgestellt.

Dr. Richard Hölscher präsentierte den von der Betriebsleitung favorisierten Umbau einer 6000er Mastanlage in Ostthüringen. Die vier aus den 1960er Jahren stammenden einzeln stehenden Ställen sollen zu einem Außenklimastall mit innenliegendem Auslauf inklusive Großgruppenhaltung umgebaut werden. Der Bestandsabbau wird 45 % bei einem Platzangebot von 1,5 m²/Tier betragen. Mit knapp 200 €/Tier ist der Umbau unter Beibehaltung der bestehenden aktiven Lüftung relativ kostengünstig. Das Konzept von Jörn Wilke für eine Mastanlage mit 9.520 Tierplätzen in Westthüringen sieht grundlegende Änderungen in der Aufstallung mit Auslauf, Buchtenstrukturierung und die Herstellung einer freien Lüftung vor. Auch hier wird vom Betriebsleiter eine Großgruppenhaltung favorisiert. Etwas mehr als 700 € wird der Umbau je Tierplatz kosten, wobei die Bestandsreduktion durch den Anbau eines außenliegenden, teilüberdachten Auslaufs nur 16 % betragen wird. Die Genehmigungsfähigkeit für die Umbaulösungen werden über Immissisonsprognosegutachten geprüft. Mehrere noch nicht eindeutig zu beantwortende Fragen machen deutlich, dass es höchste Zeit ist, den Schweinehaltern genehmigungsfähige Vorgaben für den Um- oder Neubau aufzuzeigen.

Im Spannungsfeld von Umwelt, Tierwohl und Leistung

Während der Mittagspause stand das von vielen lange vermisste persönliche Gespräch im Vordergrund. Gleichzeitig wurde auch die Gelegenheit genutzt mit Vertretern von über 20 verschiedenen Firmen über zukunftsfähige Entwicklungen und bewährte Produkte für die Schweinehaltung zu dis-kutieren.

Diese Diskussion ging während des praktischen Vortragsteils am Nachmittag „Im Spannungsfeld von Umwelt, Tierwohl und Leistung“ moderiert von Dr. Eckhard Meyer (LfULG) weiter. Zielkonflikte zwischen diesen Größen sind bekanntlich nicht ausgeschlossen. Für die Betriebe gilt es aber sich zukünftig so aufzustellen, dass sie weniger zum Tragen kommen oder dass aus vordergründi-gen Nachteilen möglicherweise sogar Vorteile werden. Als ein Beispiel dafür ist die N/P reduzierte Fütterung zu sehen. In der neuen TA Luft wird für BImSchG-Betriebe ab sofort, für alle anderen ab 2026, die Emissionsabsenkung (NH4) durch eine N- und P-reduzierte Fütterung vorgeschrieben. Der bisherige Referenzwert von 3,64 kg NH3/Mastplatz und Jahr soll auf 2,92 kg NH3 gesenkt werden, was einer Reduktion von 20 % entspricht. Für die Fütterung von Mastschweinen bedeutet das eine Absenkung des Rohprotein- und Phosphorgehaltes des Futters in etwa gleicher Größenordnung auf 14 % Rohprotein (vs.17 % = Universalmast, bzw. 16,5 % = NP reduziert) und 0,42 % Phosphor (vs. 0,5 % = Universalmast, bzw. 0,45 % = NP reduziert).

N- und P-reduzierte Fütterung als Voraussetzung zukünftiger Schweinehaltung

Dr. Manfred Weber vom LLG Iden konnte in seinem Vortrag aber eindrucksvoll zeigen, dass „N- und P-reduzierte Fütterung als Voraussetzung zukünftiger Schweinehaltung“, gesehen werden muss. Der wirtschaftliche Einsatz von stark N/P-reduziertem Futter für Mastschweine, Sauen und Ferkel ist ohne grundsätzliche Probleme möglich. Letztendlich bewegen sich die kalkulierten Absenkungen in dem Bereich der sog. „Sicherheitszuschläge“ der Vergangenheit. Das Weglassen dieser Zuschläge erfordert aber eine genaue Kenntnis des Nährstoffliefervermögens aller Rationsbestandteile. Sofern diese ausreichend genau bekannt sind, können auch Eigenmischer entsprechende Mischungen herstellen. Dabei ist es aber wichtig, dass durch die Wahl eines entsprechen-den Mineralfutters mögliche Defizite im Aminogramm oder dem Ca/P-Verhältnis ausgeglichen werden. Untersuchungen in Iden haben gezeigt, dass N/P reduzierte Futter gegenüber einer Standardfütterung nach der GFE weder zu Defiziten im P- und Ca-Gehalt des Mittelhandknochens noch zu intermediären Stoffwechselproblemen (Transkriptionsprofil der P-Transporter im Nierengewebe) führen müssen. Praktische Probleme mit der Entwicklung des Bewegungsapparates insbesondere bei Jungtieren können aber entstehen, wenn die genannten Voraussetzungen für eine stark N/P reduzierte Fütterung nicht eingehalten werden. Absolute Rohprotein-Gehalte von 13 % und Phosphor-Gehalte von 0,4 % sollten aus praktischer Sicht des Moderators nicht unterschritten werden.

Modellvorhaben zum Kupierverzicht bei Ferkeln unter konventionellen Haltungsbedingungen in Brandenburg

Die Umsetzung des auf europäischer Ebene beschlossenen „Kupierverzichtes“ stellt die landwirtschaftliche Praxis im Vergleich zum Kastenstand- und dem betäubungslosen Kastrierverbot vor die größten Herausforderungen. Zurzeit ist zwar noch der Weg das Ziel zum Kupierverzicht! Trotzdem ist die im Aktionsplan gewährte Schonzeit nach 2 Jahren jetzt vorbei. So wird erwartet, dass alle Betriebe, die noch keine unkupierten (Kontroll-) Schweine halten können, konkrete Maßnahmen ergreifen, um auf dem geforderten Weg voran zu kommen.

Von den Ergebnissen eines „Modellvorhaben zum Kupierverzicht bei Ferkeln unter konventionellen Haltungsbedingungen in Brandenburg“ berichtete Jennifer Gonzales vom Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) in Ruhlsdorf. In einem Brandenburger Betrieb mit 1.500 Sauen im geschlossenen System wurden über drei Versuchsdurchgänge von der Säugezeit bis zum Ende der Schweinemast insgesamt relativ gute Erfahrungen mit Aufzucht und Mast von unkupierten Ferkeln gemacht. Damit etwa 80 bis 90 % der eingestallten Ferkel das Aufzucht oder Mastende unverletzt erreichen, wurden zunächst die Buchtenstruktur und die Beschäftigungsmöglichkeiten (organisches Beschäftigungsmaterial) verbessert. Dabei kommt es zunächst auf eine für Schweine offensichtlichere Einteilung der Funktionsbereiche über die Fußboden-, Fress- bzw. Trinkplatzgestaltung oder Kontaktgitter an. Durch den guten Gesundheitsstatus der Tiere und das Management im Betrieb sind die aufgetretenen Verletzungen jeweils gut wieder abgeheilt, was Ergebnisse aus Köllitsch bestätigen. Knapp 70 % der Probleme in der Schweinemast entstehen durch nicht abgeheilte Verletzungen aus der Ferkelaufzucht. Dagegen entstehen etwa 30 % des Risikos für Wiederholung aus der bereits erfolgten (negativen) Konditionierung der Tiere. Überstehen unkupierte Ferkel ihre Ferkelaufzucht unversehrt, so ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass in der anschließenden Mast keine weiteren Schwanzverletzungen entstehen. Um bei Auffälligkeiten rechtzeitig einzugreifen ist eine gute Tierbeobachtung ausreichend vorhandener Mitarbeiter absolut notwendig.

Mit dem Kupierverzicht kann sich nach praktischen Erfahrungen die im Stall aufzuwendende Zeit um den Faktor 4 bis 6 erhöhen, während das Risiko durch Kupieren nach Köllitscher Erfahrungen genau in diesem Verhältnis sinkt! Mitarbeitermangel - kein alleiniges Problem der Landwirtschaft, sondern an den heutigen Anforderungen gemessen ist es gegenüber anderen Bereichen der Gesellschaft ein besonders großes Problem. Deshalb gilt es im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zunächst die Problemfelder bei Haltung, Fütterung und Stallklima aufzudecken. Dabei helfen Managementhilfen u. a. die sächsische Liste zum Kupierverzicht. Kleine Schritte im Stall sind wichtiger als große auf dem Papier. Auch der Kupiergrad ist geeignet, um die geforderten Schritte zu gehen.

Isofluran oder Ketamin, wie wird die Betäubung von Ferkeln praktikabel?

Von den drei großen K (Kastrieren, Kupieren, Kastenstände) drängte das zuerst genannte am meisten, denn einen weiteren Aufschub des Verbotes der betäubungslosen Ferkelkastration über den 01.01.2021 hinaus hat es nicht gegeben. Dabei ist klar, dass wir allen Lippenbekenntnissen zum Trotz, bundesweit etwa 80 % der Eberferkel weiterhin kastrieren müssen, weil der Markt das so verlangt. Etwa 20 % der Schlachtschweine können als intakte Eber und als Immunokastraten geschlachtet werden, wobei der Eberanteil mit geschätzten 15 % überwiegen wird. Die gesetzlich geforderte Schmerzausschaltung bei der Kastration ist nach heutiger Auffassung nur mithilfe einer In-halations- oder Injektionsnarkose möglich. Letztere bleibt dem Tierarzt vorbehalten. Unter diesen Vorzeichen stand der nächste Vortragsblock in dem die Frage beantwortetet wurde: „Isofluran oder Ketamin, wie wird die Betäubung von Ferkeln praktikabel?“


Zunächst stellte David Rossbroich, Tierarzt in der Gemeinschaftspraxis Wonsees heraus, dass im Einzugsgebiete der Tierarztpraxis (Nordbayern und Thüringen) die Inhalationsnarkose mit etwa 70 % aller Betriebe und 95 % aller betreuten Schweine den weitausgrößten Anteil einnimmt. Die zur Verfügung stehenden Narkosegeräte der 5 bekannten am Markt befindlichen Hersteller wurden kurz vorgestellt. Sie haben Vor- und Nachteile und die möglichen technischen Schwächen sind in der relativ schwierigen Einlaufphase Anfang 2021 erkannt worden. Sie kamen umso weniger zum Tragen wie die Betriebe geschult und durch die Hersteller eingewiesen worden sind. Die in der wissenschaftlichen Literatur aus Untersuchungen in der Schweiz diskutierten Probleme (zu geringe Narkosetiefe, nicht rechtzeitige Schmerzmittelgabe) sollten mit den in Deutschland deutlich weiter entwickelten Geräten weniger eine Rolle spielen. Wichtig ist aber eine zum Teil betriebsindividuelle Einstellung. So sind keine Auswirkungen auf die Saugferkel-Verluste oder gesundheitlichen Beschwerden der Anwender bekannt.

Als einer der ersten Betriebe hat Benny Hecht von der Meinsdorfer AG den dafür notwendigen Sachkunde Nachweis in Köllitsch erworben. Der Betrieb hält 320 Zuchtsauen im geschlossenen System, so dass ca. 120 männliche Ferkel/Woche mit dem betriebseigenen „PorcAnest 3000“ der Firma Promatec „Schlafen gelegt“ werden. Die dafür erforderlichen Kosten/Ferkel liegen nach betrieblicher Erfassung der einzelnen Kostenfaktoren (Gerät, Betriebsmittel, Arbeit) bei 1,28 €. Als Vorteile werden gesehen, dass das Verfahren vom Landwirt selber durchzuführen und grundsätzlich tiergerecht ist. Bislang stehen keine Narkosezwischenfälle oder Verluste an. Auch die Kosten sind überschaubar und mit der Zeit sogar etwas fallend. Die für die Narkose notwendigen logistischen Vorbereitungen verbunden mit größerer Unruhe bei der Arbeit sowie die Gefahr der Vermischung von Würfen, werden als Nachteile gesehen. Gleichzeitig gilt es die Arbeitssicherheit ständig zu kontrollieren. Deshalb hat der Betrieb auch Erfahrungen mit dem Einsatz von Ketamin durch den Tierarzt gesammelt. Das wird auch als Möglichkeit zum „Outsourcen“ von Arbeitsvorgängen gesehen. Entscheidend ist, dass die dafür notwendige tierärztliche Arbeitskraft vollumfänglich gebunden werden kann.

Carolin Mieth, selbst Tierärztin im nordsächsischen Betrieb Tierzucht Packisch, hat das Verfahren zusammen mit Katja Holz in einem Bestand mit 3.500 Sauen etabliert. Als Vorteile werden gesehen, dass keine technische Ausrüstung notwendig ist und die bislang erfolgten sehr „ausgefeilten“ Abläufe nicht wesentlich geändert werden müssen. Die Kollegen brauchen keinen zusätzlichen Sachkundenachweis und werden durch die Verwendung von Betäubungsmitteln nicht belastet. Beim Einsatz von Ketamin überwiegt im Gegensatz zum Isofluran der Vorteil etwas älterer (> 4 Tage) Ferkel. Diese können im Ausnahmefall vom per se anwesenden Tierarzt kastriert werden, wenn sie älter als 7 Tage sind. Das dürfen auch Isofluran Sachkundige Landwirte grundsätzlich nicht. Als wesentlicher Nachteil wird die deutlich längere Nachschlafzeit der Ferkel gesehen, die aber durch eine Optimierung des Verfahrens deutlich reduziert werden kann. So muss man die Menge und das Verhältnis von Ketamin zu Azaperon auf das tierindividuelle Körpergewicht einstellen. Dazu kommen Zu- oder Abschläge für unterschiedliche Vitalität der Ferkel. So sind heute durchschnittliche Nachschlafzeiten von 1:45 h von ehemals 6 h möglich. Wichtig ist aber auch hier eine intensive Nachbetreuung der Eberferkel. Diese dürfen vor allem nicht auskühlen und sind im Gegensatz zu den mit Isofluran narkotisierten Ferkeln stärker und dadurch länger benommen und für Erdrückung gefährdet. Perspektivisch wird eine Umstellung des Verfahrens auf nadellose Injektion angestrebt. Damit hat der Betrieb bereits gute Erfahrungen gemacht.

Hohen Gesundheitsstatus in den mitteldeutschen Betrieben auf Dauer aufrecht zu erhalten

Das höchste Gute für Mensch und Tier liegt in der Gesundheit. Sie ist die Voraussetzung für Wirtschaftlichkeit und für alle hier diskutierten Anforderungen. Dabei gilt es den „Hohen Gesundheitsstatus in den mitteldeutschen Betrieben“ nicht nur aufzubauen, sondern „auf Dauer aufrecht zu erhalten“. Wie das möglich ist, zeigten Jan Oosterveld, Betriebsleiter der Van Asten Tierzucht in Neumark und Franziska Feicht betreuende Bestandstierärztin der Tierärzte Wonsees GmbH.

Die Sauenherde in Neumark wurde 2007 mit höchstem Gesundheitsstatus aufgebaut. Der Status ist seitdem unverändert stabil und unverdächtig gegen PRRS sowie M. hyo und frei von anderen relevanten Krankheitserregern. Das Fundament um diese Freiheit zu halten stellt die Muttertiervakzinierung gegen die wichtigsten Erreger (Glässer, Influenza (H1N1, H1N2, H3N2 und H1panN1, Rotlauf und Parvovirose) dar. Die größte Herausforderung liegt in der Immunprophylaxe und Eingliederung der altersbedingt weniger immunkompetenten Jungsauen. Daneben wird großer Wert auf die Biosicherheit gegen Einschleppung von Krankheiten gelegt. Von den Mitarbeitern wird im Alltag und nicht nur im Rahmen von Schulungen verlangt, dass die Biosicherheit verstanden und gelebt wird. Sie fängt mit der konsequenten Umsetzung des „Schwarz/Weiß“- und „Rein-Raus-Prinzips“ an und hört nicht mit der räumlichen oder farblichen Trennung der einzelnen Bereiche auf. Es wird besonders auf alles geachtet, was von draußen in den Bestand hineinkommt. Das beginnt beim Ebersperma bis hin zu allen Betriebsmitteln vom Futter bis zum Beschäftigungsmaterial, Baustoffe oder Werkzeuge. Wichtig ist es zu wissen, was sich in den Tieren tut und entwickelt. Das erfordert ein intensives und regelmäßiges Bestandsmonitoring und die Auswertung der Ergebnisse. Dreimal jährlich treffen sich alle Beteiligten vor Ort, werten die aktuellen Befunde aus (Betriebsauswertung, Futteruntersuchungen, Fruchtbarkeit, Impfschema, Gesundheitsmonitoring), identifizieren Schwachpunkte und definieren neue Ziele sowie den Zeitplan zur Umsetzung.

Der Erhalt einer „unverdächtigen Herde“ ist also auch oder gerade unter den Bedingungen einer großen Anlage möglich! Dafür macht sich die Zusammenarbeit und Kommunikation aller an der Herdengesundheit Beteiligter unbedingt notwendig!

Zusammenfassung und Ausblick

Noch nie waren die Herausforderungen für die mitteldeutsche Schweinehaltung so groß wie heute. Als allerwichtigste Aufgabe ist die Bewältigung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) zu sehen. Sie bedroht den gesamten bundesdeutschen Schweinebestand und ist deshalb eine nationale Aufgabe mit der der Bund die Länder und Landkreise nicht allein lassen darf. Fehlende Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen dürfen keine Entschuldigung für staatliches Nichthandeln sein. Vielmehr braucht es aktuell neue und energischere Wege der Bekämpfung und Konzepte der Tiervermarktung aus den betroffenen Gebieten. Damit dürfen die Betriebe nicht allein gelassen werden! Nur dann kann die deutsche Schweinehaltung die Kraft aufbringen, um sich den gesellschaftlich geforderten Aufgaben zu stellen. Das ist mit dem durchschnittlichen Auszahlungspreis von 1,50 €/Schlachtgewicht der vergangenen 30 Jahre nicht möglich. Gleichwohl sind in dieser Zeit viele Kosten (Futter, Baukosten, Energie) gestiegen. Deshalb waren Produktivitätssteigerungen bei der eingesetzten Arbeit des Menschen und der biologischen Leistung der Tiere dringend erforderlich. Der Stall von heute ist deshalb das Endprodukt einer Entwicklung bei der die Arbeitsproduktivität und die tierischen Leistungen im Vordergrund gestanden haben.

Sollen Tierwohl und Umweltschutz zukünftig noch mehr Beachtung finden, werden die Kosten steigen ohne das weitere Produktivitätsfortschritte möglich sind. Deshalb ist die Zeit der Kostenführerschaft vorbei und es braucht einen verbindlichen Vertrag zwischen dem Landwirt und dem Staat. Für den Umbau der Tierhaltung brauchen die Betriebe zunächst verlässliche Rahmenbedingungen, die diesen flankieren und nicht wie zurzeit eher verhindern. Die Konzepte für den Umbau auch der mitteldeutschen Stallanlagen liegen in den Schubladen und wurden vorgestellt. Die größte technische Herausforderung findet die Realisierung eines hygienisch vertretbaren Außenklimareizes vor dem Hintergrund der Bedrohung durch ASP. Wichtig ist es in dieser schwierigen Zeit die Motivation für zukunftsorientiertes Handeln nicht zu verlieren. Dabei hilft es sich auf das zu Besinnen was in der Vergangenheit mit der Bewältigung der 3 großen „K-Fragen“ schon erreicht wurde.

Als Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration sind mit der Inhalations- und Injektionsnarkose zwei praxistaugliche Verfahren etabliert worden, die in die tägliche Arbeitsroutine der Betriebe übernommen und weiterentwickelt werden. Bei der Haltung unkupierter Ferkel ist zurzeit noch der Weg das Ziel und es werden von den Betrieben glaubhafte Maßnahmen erwartet, um diesen Weg zu gehen. Dabei unterstützen etablierte Managementhilfen. Die heute schon gültigen Vorgaben der neuen Nutztierhaltungsverordnung sind im Wesentlichen eine Frage der Einstellung von Mensch und Technik. Für die Umsetzung der Vorgaben zum Verbot der Einzelhaltung im Kastenstand ist ein baulicher Aufwand notwendig, der aufgrund der genannten Zusammenhänge (Planungssicherheit, Erzeugerpreise) nur sehr schleppend vorangeht. Dabei darf nicht vergessen werden, dass perspektivisch Ferkel aus Deutschland gebraucht werden. Nicht zu vergessen sind deshalb die Stärken der mitteldeutschen Betriebe. Diese liegt in der Erzeugung von großen einheitlichen Partien mit definiert hohem Gesundheitsstatus. Diesen gilt es nicht nur aufzubauen, sondern alle Kräfte zu mobilisieren, um ihn in der täglichen Arbeitsroutine zu erhalten.
Der Gesundheitsstatus will gelebt werden, denn die Gesundheit ist das höchste Gut. Das gilt für Mensch und Tier gleichermaßen.

Autoren: 

Dr. Simone Müller, Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum

Dr. Eckhard Meyer, Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt