Möglichkeiten eines reduzierten Antibiotikaeinsatzes in der Milchviehhaltung
Onlineseminar der LFA Mecklenburg-Vorpommern informiert über Lösungen für die Praxis
Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung muss reduziert werden - das ist ein deutlich formulierter Wunsch vieler Verbraucher. Ein zu hoher Einsatz für Prävention und Behandlungen kann zu Antibiotikaresistenzen führen, auch mit Auswirkungen auf den Humanbereich. Dies verlangt ein Umdenken und einen deutlich bewussteren Umgang mit Antibiotika in der Nutztierhaltung im Allgemeinen. Außerdem sind neue Managementverfahren gefragt, die den verminderten Einsatz unterstützen. Doch welche Möglichkeiten gibt es in der Milchviehhaltung den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren? Zu dieser Thematik lud die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei (LFA) Mecklenburg-Vorpommern am 17.03.2021 zu einem Onlineseminar im Rahmen des Netzwerkes Fokus Tierwohl ein. 39 Interessierte aus ganz Deutschland schalteten sich dazu, um sich über Lösungen für die Praxis zu informieren.
Professor Volker Krömker (MSO Cattle Health, Universität Kopenhagen) zeigte auf, wann der Einsatz von Antibiotika bei Mastitis sinnvoll ist und wann sich keine Verbesserung der Eutergesundheit erzielen lässt. Vorwiegend sieht er die Aufgabe der Milchviehhalter darin, Verminderungsmöglichkeiten durch präventive Maßnahmen, wie dem konsequenten Durchsetzen eines strengen Hygienemanagements mit entsprechender Dokumentation, zu ergreifen. Dies kann eine Entwicklung und Ausbreitung der Mastitis verhindern und umgeht das Problem, sich von „Katastrophe zu Katastrophe“ zu hangeln. Die Anwendung von Schnelldiagnosetests zur Identifizierung von Keimen ist ein weiteres wertvolles Instrument, um zu ermitteln, inwiefern der Einsatz antimikrobieller Medikamente bei der Behandlung ratsam ist. Unheilbar erkrankte Tiere sollten nicht mit Antibiotika behandelt werden. Zu diesen zählen Tiere mit einer anhaltend zu hohen Zellzahl, einem gehäuften Auftreten von Mastitis oder solche, in deren Milchproben keine Keime bzw. gram-negative Bakterien nachweisbar sind.
Wie aber kann der Antibiotikaeinsatz durch veränderte Managementmaßnahmen, wie beispielsweise das selektive Trockenstellen, reduziert werden? Samira Dietze (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)) informierte dazu über das „RAST“ – Projekt (Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes durch selektives Trockenstellen). Im „RAST“-Entscheidungsbaum ist dargestellt, welche Herdenvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um beim Trockenstellen auf den herkömmlichen Einsatz von antibiotischen Trockenstellern verzichten zu können. Die Herdensammelmilchzellzahl sollte 200.000 Zellen/ml in den letzten drei Milchleistungsprüfungen nicht überschreiten und die Neuinfektionsrate in der Trockenperiode sollte bei unter 25 % liegen. Hat das Einzeltier in den letzten drei Milchleistungsprüfungen ebenfalls eine Zellzahl unter 200.000 Zellen/ml, keine klinische Mastitis und ist sowohl bei der bakteriologischen Untersuchung negativ als auch beim Schalmtest unauffällig, so kann bei diesem Tier auf den Einsatz von antibakteriellen Trockenstellern verzichtet werden. Landwirte, denen dies zu unsicher ist, können für sich selbst strengere Grenzen wählen. Wichtig ist, dieses Verfahren einmal auszuprobieren und dabei durch engmaschige Erfolgskontrollen, wie beispielsweise einen Schalmtest nach der Kalbung, streng im Blick zu behalten, wie sich die Eutergesundheit bei den Tieren ohne bakteriellen Trockensteller entwickelt.
Auch die Verlängerung der Zwischenkalbezeit gehört zu den aktuell häufig diskutierten Verfahren, um den Antibiotikaeinsatz zu senken. Dr. Anke Römer (Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei (LFA), Mecklenburg-Vorpommern) und Klaus-Dieter Augustin (Rinderzucht Augustin KG) zeigten auf, warum dieses Verfahren erfolgsversprechend sein kann. Durch die enorme Leistungssteigerung der letzten Jahre in der Deutschen Holstein Zucht werden Tiere mit teils 25 bis 30 kg Milch (Tagesleistung) trocken gestellt. Dass dies problematisch sein kann, lässt sich schnell erahnen. Tieren mit guter Persistenz in der Laktationskurve sollte daher mehr Zeit zwischen Kalbung und erster Besamung gegeben werden. Die Verlängerung der Zwischenkalbezeit bewirkt hierbei eine Verringerung der kritischen Phasen (Geburt und erster Laktationsmonat) und eine geringere Milchleistung zum Trockenstellen. Gleichzeitig verringert sich automatisch die Anzahl der Trockenstehperioden in der Gesamtnutzungsdauer je Kuh und damit reduzieren sich auch die Maßnahmen zur Mastitisprophylaxe beim Trockenstellen. Bei optimalem Fütterungsmanagement ist also von einer Minimierung des Antibiotikaeinsatzes, sowohl gesamtbetrieblich pro Herde und Kuh als auch überbetrieblich in der gesamten Milchviehhaltung, auszugehen. Herr Augustin zeigte dabei beachtliche Daten seines Betriebes auf, wo dieses Verfahren schon seit langer Zeit erfolgreich umgesetzt wird. Er musste dabei keine erhöhten Abgänge wegen Unfruchtbarkeit oder Verfettung in Kauf nehmen.
Autorin: Patricia Lößner, Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern