Bekämpfung der ASP - Neue Wege gehen!
Podiumsdiskussion am Vorabend des Mitteldeutschen Schweinetages
426 Tage sind seit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) am 10. September 2020 in Deutschland vergangen. Seitdem gab es über 2 640 bestätigte Fälle in den Wildschweinepopulationen der Bundesländer Brandenburg und Sachsen. Betroffen von den damit verbundenen Restriktionen sind mehr als 400 Betriebe mit knapp 170 000 Schweinen.
Leider ist kein Ende in Sicht und täglich kommen neue Fälle hinzu, obwohl die Bekämpfungsmaßnahmen erste Erfolge in den Kerngebieten verdeutlichen und sich der Wildschweinebesatz dort erheblich reduziert hat. Trotzdem muss realisiert werden, dass die anzeigepflichtige Tierseuche in Deutschland aufgrund des flächenhaften Eintrags aus Polen nicht zu bekämpfen ist, wie in Tschechien oder Belgien.
Innerhalb einer ca. 2-stündigen Podiumsdiskussion am Vorabend des Mitteldeutschen Schweinetages standen deshalb „Probleme und Perspektiven für Schweine haltende Betriebe“ im Mittelpunkt.
Frank Tiggemann, selbst unmittelbar betroffener Schweinehalter aus dem Landkreis Märkisch Oderland und Petra Senger, stark in die Bekämpfung eingebundene Amtstierärztin vom Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt (VLÜA) im Landkreis Oder Spree diskutierten mit Dr. Michael Richter, Referent für Tierseuchenbekämpfung (Sächsisches Staatsministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt) und Gerold Blunk, Leiter des Referates Tierhaltung im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, über mögliche Wege aus der Krise. Die Diskussion, moderiert von den Referenten für Schweinehaltung Dr. Simone Müller (Thüringer Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie) und Dr. Eckhard Meyer (LfULG), machte deutlich: Um den Schweinehaltern in den betroffenen Ländern Existenzängste nehmen zu können, brauchen sie aktive Unterstützung, ebenso wie alle unmittelbar Beteiligten.
„Unsere Reserven sind ebenso wie der Versicherungsschutz aufgebraucht und neben den ohnehin sehr schlechten Schweinepreisen müssen wir mit erheblichen, zusätzlichen Vermarktungsnachteilen und -einschränkungen leben, ohne Hoffnung, dass sich das kurzfristig ändert“, so Frank Tiggemann. In dieser Situation belasten unzureichende Reaktionen der politisch Verantwortlichen zusätzlich. Fehlende Rechtsgrundlagen und Probleme mit der Zuständigkeit sind die häufigsten Begründungen für nicht ausreichend energisches und effektives Handeln. Das wird angesichts der nationalen Bedeutung der ASP nicht mehr akzeptiert.
Effektive Ausgestaltung der Bekämpfungsmaßnahmen
Inzwischen laufen die Bekämpfungsmaßnahmen, organisiert und koordiniert von den Tierseuchenbekämpfungszentren der betroffenen Bundesländer und den VLÜA in den Landkreisen in enger Abstimmung mit Jägern, Verbänden, Bundeswehr und THW, besser, aber durchaus mit regionalen Unterschieden. Die z. T. kritisch angemahnte Geschwindigkeit der Bekämpfungsmaßnahmen und deren Erfolgschancen hängen mit den örtlichen Gegebenheiten zusammen. Der Zaunbau, Anfang des Jahres noch suboptimal, funktioniert inzwischen besser. „Leider fehlten vor dem Übergriff der ASP aus Polen die entsprechenden Rechtsgrundlagen für die Errichtung fester Zäune als wirkungsvolle Präventionsmaßnahme“, konstatierten Petra Senger und Dr. Michael Richter. Die erfolgten Durchbrüche in der Lausitz und an anderen Orten wären unter anderen Umständen vermeidbar gewesen.
Worauf es jetzt ankommt: Es muss gelingen, einen Wildschwein freien Korridor zu Polen aufzubauen und gemeinsam dafür zu sorgen, dass sich die für Menschen ungefährliche Tierseuche nicht weiter nach Norden, Süden oder Westen verlagert. „Ich bin optimistisch, dass die Bekämpfung dieser Tierseuche mit dem Ziel der Tilgung möglich ist“, resümierte Petra Senger. „Dafür brauchen die Bundesländer Brandenburg und Sachsen die Unterstützung des Bundes und auch der anderen, bisher nicht unmittelbar betroffenen Bundesländer“. Angeregt wurden eine zentrale Koordinierung und die Bejagung auch als hoheitliche Aufgabe zu prüfen. „Es ist richtig, neue Ideen bezüglich der Bekämpfungs- und Entnahmestrategien auch situationsbedingt auf ihre rechtliche Umsetzbarkeit zu prüfen“, so Gerold Blunk. Leider reicht auch der Stand der Impfstoffentwicklung noch nicht aus, um wirkungsvoll die ASP bei Wildschweinen bekämpfen zu können. „Wir brauchen einen oralen Impfstoff, der schnell Antikörper gegen den ASP-Virus, der leider nicht sehr immunogen ist, erzeugt. Obwohl weltweit mehrere Pharmaunternehmen daran arbeiten, ist selbst langfristig noch keine verlässliche Prognose möglich, wann das sein könnte“, führte Dr. Michael Richter aus.
Neue Wege und Konzepte in der Vermarktung erforderlich
Um trotz der Restriktionen für Schweinehalter, die auf der Durchführungsverordnung der EU EU-VO 2021/605 basieren, weiter handlungsfähig zu bleiben, wurden im letzten Drittel der Diskussion die Verantwortung der Wirtschaft diskutiert. „Trotz Teilnahme an den ASP-Statusprogrammen und hoher Biosicherheit der Betriebe ist die Verbringung von Ferkeln oder Schlachtschweinen nur sehr schleppend möglich“, beschrieb Frank Tiggemann. Hier muss dringend eine bessere Kommunikation zwischen den Behörden und Ländern erfolgen, die bestehende Ressentiments beseitigen helfen. Die ASP ist von unmittelbarer Relevanz für Deutschland, das belegen die verhängten Importstopps in Drittländer wie China. Die bislang erfolgte Regionalisierung ermöglicht Schweinefleischexporte aus noch nicht betroffenen Regionen in die EU hilft den unmittelbar betroffenen Tierhaltern jedoch nicht. Dieser Kreis betroffener Betriebe kann jeden Tag größer werden. Deshalb sind hier dringend neue Wege und Konzepte der Verbringung und Vermarktung erforderlich. Das gilt nicht zuletzt, um Tierschutzprobleme zu verhindern.
Die Einstufung der ASP durch die Europäische Union als Seuche der Kategorie A, D und E (EU-DUV 2018/1882) verlangt, dass nicht nur unmittelbare Tilgungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, sondern auch Maßnahmen getroffen werden, die eine Ausbreitung verhindern. Die bisher bestehenden rechtlichen Hürden zur Beteiligung des Bundes an diesen Maßnahmen sollten dringend geprüft werden, das fordern auch mehrere berufsständische Bundes-, Landes- und Regionalverbände. Die epidemiologische Lage durch die ASP hat in Deutschland nationale Tragweite.
Autoren:
Dr. Simone Müller, Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum
Dr. Eckhard Meyer, Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt