- Uwe Beißwenger, LKV Baden-Württemberg
- Detlef May, Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung Groß Kreutz
- Prof. Dr. Heiko Scholz, Hochschule Anhalt
- Prof. Dr. Ralf Waßmuth, Hochschule Osnabrück
● Leonie Schnecker, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
- Marc-Andre Kruse-Friedrich, DLG e.V.
- Marc Schneeweis, medianet elektronische Kommunikation & Marketing GmbH
- Oliver Sahner, medianet elektronische Kommunikation & Marketing GmbH
Förderhinweis
Dieses Dokument wurde im Rahmen des Verbundprojektes Netzwerk Fokus Tierwohl, Förderkennzeichen 28N419T01 bis 28N419T17, durch die Arbeitsgruppe „Mutterkuh" des Tierwohl-Kompetenzzentrums Rind erarbeitet und durch DLG e.V methodisch-didaktisch aufbereitet.
Das Verbundprojekt der Landwirtschaftskammern und landwirtschaftlichen Einrichtungen aller Bundesländer hat das Ziel, den Wissenstransfer in die Praxis zu verbessern, um rinder-, schweine- und geflügelhaltende Betriebe hinsichtlich einer tierwohlgerechten, umweltschonenden und nachhaltigen Nutztierhaltung zukunftsfähig zu machen.
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Alle Informationen und Hinweise ohne jede Gewähr und Haftung.
Herausgeber
DLG e.V.
Fachzentrum Landwirtschaft
Eschborner Landstraße 122
60489 Frankfurt am Main
Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder (auch für den Zweck der Unterrichtsgestaltung) sowie Bereitstellung des Merkblattes im Ganzen oder in Teilen zur Ansicht oder zum Download durch Dritte nur nach vorheriger Genehmigung durch die fachlich zuständige Geschäftsstelle des Tierwohl-Kompetenzzentrums Rind und DLG e.V., Servicebereich Marketing, Tel. +49 69 24788-209, [email protected].
Einleitung
Mutterkühe werden teilweise ganzjährig im Freien gehalten. Dabei sind sie verschiedenen Witterungseinflüssen ausgesetzt. Durch die normalen Abläufe der Verdauung eines Rindes (vor allem im Pansen) und z. B. durch die Milchbildung wird ausreichend Wärme produziert, was einer Unterkühlung entgegenwirkt. Der Verlust an Wärme über die Körperoberfläche ist von verschiedenen Faktoren abhängig, die tierbezogen (z. B. von der Energieversorgung, der Lebendmasse, der Körperkondition, des Laktationsstatus, der Rasse, Ausprägung des Winterfells und vom Verhalten) und Umwelt bezogen sein können (z. B. Regen, Umgebungstemperatur und Windgeschwindigkeit). In Abhängigkeit der genannten Umweltfaktoren und tierindividuellen Faktoren kann eine “tiefste kritische Temperatur” (Lower Critical Temperature, LCT) oder „Untere kritische Temperatur“ (UKT) in Abbildung 2 nach Bianca (1968) definiert werden. Diese wird beschrieben als die Temperatur, bei der die Abgabe der Wärme höher ist als die selbst erzeugte Wärme. Nach Bianca (1968) ist hier Punkt B gemeint, die physiologische Grenze des Tieres ist erreicht. Am Tier selbst kann z. B. die Rektaltemperatur gemessen werden, um festzustellen, ob die Körperkerntemperatur bei gegebener Witterung nicht mehr konstant gehalten werden kann und zu sinken beginnt. In Abbildung 2 nach Bianca (1968) geschieht das, wenn Punkt B unterschritten wird.
Dieses Dokument soll für die tierschutzrelevante Thematik von Kältestress auf der Weide sensibilisieren und Informationen an die Hand geben, um die Belastung direkt am Tier einschätzen zu können. Nur wenn Tierhaltende Kältestress sicher beurteilen können, kommen sie Ihrer Verantwortung als Tierhaltende nach und sind in der Lage einzuschätzen, ob bspw. ein (vorhandener) Witterungsschutz ausreichend für die Tiere ist oder ob Handlungsbedarf besteht. Viele Faktoren nehmen Einfluss darauf, ob Kältestress entsteht oder nicht. Neben den rechtlichen Grundlagen, den wichtigsten Eckpunkten der Thermoregulation des Rindes (inkl. Anpassungsreaktionen und Folgen bei Überschreitung der Anpassungsfähigkeit), belastenden und entlastenden Umweltfaktoren werden Möglichkeiten zur Reduktion von Kältestress vorgestellt.
Rechtliche Grundlagen (Gesetze, Verordnungen, Leitlinien und Empfehlungen)
Mit Blick auf den Witterungsschutz gibt es unterschiedliche Vorgaben, die teils rechtlich bindend, teils als Empfehlungen anzusehen sind. Die rechtlichen Grundlagen gelten sowohl für widrige Witterungseinflüsse im Winter als auch im Sommer. Im folgenden Text finden Sie Ergänzungen, die sich speziell auf den Witterungsschutz bei Kälte fokussieren.
Nationale Ebene
Für den Platzbedarf beim Witterungsschutz für Rinder existieren keine rechtlich bindenden Vorgaben, sondern lediglich Empfehlungen, die sich teilweise erheblich unterscheiden. In Deutschland bilden das Tierschutzgesetz (TierSchG, 2020) und die Tierschutznutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV, 2021) die rechtliche Grundlage:
- TierSchNutztV §3 Abs. 2 Nr. 3 „Haltungseinrichtungen müssen so ausgestattet sein, dass den Tieren, soweit für den Erhalt der Gesundheit erforderlich, ausreichend Schutz vor widrigen Witterungseinflüssen geboten wird und die Tiere, soweit möglich, vor Beutegreifern geschützt werden, wobei es im Fall eines Auslaufes ausreicht, wenn den Nutztieren Möglichkeiten zum Unterstellen geboten werden.
- TierSchG §2 Nr. 1 „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, (1) muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.“
- TierSchG §1 „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund, Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“
TierSchNutztV (2021) und TierSchG (2020) sind rechtlich bindend. Die TierSchNutztV gilt nur für die Haltung von Nutztieren zu Erwerbszwecken, wohingegen das TierSchG für jegliche Tiere -also auch nicht erwerbsmäßige Tierhaltung (Hobbyhaltungen) und die Haltungen zur Landschaftspflege und Naturentwicklungsprojekte gilt.
Orientierung bietet auf nationaler Ebene, jedoch ohne rechtsverbindlichen Charakter die Leitlinie zur ganzjährigen Freilandhaltung (TVT Merkblatt 85, 2006):
- Die ganzjährige Weidehaltung bei Rindern erfordert einen Witterungsschutz
- Schutz vor Unterkühlung ist einfacher zu erhalten als überschüssige Wärme aus dem Körper abzutransportieren
- Die Liegedauer wird im Mittel mit ca. 10 Stunden angenommen, wobei die Aktivität der Rinder tagsüber am größten ist
Ein witterungsgeschützter Bereich sollte für die Tiere frei zugänglich sein. Einzelne dominante Tiere dürfen nicht in der Lage sein, anderen Gruppenmitgliedern den Zugang zu verwehren, bspw. wenn es sich um einen engen Zugang handelt oder einen Bereich der nur einen Ein- und Ausgang hat. Bezüglich des Platzbedarfs pro Tier können bei frei zugänglichen witterungsgeschützten Flächen die Angaben von Sambraus (2006) (TVT Merkblatt 85) angenommen werden. Wenn gute Ausweichmöglichkeiten für unterlegene Tiere bestehen, reichen unter Umständen auch geringere Flächen. Allerdings darf es nicht passieren, dass einzelne Tiere dauerhaft von der witterungsgeschützten Fläche verbannt werden. Auch kann die soziale Thermoregulation die übliche Ausweichdistanz, die die Tiere zueinander einhalten, reduzieren und damit den Flächenbedarf verringern. Zudem ist der Bedarf, witterungsgeschützte Bereiche aufzusuchen, tierindividuell verschieden.
Flächenbedarf für den Witterungsschutz
Durch die vielen Einflussfaktoren ergeben sich unterschiedliche Zahlen für den Flächenbedarf an Witterungsschutz:
Lebendgewicht (kg) bzw. Alter | Liegefläche pro Kuh bzw. Kalb | |
unbehornt | behornt | |
bis 500 kg | 4 m² | 6 m² |
600 kg | 5 m² | 7 m² |
über 700 kg | 6 m² | 8 m² |
Kalb < 2 Monate | 1 m² | 1 m² |
Kalb > 2 Monate | 2 m² | 2 m² |
Lebendgewicht (kg) bzw. Alter | Liegefläche pro Kuh bzw. Kalb | |
unbehornt | behornt | |
600 kg | 3 - 4 m² | 4 - 5,2 m² |
750 kg | 4 - 5 m² | 5,2 - 6,5 m² |
nicht abgesetzte Kälber | 1 m² | 1 m² |
Großvieheinheiten (1 GV = 500 kg Lebendgewicht) | Grundfläche pro GV* |
bis zu 10 GV | 4 m² |
bis zu 20 GV | 3,5 m² |
über 20 GV | 3 m² |
Internationale Ebene
Auf europäischer Ebene existiert eine Empfehlung:
Die Europaratsempfehlung (EUROPÄISCHES ÜBEREINKOMMEN ZUM SCHUTZ VON TIEREN IN LANDWIRTSCHAFTLICHEN TIERHALTUNGSEMPFEHLUNG FÜR DAS HALTEN VON RINDERN angenommen vom Ständigen Ausschuss auf dessen 17. Tagung am 21. November 1988) gilt u.a. für alle Rinder in landwirtschaftlichen Tierhaltungen. In Artikel 16 der Empfehlung wird auf den Witterungsschutz wie folgt Bezug genommen:
„1. Werden Rinder im Freien auf Weiden ohne natürlichen Schutz oder ohne Schatten gehalten, so sollte ein künstlicher Schutz gegen Witterungseinflüsse bereitgestellt werden.
2. Weiden sollten so ausgewählt und bewirtschaftet werden, dass sichergestellt ist, dass die weidenden Tiere weder physischen noch chemischen oder sonstigen Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt sind, die der Betreuer verhindern kann.“
Darüber hinaus gibt es:
Über die deutschen Grenzen hinaus, kann ein Beispiel aus Schottland herangezogen werden. Hier existiert eine Verordnung (Welfare of Farmed Animals, Scotland, Regulations (2010):
“Animals not kept in buildings shall, where necessary and possible, be given protection from adverse weather conditions, predators and risks to their health and shall, at all the times, have access to a well-drained lying area.”
“Tiere, die nicht in Gebäuden gehalten werden, müssen, soweit notwendig und möglich, vor widrigen Wetterbedingungen, Raubtieren und Gesundheitsrisiken geschützt werden und sollen jederzeit Zugang zu einem trockenen Liegebereich haben.”
Aus der schottischen Verordnung geht hervor, dass es vier wesentliche Aspekte in der Winterfreilandhaltung gibt, die dem Körper Wärme entziehen:
1. niedrige Temperaturen
2. hohe Windgeschwindigkeiten
3. feuchte, kalte Liegeflächen
4. Niederschlag, hohe Luftfeuchtigkeit
5. Schutz vor Prädatoren
Auch der Schutz vor Prädatoren stellt eine Herausforderung für das Tierwohl in der Winterfreilandhaltung dar, welches den Rindern zwar keine Wärme entzieht, aber doch genannt werden muss, da es als zusätzlicher Risikofaktor zu bewerten ist. Durch die Zunahme an Kontakten zwischen Nutztieren und Prädatoren, müssen Tierhaltende soweit wie zumutbar Schutzmaßnahmen gegen Prädatoren einplanen und realisieren.
Thermoregulation beim Rind unter Witterungsstress
Rinder sind Warmblüter und haben daher eine gleichbleibende Körpertemperatur (ca. 38 – 39 °C). Die Thermoregulation hat zur Aufgabe diese Körpertemperatur unabhängig von der Umgebungstemperatur möglichst konstant zu halten. Je größer der Aufwand des Körpers wird um die Körpertemperatur konstant zu halten, desto größer ist der „Witterungsstress“. Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen und Zusammenhänge der Thermoregulation beim Rind erläutert.
Temperaturzonen und -regulationsvermögen
Die thermoneutrale Zone, in der das Tier keine zusätzliche Energie aufwenden muss, um die Körpertemperatur zu regulieren, liegt laut Bianca (1968) für Rinder zwischen 0 – 16 Grad Celsius.
Bei Unter- oder Überschreiten der Grenzen B und B´ können die Tiere ihre Körpertemperatur nicht mehr im physiologischen Rahmen halten und es besteht Lebensgefahr (Sporkmann et al., 2016).
Kälber, deren Mütter sich sehr gut um ihren Nachwuchs kümmern (früh trocken lecken, Präsentation des Euters, körperliche Nähe, Schatten- und Wärmespender etc.) haben eine höhere Toleranz gegenüber widrigen Witterungsbedingungen als solche, die auf sich allein gestellt sind. Die thermoneutrale Zone für Tränkekälber wird bei einer Luftfeuchte von 50 % bis 60 % mit +15 °C und +25 °C beschrieben. Für ältere Kälber, die bereits einen funktionierenden Pansen besitzen und daher wiederkäuen können, wird der thermoneutrale Bereich mit +5 °C bis +15 °C angenommen (Berkemeier, 2021 in Elite Magazin, Hufelschulte, 2020 in topagrar).
Grenze der Anpassungsfähigkeit
- Sobald die Köperkerntemperatur den Normalbereich unterschreitet (37,5 °C), spricht man von Hypothermie (Dirksen et al. 2006). Sinkt die Körperkerntemperatur weiter, droht der Kältetod
- Je größer die thermische Belastung ist, desto stärker tritt die Aufrechterhaltung der Körperkerntemperatur in Konkurrenz zur Nutzleistung und Gesundheit („verstärkte Anpassung“)
- Unterschreitet die Wärmeaufnahme/-bildung die Wärmeabgabe, so sinkt die Körperkerntemperatur
- Wind kann dem Körper beträchtliche Wärmemengen entziehen; mit steigender Windgeschwindigkeit steigt die Temperatur, bei der die Tiere ihre physiologische Körperkerntemperatur aufrechterhalten können
- In Tab. 4 ist die Außentemperatur aufgeführt, welche in Abhängigkeit zur Windgeschwindigkeit steht. Je niedriger die Außentemperatur und je höher die Windgeschwindigkeit, desto niedriger ist die „gefühlte Temperatur“
Nach Angaben des NRC (2016) können Mutterkühe, die sich durch eine gute Körperkondition und ein angepasstes Winterfell auszeichnen, in der Mitte der Trächtigkeit eine Temperatur von - 21°C problemlos vertragen. Dazu muss aber das Fell trocken und sauber sein. Säugende Mutterkühe können nach NRC (2016) auch tiefere Temperaturen ohne körperlichen Schaden überstehen. Ab mehr als - 30°C tritt jedoch mehrheitlich ein Kälte-Stress ein (Anderson et al., 2022). Bei schwächeren Tieren sollte die Kälte-Toleranzgrenze bei etwa - 29°C liegen. Ab einer Rektal-Temperatur unter 28°C muss zwingend gehandelt werden, da Tiere keine eigene Regulation mehr haben. Die Rektal-Temperatur zählt als Goldstandard, ist aber in der Praxis nur mäßig durchführbar.
Nach Angaben von Mader et al. (2010) können 6 Bereiche des Kältestresses anhand der Temperatur untergliedert werden, welche in Tab. 5 ausgewiesen sind. Hier wird ersichtlich, dass erst ab - 30 °C eine extreme Kältestress-Situation bewertet wurde. Es muss erwähnt werden, dass die Bewertung der Temperaturkategorien zwischen Rassen und auch zwischen Tieren Unterschiede aufweisen können.
CCI Temperatur (°C) | Bewertung |
über 0 | kein Kältestress |
0 bis -10 | milder Kältestress |
-10 bis -20 | moderater Kältestress |
-20 bis - 30 | starker Kältestress |
-30 bis -40 | extremer Kältestress |
unter -40 | ACHTUNG /LEBENSGEFAHR |
Interessant sind hierbei die Aussagen von Sporkmann et al. (2014), dass in Abhängigkeit vom Comprehensive climate index-Level keine Veränderungen in der Wasseraufnahme der Mutterkühe beobachtet werden konnten. Auch die Anzahl der Besuche an den Tränken zeigten hier keine gerichtete Entwicklung mit zunehmendem Kältestress (Sporkmann et al., 2014).
Wärmeübertragung
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für den Wärmetausch:
- Wärmeleitung oder Konduktion: Wärme fließt in Richtung des Mediums mit geringerer Temperatur ab (z.B. Wasser, Luft, Boden)
- Wärmeströmung oder Konvektion: Wärme wird durch ein strömendes Medium (z.B. Wind) abtransportiert
- Wärmestrahlung: Wärme wird durch elektromagnetische Wellen übertragen (z.B. Sonnenstrahlen)
- Evaporation: Energieabgabe über Wasserdampf (Schwitzen, Hecheln)
Durch direkte Sonneneinstrahlung erhöht sich der Wärmeeintrag des Tieres deutlich. Das Aufkommen an Wolken verringert den Wärmeeintrag im Vergleich zur direkten Strahlung.
Kalte und nasse Liegeflächen, (hohe) Windgeschwindigkeiten und nasses Fell erhöhen die Wärmeabgabe im Winter.
Haltung bei Kältebelastung
Belastende / entlastende Umweltfaktoren auf die Kältebelastung
Grundsätzlich haben niedrige Temperaturen, hohe Windgeschwindigkeiten, feuchte und kalte Liegeflächen, Niederschlag und hohe Luftfeuchtigkeit durch vermehrte Wärmeabgabe Einfluss auf die Kältebelastung.
Belastende tierseitige Faktoren | Folgen für Mutterkühe |
feuchtes, verschmutztes Fell (z. B. durch Liegen auf dem Boden ohne Einstreu) | vermehrte Wärmeabgabe (feuchtes Fell verliert dämmende Wirkung) |
unvollständig ausgeprägtes Winterhaarkleid und/oder durch Ektoparasitenbefall tlw. nicht intaktes Haarkleid | vermehrte Wärmeabgabe |
geringe Körperreserven – geringe subkutane Fettschicht | vermehrte Wärmeabgabe |
Aus denen in der Tab. 6 und 7 genannten belastenden Witterungsfaktoren und den daraus resultierenden Folgen für Mutterkühe, können eine schlechte Körperkondition, Krankheiten, einen damit einhergehenden erhöhten Energiebedarf bei Krankheit, Klauenprobleme, Stoffwechselerkrankungen, Haarschäden/-verlust durch Ektoparasiten, nach sich ziehen.
Untersuchungen aus Schottland von Morgan et al. (2011) zeigen sehr deutlich, dass der Energiebedarf der Mutterkühe (tragend) in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit und dem Zustand des Winterfells sehr stark variieren kann. So kann der Energiebedarf bei Windstille von etwa 80 MJ ME je Mutterkuh und Tag auf fast 120 MJ ME je Tag ansteigen, wenn das Fell nass und die Windgeschwindigkeit bei 10 m/s liegt (Abbildung 4).
Der höhere Energiebedarf der Mutterkühe in den Kälteperioden kann je nach Fütterungssystem bei einer bestehenden Fütterung oder Ration nicht kurzfristig verändert werden. Tierhaltende müssen in der Lage sein Anpassungen vornehmen zu können. Vor diesem Hintergrund geben Morgan et al. (2011) die Empfehlung, den Tieren bei Kältestress zusätzliches Futter in Form von Kraftfutter anzubieten, um den Effekt der erhöhten Wärmeabgabe abzumildern. Hier muss der Landwirt in Abhängigkeit von Windgeschwindigkeit, Zustand des Fells und der Körperkondition eine Entscheidung treffen. Die empfohlenen Mengen an zusätzlichem Kraftfutter nach Morgan et al. (2011) sind in Abbildung 5 ersichtlich. Auch das Management muss dahingehend angepasst werden und auch die Befahrbarkeit der Weide muss bei schlechten Witterungsverhältnissen gegeben sein.
Um den belastenden Umweltfaktoren und den daraus resultierenden Folgen entgegenzuwirken sollte auf entlastende tierseitige Faktoren und Witterungsfaktoren geachtet werden, die in Tab. 8 genannt werden. Basis hierfür sind Tiere bei guter Gesundheit und ein entsprechender Witterungsschutz.
Entlastende tierseitige Faktoren | Entlastende Haltungsfaktoren |
trockenes Winterfell | eingestreute Liegefläche |
optimale Futter- und Energieaufnahme | Windschutz |
gute Körperkondition | Regenschutz |
gute Gesundheit notwendig | |
Tierindividuelle Anpassungsreaktionen (siehe 4.2.) |
Anpassungsreaktionen und -möglichkeiten
Auf Kältestress können Mutterkühe mit Änderungen im Verhalten, der Gesundheit und der Leistung reagieren. Hier muss auch zwischen kurz- und mittelfristigen Anpassungsreaktionen und -möglichkeiten unterschieden werden.
Ein wichtiger Aspekt für Haltende von Mutterkühen ist die Schulung ihres Auges für die Bildung und Beurteilung des Winterhaarkleides, siehe Abbildung 7. Dieses kann innerhalb einer Herde, Rasse und im Jahresverlauf unterschiedlich ausgeprägt sein, siehe Abbildung 8. Das Winterhaarkleid sollte zu Beginn des Winters 1x beurteilt werden. Je kühler es in der Region wird, desto früher sollte das Winterhaarkleid beurteilt werden (spätestens Anfang November). Bei älteren und jüngeren Tieren kann der Fellwechsel länger dauern. Ziel sollte sein, dass ca. 60% der Tiere in Score a und b liegen.
Kurzfristige ethologische Anpassungsreaktionen
Rinder, die Kältestress ausgesetzt sind, können ihr Normalverhalten nicht ausleben. In der Folge können biologische Funktionen, das Tierwohl und die Gesundheit beeinträchtigt sein. Damit einhergehend können Verhaltensänderungen auftreten, die sich bei fehlender Bedarfsdeckung bis hin zu Verhaltensanomalien entwickeln können (Polsky und von Keyserlingk, 2017).
Verhaltenselement | Reaktion bei Wärmeentzug |
Körperhaltung |
|
Ortsveränderung |
|
Verhaltensänderung |
|
Nach Sporkmann et al. (2016) wird mit zunehmendem CCI (also niedriger Temperatur) auch das Liegeverhalten verringert. Bis -10 °C wurden im Mittel 9,5 Stunden je Tag mit dem Liegen verbracht. Bei -10 bis -20 °C verminderte sich diese Liegezeit auf unter 8 Stunden je Kuh und Tag.
Die Tab. 10 zeigt, dass Rinder das Liegen auf unisolierten Flächen bei feucht-kalter und trocken-kalter Witterung vermeiden und bei dieser Witterungslage eher eingestreute Flächen aufsuchen. Das Aufsuchen des Unterstandes hingegen, wird bei diesen Witterungsverhältnissen bevorzugt und weniger bei einer trocken-warmen Witterung. Allein die Futterstelle mit entsprechender Entfernung wird bei trocken-warmer und feucht-kalter Witterung vermehrt und bei trocken-kalter Witterung weniger besucht.
Witterung | |||
Verhaltensweisen | trocken - warm1 | feucht-kalt2 | trocken-kalt3 |
Liegen auf unisolierten Flächen | 12% | 0% | 0% |
Aufsuchen der Einstreufläche | 0% | 4% | 18% |
Aufsuchen des Unterstandes | 5% | 24% | 22% |
Aufsuchen der > 80m von der Futterstelle entfernten Bereiche | 80% | 50% | 26% |
Kurzfristige körperliche Anpassungsreaktion
- Mobilisierung von Körperreserven
- Vasokonstriktion
- Kältezittern
- Erhöhung der Oxidationsprozesse
- Verminderung der Atemzüge (Respiration Rate) auf unter 20x je Minute (Webster, 1974)
Mittelfristige körperliche Anpassungsreaktion
Im Jahresverlauf muss je nach Kalbeperiode ein Auf- und Abbau von Körperreserven erfolgen (Abbildung 10 und 11). Hierbei ist darauf zu achten, dass Fleischrinder Ansatztypen und keine Umsatztypen sind. Es bedarf der passenden Körperkondition zu entsprechenden Jahreszeit. Diese ist leichter zu erzielen, wenn die Tiere gesund sind und sich an die Veränderung der Jahreszeiten gewöhnen können. Auch die Anpassung des Haarkleids an die Jahreszeit ist eine weitere mittelfristige Anpassungsreaktion. Der Behaarungsgrad nach Durbin et al. (2020) (siehe Abbildung 8) kann zur Beurteilung des Wechsels des Haarkleides genutzt werden. Der Wechsel des Haarkleids hat eine starke genetische Komponente (hohe Erblichkeit), aber auch die Mineralstoffversorgung und ggf. krankheitsbedingte Haarwechselprobleme spielen eine Rolle. Auch rassespezifische Unterschiede bezüglich Hautdicke und Thermoregulation sind zu beachten. So hatten Galloways mit dickerer Haut und dichterem Haar weniger Verletzungen bei gefrorenen Tritttrichtern und Absetzer die nahe dem Winter geboren wurden, haben dickere Haut.
Exkurs: Körperkondition bei Mutterkühen
Um Problematiken rund um die Fruchtbarkeit und Geburt zu vermeiden, sollte zur Kalbesaison eine Überkondition der Mutterkühe vermieden werden. Mit der Beurteilung der Körperkondition kann das Tier als direkter Indikator genutzt werden. Die Abbildungen 9 und 10 zeigen die Zielvorgaben der Körperkondition von Mutterkühen. In Abhängigkeit vom Kalbetermin schwanken diese im Jahresverlauf. Beim Absetzen der Kälber sollte der Körpersubstanzverlust nach dem Kalben wieder ausgeglichen sein (KTBL-Schrift 481). Zur Beurteilung der Kondition bei Mutterkühen ist in Abbildung 11 der Lendengriff dargestellt.
Auswirkungen auf die Tiere bei Überschreiten der Anpassungsfähigkeit
Die Winteraußenhaltung fördert bei richtigem Management die Gesundheit, kuriert aber keine Krankheiten. Deshalb dürfen nur gesunde Kühe im Winter außen gehalten werden. Auch in der Außenhaltung ist im Krankheits-/Verletzungsfall eine separate Betreuung von Einzeltieren sicherzustellen.
Die Anpassungsreaktionen erkrankter Tiere sind eingeschränkt durch z.B.:
- Ektoparasitenbefall, welche die Widerstandsfähigkeit des Winterhaarkleids schädigen, im Winter muss besonders auf Haarlinge geachtet werden
- Endoparasitosen/Wurmbefall
- Lahmende Tiere, die Probleme mit Ortsveränderungen haben
- Stoffwechselstörungen
- gestörte Futterverwertung/ - aufnahme
- chronische Erkrankungen
- mehrere gleichzeitige Probleme/ Krankheiten schränken die Anpassungsreaktionen verstärkt ein
Folgen für die Gesundheit:
- vermehrt Erkrankungen durch übermäßigen Wärmeentzug (Winter): Herbsttetanie, Stoffwechselstörungen, Atemwegserkrankungen, Parasitosen, Erfrierungen an Extremitäten (Kälber: Ohrnekrosen)
- starkes Einschmelzen von Körperreserven, Abmagerung
Gestaltung eines Witterungsschutzes als Kälteschutz
Die Kühe müssen sich bei belastender Witterung in einen geschützten Bereich zurückziehen können. Dieser muss so konzipiert sein, dass der Wärmeentzug z. B. durch Wind reduziert wird, das Haarkleid relativ trocken bleibt und beim Liegen Körperwärmeverluste zum kalten, feuchten Boden minimiert werden.
Außerdem ist ein witterungsgeschützter Bereich ein deutliches Zeichen dafür, dass die Tierhaltenden der Fürsorgepflicht den Tieren gegenüber nachkommen.
Weiterhin bereichert ein natürlicher (Baum- und Buschreihen), witterungsgeschützter Bereich Flora und Fauna, indem er Vögeln, Insekten etc. ein Habitat bietet.
Ziele für die Gestaltung eines Witterungsschutzes:
- ausreichende Liegezeiten (sonst Erschöpfungszustände möglich)
- normales Wiederkauverhalten (Energie für Wärmebildung)
Kernelemente eines Witterungsschutzes
- Windschutz
- Liegefläche: Konduktive Wärmeverluste durch Einstreu reduzieren
- Schutz vor Niederschlag
Es existieren verschiedene Möglichkeiten diese Kernelemente zu berücksichtigen und das Einzeltier nicht zu überfordern.
Formen des Witterungsschutzes
Es bedarf zwingend einer eingestreuten, windgeschützten Liegefläche, die trocken sein muss, damit die Liegezeiten von etwa 50 % des Tages gewährleistet werden können. Gegenden mit viel Niederschlag (Schnee und Regen) benötigen ggf. ein Dach (Schutzhütte). Untersuchungen zeigen, dass die Liegedauer der Kühe in Gegenden mit viel Schnee unter Dach ausreichend war. Die Liegezeiten der Kühe verminderten sich deutlich (von 50 % des Tages auf 35 %), wenn der Zugang zur Schutzhütte nicht möglich war (Morgan et al., 2011). Hier zeigt sich deutlich, dass in Regionen mit hohen Mengen an Niederschlag (Schnee oder Regen) der Unterstand eine gewisse Bedeutung hat. In Gegenden mit geringem Niederschlag im Winter (kontinentales Klima), wird dagegen eher kein Unterstand benötigt, wenn ausreichend Liegeflächen zur Verfügung stehen. Standort- und betriebsspezifische Formen sind zu forcieren und durch die Tierhaltenden umzusetzen. Dabei können verschiedene Systeme des Witterungsschutzes kombiniert werden.
Windschutz
Hohe Windgeschwindigkeiten können auch bei Mutterkühen zu einer Auskühlung des Körpers führen. Vor diesem Hintergrund scheint ein Windschutz für diese Wetterlagen erforderlich zu sein. Wenn zusätzlich Regen oder Nieselregen das Fell der Mutterkühe durchnässt, wird die isolierende Wirkung des Haarkleides deutlich herabgesetzt und die Prozesse der Trocknung des Fells erzeugen zusätzlich Verdunstungskälte. Bei kurzfristigen Ereignissen sollten keine Auswirkungen auf das Wohlergehen der Mutterkühe erwartet werden. Sollte die Kombination aus Wind und Regen aber mehrere Tage anhalten, wäre die Schaffung eines Unterstandes vorteilhaft für die Thermoregulation der Kühe.
- Reduktion der Wärmeabgabe durch natürliche Schutzmöglichkeiten wie Hecken, Baumreihen und Wälder oder aber künstlicher Windschutz wie Windschutzwände (Strohballen oder Windschutznetze) oder Unterstände mit Schutzwirkung gegen die Hauptwindrichtung ausgerichtet
- bei längerer Wirkung von Wind + Regen = Regenschutz erforderlich
Inwieweit ein Windschutz für die Freilandhaltung der Mutterkühe erforderlich wird, muss immer auf einzelbetrieblicher Ebene abgeschätzt werden. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass ein Windschutz auch gegen Regen schützen kann, wenn Wind und Regen gleichzeitig auftreten.
Natürlicher Windschutz
Windgeschützte Bereiche für Mutterkühe und Kälber bieten:
- Baum- und Buschreihen
- Laubbäume: sind nur bedingt geeignet
- unterschiedlich hohe Bäume bieten guten Schutz
- kuppiertes Gelände* (Tiere stellen sich hinter Kuppen)
- tiefe Einstreu bietet (Teil-) Schutz vor Wind
*Gelände mit Hügeln, Mulden und Senken
Windschutzart | Abstand vom Windschutz Höhe des Windschutzes mal Faktor… | ||||
5 | 10 | 15 | 20 | 30 | |
Reduktion der Windgeschwindigkeit (%) | |||||
Laubbaum, einreihig, Porosität: 65-75% | 50% | 65% | 80% | 85% | 100% |
Nadelbaum, einreihig, Porosität: 40-60% | 30% | 50% | 60% | 75% | 95% |
Nadelbaum, mehrreihig, Porosität: 20-40% | 25% | 35% | 65% | 85% | 95% |
Windschutzwand, Porosität: 0% | 25% | 70% | 90% | 95% | 100% |
Bietet eine Fläche keinen natürlichen, gewachsenen Windschutz, so können einreihig oder besser mehrreihig gepflanzte Bäume Schutz bieten (KTBL-Schrift 481). Nach Brandle und Finch (1991) ergeben sich bei einreihig gepflanzten Nadelbäumen und einer Porosität von 40-60%, eine Dichte zwischen 40 und 60%. Dadurch wird die leeseitige (dem Wind abgewandte Seite) Windgeschwindigkeit auf ca. 30% der luvseitigen (dem Wind zugewandte Seite) reduziert. Der so geschützte Bereich ist 5-mal so tief, wie die Baumreihe hoch ist. Eine mehrreihige Anpflanzung mit einer Porosität von 20-40%, erzielt eine Dichte von 60-80% und verringert die Windgeschwindigkeit auf 35%. Hierbei umfasst der geschützte Bereich eine Tiefe, die der 10-fachen Baumhöhe entspricht (Tabelle 11).
Baulich-technischer Windschutz
Gibt es auf den Flächen keinen, natürlich gewachsenen Windschutz für die Tiere, so besteht die Möglichkeit Windschutzwände zu errichten. Diese sind im Idealfall:
- transportabel
- porös (verhindern Wirbel)
- optimal: V-förmig (90°)
Nach nordamerikanischen Studien von Klein (2009) ist eine Porosität von 20-35% als optimal anzusehen. Die Windgeschwindigkeit reduziert sich hier auf 20-30% der Ausgangssituation.
Beispiel: 9 m/s (32 km/h) reduzieren sich auf 1,8-3 m/s (6-9 km/h)
Es ist darauf zu achten, dass die Windschutzwand bis zum Boden reicht, damit Zugluft vermieden werden kann (KTBL-Schrift 481). Eine Windschutzwand ist in einem Bereich wirksam, dessen Tiefe der 6-8fachen Höhe der Windschutzwand entspricht (Abbildung 14 & 15).
Wird ein Platzbedarf pro Kuh und Kalb von ca. 7 m2 angenommen, so ergeben sich folgende Wandmaße und Flächen je nach Herdengröße (KTBL-Schrift 481):
Herdengröße (Kuh-Kalb-Paare) | Erforderliche geschützte Fläche1) | Windschutzwand 2) 3) | |
n | qm | Höhe (m) | Länge (m) |
20 | 140 | 2 | 12 |
50 | 350 | 3 | 19 |
100 | 700 | 4 | 29 |
200 | 1400 | 4 | 58 |
Optimalen Schutz bieten L-, T oder kreuzförmige Wandgrundrisse, zusätzlich sollte auf gleichlange Seiten geachtet werden. Um rangniederen Tieren die Möglichkeit zu geben, ausweichen zu können und da sie nur wenig genutzt werden können, sollten spitze Winkel vermieden werden (KTBL-Schrift 481).
Vergleichende Untersuchungen
Graunke (2007) untersuchte in Schweden im Zeitraum von Dezember bis März (Winter) das Verhalten von Mutterkühen auf einer Weide mit Zugang zu verschiedenen geschützten Bereichen:
[1] ohne Schutz,
[2] Wald,
[3] Schutz und windzugewandt und
[4] schutznah und windzugewandt.
(In [3] und [4] kommt es darauf an, wo sich die Tiere genau befinden.)
Hier zeigte sich, dass in Abhängigkeit von der Wind-Chill-Temperatur (bezeichnet die gefühlte Temperatur, siehe Kapitel 3.2) der Aufenthalt auf der freien Fläche oder im Wald signifikant beeinflusst wurde. Bei tiefen Temperaturen wurde in Verbindung mit starkem Wind eher der Wald als natürlicher Schutz angenommen. Der baulich-technische Windschutz wurde dagegen nur selten genutzt (Graunke, 2007). Sie schlussfolgert, dass Mutterkühe und Rinder sich an die Witterungsverhältnisse anpassen konnten und sich dem Grad des Schutzes entsprechend verhielten. Wichtig zu vermerken ist, dass “…die Kühe und Färsen in der Lage waren, wärmere Wind-Chill-Temperaturen zu finden, ohne dabei notwendigerweise die drei schützenden Weidegebiete aufsuchen zu müssen”. Ergebnis der vergleichenden Studie ist, dass tierindividuelle und Standort- (Niederschlag, Bodenverhältnisse etc.) Unterschiede beachtet werden müssen, da entsprechend unterschiedliche Lösungen möglich sind.
Auch Golze (2000) und Zube (1996) geben an, dass Mutterkühe und Fleischrinder erst nach langer Regenperiode mit geringen Temperaturen und starkem Wind den künstlichen Schutzbereich (Unterstand) nutzen.
Tierhaltende sollten immer hinterfragen, warum ein Unterstand nicht genutzt wird, ob es bspw. für die Tiere im Unterstand Nachteile gab, die größer waren, als sich dem schlechten Wetter auszusetzen. Ganz oft spielt die Zugänglichkeit eine Rolle, auch der Aufstellungsort und der damit verbundene Überblick über die Weide kann darüber entscheiden, wie ein Unterstand von den Tieren genutzt wird oder nicht.
Liegefläche
Neben dem Schutz vor Wind, bedarf es einer trockenen Liegefläche, die den Tieren eine Isolierung/Dämmung von unten bietet. Folgende Anforderungen bestehen an eine optimale Liegefläche zum Schutz vor Kälte:
- eingesäte Grünlandfläche, Zwischenfrucht, genügt nur solange genug Bewuchs vorhanden und keine starken Witterungseinflüsse vorliegen
- eingestreute Liegefläche unter winterlichen Witterungsbedingungen notwendig (z.B. Stroh, Hackschnitzel, Heu, Streu, Anregung für reine Grünlandbetriebe: Grünmasse aus dem Vertragsnaturschutz)
- eingestreute Liegefläche erfordert ein betriebs- und witterungsspezifisches Management (Situationsbezogene Einstreuhäufigkeit und -menge); bei Extrem-Witterungsereignissen (schutzrelevante Tage) sollte das Nachstreuen spätestens nach 24 Stunden erfolgen
- ausreichende Liegefläche (in Abhängigkeit von Herdengröße, Herdenverhalten, Behornung, Kälber bei Fuß) mit 4 m² je Mutterkuh und 1 m² je Kalb
- Wahlmöglichkeiten insbesondere für rangniedrige Tiere in größeren Herden
- separater Bereich für Kälber ist vorteilhaft (z.B. unter Anhänger, Kälberschlupf)
Folgen bei fehlender Liegefläche:
Rinder meiden üblicherweise den direkten Kontakt zum kalten, feuchten Boden, wodurch Körperwärmeverluste eingeschränkt werden können. Unter Umständen tritt diese Verhaltensweise häufiger bei langanhaltendem Regen und tiefen Temperaturen auf und könnte zu Erschöpfungszuständen führen. Da Wiederkauen in Verbindung mit dem Liegeverhalten auftritt, kann bei einem gestörten Liegeverhalten auch das Wiederkauverhalten beeinträchtigt werden. Dies kann die Wärmeerzeugung des Körpers stören.
Die Tabellen in Kapitel 2.1 zeigen Flächengrößen für Kühe und Kälber in geschützten Bereichen. Dabei wird deutlich, dass zwischen unbehornten und behornten Rindern unterschieden werden muss. Außerdem spielt die Herdengröße und die Körpermasse eine Rolle. Weiterhin ist das Sozialverhalten innerhalb der Herde zu beachten. Beispielsweise können dominante Kühe anderen Herdenmitgliedern den Zugang zum geschützten Bereich verwehren. Um dies zu verhindern, muss der Zugang breit genug sein oder es können weitere geschützte Bereiche angeboten werden. Als Mindestfläche können 4 m2 pro Kuh und 1 m2 pro Kalb in Abhängigkeit vom Hornstatus, von der Körpermasse, dem Alter, der Herdengröße und dem Sozialverhalten angenommen werden.
Mazurek et al. (2010) beschreiben einen “Animal Welfare Index” (AWI) für den Bereich der Mutterkuhhaltung in Irland und unterscheiden die Art und die Sauberkeit des Untergrundes (Bodens) und des Laufhofes oder des Grünlandes bewertet werden. Dabei werden die in Tabelle X ausgewiesenen Score für die Bewertung als Vorgabe benannt. So sind zum Beispiel Liegematten mit langem Stroh am besten bewertet. Neben der Liegematte werden aber auch die Sauberkeit dieser Flächen und die diese Liegeflächen umgebenden Flächen mit in das Scoring einbezogen.
Score | Untergrund oder Einstreumaterial | Sauberkeit der Liegefläche | Umgebung der Liegefläche | Zustand des Grünlandes |
2,5 | Stroh > 60 mm | |||
2,0 | Stroh 30-60 mm | |||
1,5 | Hackschnitzel oder Torf | |||
1,0 | Kunststoffmatten | sauber | sauber | Guter Zustand der Narbe |
0,5 | Holzlatten / Platte | mittel | mittel | |
0,0 | Betonspalten | verdreckt | verdreckt | mittlerer Zustand mit Lücken |
-0,5 | Beton | stark verdreckt | stark verdreckt | Zertretener Bestand |
Schutz vor Nässe
Um Schutz vor Nässe zu gewährleisten, bedarf es nicht immer eines Unterstandes:
- Standortbedingungen sind ausschlaggebend für das Ausmaß des notwendigen Schutzes
- Windschutz kann an manchen Standorten auch als Schutz vor Niederschlag fungieren
- trockene Einstreu auf einer Liegematte bietet (Teil-)Schutz vor Nässe
- baulich-technische Maßnahmen (Unterstand)
- baulich-technische Maßnahmen lassen Einstreu weniger durchfeuchten
Nach Wallbaum 1996, Wassmuth et al. 1999 können Unterstände einen umfassenden Witterungsschutz bieten. Dieser sollte tiergerecht gestaltet sein, sodass er von allen Rassen aufgesucht werden kann. Bei fehlender Frischluft, Zugluft oder schlammigen Böden meiden die Tiere Unterstände und suchen andere Aufenthaltsbereiche auf.
Die offene Seite der Unterstände sollte von der Hauptwindrichtung abgewandt sein und wenn möglich, nach Süden ausgerichtet stehen. Die Wintersonne wirkt sich positiv auf die Tiergesundheit aus (KTBL-Schrift 481).
Management-Maßnahmen
Im Management gibt es folgende Punkte zu beachten:
- tägliche Kontrolle notwendig
- Erreichbarkeit der Weide auch bei widrigen Witterungsbedingungen (Tierkontrolle, Wasser-/ Futterversorgung, Einstreu)
- kontinuierliche Futter- und Wasserversorgung
- gute Körperkondition (z.B. Lendengriff, 3-4mal jährlich, siehe Abbildung 11 oder tägliche Tierbeobachtung im Hinblick auf Veränderungen der Körperkondition, weniger Stress und Unfallgefahr; Wichtig: Informationen dokumentieren! > auch als rechtliche Absicherung)
- ggf. Anpassung der Fütterung
- Anpassung der Zeit der Kalbeperiode an die betriebliche Situation
- Umgänglichkeit der Tiere/ Mensch-Tier-Beziehung/ Konditionierung mit positiven Erfahrungen (insbesondere wichtig bei Tierkontrolle, Krankheit, Kalbung etc.)
- Fang- und Fixierungsmöglichkeit insbesondere für kranke Tiere, Separationsmöglichkeit
- Betriebliche Eigenkontrolle nach § 11 (8) Tierschutzgesetz, die Informationen sind zu dokumentieren und zu bewerten (dient der rechtlichen Absicherung)
Fütterung und Tränke bei Winteraußenhaltung
Der Energiebedarf von Mutterkühen kann über den Erhaltungs- und den Leistungsbedarf sehr gut berechnet werden. In der Regel werden 75-85 MJ ME je Mutterkuh und Tag für mittelschwere Mutterkühe angegeben (DLG, 2009). Bei der ganzjährigen Außenhaltung müssen besonders im Winter die 10 % zum Erhaltungsbedarf für die vermehrte Bewegung und den Ausgleich der Temperaturen berücksichtigt werden. Neben dem Energiebedarf sollte die Futteraufnahme der Mutterkühe grob abgeschätzt werden, um die potentielle Energieaufnahme der Tiere zu kalkulieren. Die Abschätzung der Energiebilanz kann über die Bewertung des BCS erfolgen (siehe Abbildung 11), wobei eine extreme Abnahme der Körperkondition vermieden werden muss! Auf der anderen Seite kann eine deutliche Überkonditionierung ebenfalls zu negativen Folgen der Tiergesundheit oder einer Beeinflussung der Kalbung führen. Eine Konditionsanpassung bei Überkonditionierung kann über die Fütterung gesteuert werden. Ein Teil der Ration kann durch Einmischen von Stroh, überständigem Heu oder überständiger Grassilage erfolgen.
Die Aufnahme an Wasser je Mutterkuh und Tag verändert sich nach Angaben von Sporkmann et al. (2016) mit einer Reduzierung der Temperaturen nur gering. Die Autoren geben dabei Werte um die 40 Liter je Tier und Tag an. Angaben des NRC (2016) geben auch mittlere Wasseraufnahmen der Mutterkühe um 40 Liter je Tag an, wobei ab -5°C nur noch 2-3 Liter Wasser je 1 kg TM-Aufnahme angegeben werden. Bei der Bewertung der Wasseraufnahme der Mutterkühe muss der TM-Gehalt des Futters berücksichtigt werden. Grundsätzlich gilt dabei: Wasser muss ad libitum zur Verfügung stehen und die Tiere dürfen keinen langanhaltenden Durst haben!
Bei Temperaturen im Minus-Bereich ist darauf zu achten, dass die Tränkeeinrichtung nicht einfrieren kann, was durch frostfrei verlegte Leitungen oder entsprechende Tränken möglich gemacht werden muss. Tränkeeinrichtungen müssen jederzeit funktionssicher sein, eine artgemäße Wasseraufnahme ermöglichen und einfach zu reinigen sein. Unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben sind bei Dauerweiden (wenn vorhanden) die Nutzung von Fließgewässern, Quellwasser und Leitungswasser häufig die wirtschaftlichsten Varianten (KTBL-Schrift 481).
Fazit
Gesetzliche Regelungen und der Anspruch an eine tiergerechte Mutterkuhhaltung, fordern einen ausreichenden Schutz vor widrigen Witterungseinflüssen für Mutterkühe und deren Kälber. Kältebelastende Situationen lassen sich mit Hilfe eines Witterungsschutzes, trockener Liegeflächen und Tieren bei guter Körperkondition und Gesundheit meistern. Hierbei sollten mehrere geschützte Bereiche bestehen, wodurch Probleme durch Sozialverhalten vermindert werden und die Zugänglichkeit des Witterungsschutzes für alle Tiere zu jeder Tageszeit möglich ist. Es bedarf einer kontinuierlichen Futter- und Wasserversorgung der Tiere, die auch bei widrigen Witterungsverhältnissen gewährleistet sein muss – Managementanpassung. Eine Tierkontrolle muss regelmäßig erfolgen, um Anpassungsreaktionen der Tiere und des Tierverhaltens zu erkennen und reagieren zu können. Die nachfolgende Checkliste für den Winter kann von Tierhaltenden zur Vorbereitung einer Haltung von Mutterkühen und deren Kälber (teilweise oder ganzjährig) im Freien genutzt werden. Auch die betriebliche Eigenkontrolle, nach § 11 (8) Tierschutzgesetz könnte sich an der vorliegenden Checkliste orientieren:
Kontrollpunkte | Zielgröße |
Haltung | |
Witterungsschutz | Eingestreuter, möglichst trockener, windgeschützter Liegeplatz in ausreichender Größe |
Tränke | Frostsicher |
Fütterungseinrichtung | Regenschutz |
Herdenführung | |
Jungrinderaufzucht | Aufzucht im Freiland |
Kondition | Reserven im Herbst |
Tiergesundheit | Nur gesunde Tiere |
Kalbeperiode | Frühjahr |
Standort | |
Mengen-/Spurenelementversorgung | Bedarfsgerechte Gehalte im Aufwuchs |
Perspektivisch sollten geeignete tierbezogene Indikatoren erarbeitet werden, um die betriebliche Eigenkontrollen nach § 11 (8) Tierschutzgesetz umzusetzen.
Literatur
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