Ein tierwohlgerechter Stall für Milchkühe - Der Kompostierungsstall

Wie ein Kompostierungsstall funktioniert, was bei der Bewirtschaftung beachtet werden muss und wie die Tiere solch einen Stall finden war Thema einer Online-Veranstaltung der Landwirtschaftskammer Hamburg im Rahmen des Projektes Netzwerk Fokus Tierwohl.
Über 50 Teilnehmende folgten den Ausführungen von Sibylle Möcklinghoff-Wicke, (Innovationsteam Milch der Landesvereinigung Milch Hessen e.V.) die das Onlineseminar mit einer Umfrage zu den Vorkenntnissen startete. Dreiviertel der Zuhörenden gaben dabei an, bereits mit dem System vertraut zu sein bzw. schon einmal einen Kompostierungsstall gesehen haben und daher an mehr Informationen interessiert zu sein.
Die Referentin machte zu Beginn deutlich, dass Ställe früher meist nicht im Sinne des Tierwohls gebaut wurden, sondern um den Menschen die Arbeit zu erleichtern - das Wohlergehen der Tiere blieb dabei oft auf der Strecke. Hier kam die Suche nach alternativen Haltungssystemen - wie dem Kompostierungsstall - ins Spiel. Er stammt ursprünglich aus Israel und wurde in Europa von niederländischen Betrieben angepasst und gelangte somit auch nach Deutschland.
Von der Bauweise her handelt es sich beim Kompostierungsstall mehr oder weniger um einen herkömmlichen Zweiraumlaufstall mit befestigtem Fressgang (Spalten oder planbefestigter Laufbereich) und freier Liegefläche. Dabei wird darauf geachtet, dass die Liegefläche mit ca. 9-15 m² pro Kuh ausreichend Platz bietet.Die Liegefläche des Stalls wird aber nicht mit Stroh eingestreut. Es soll dann ein aerober Umsetzungsprozess (Kompostierung) des organischen Materials ablaufen. Für einen guten Kompostierungsprozess werden organische Masse, Mineralien, Wasser und Mikroorganismen benötigt. Während der Zersetzung werden Wasser, NH3, CO2, N2O und Wärme freigesetzt. Kompostierungsflächen sind schon fast ein „lebendiges Wesen“, welches optimal betreut werden muss, so die Referentin. Dafür muss vor allem das Verhältnis von Stickstoff (Kot und Harn) zu Kohlenstoff (Einstreu wie z.B. Sägespäne oder Dinkelspelzen) sowie die Luftfeuchte und –temperatur im Auge behalten werden.
Es ergeben sich einige Vorteile des Haltungssystems:
- Wärmeentwicklung in den unteren Kompostierungsschichten sichert trockene Oberfläche
- Reduzierung von hitzeempfindlichen Bakterien
- Verringerung des Volumens (durch Zersetzungsprozess)
Was muss aus baulicher Sicht bei einem Kompostierungsstall beachtet werden?
Für den Kompostierungsstall können unterschiedlichste Gebäude genutzt werden, z.B. eine Halle oder ein Gewächshaus. Wichtig ist ein befestigter Fressgang und eine freie Liegefläche. Eine Befahrbarkeit mit Maschinen ist Voraussetzung. Das Gebäude sollte nicht verwinkelt oder mit vielen Stützen versehen sein, weil das die Bearbeitung der eingestreuten Fläche erheblich erschwert. Eine maximale natürliche Lüftung (evtl. Unterstützung mit Ventilatoren) sowie ein Dachüberstand und Seitenwände sind erforderlich.
Eine wichtige Frage, die im Zusammenhang mit dem Haltungssystem aufkommt, ist die nach dem geeigneten Einstreumaterial. Die Referentin empfiehlt Säge-/Hobelspäne für einen optimalen Kompostierungserfolg oder auch Hackschnitzel. Die Mengenangaben variieren in Abhängigkeit vom verwendeten Substrat zwischen 8 und 25 m³pro Kuh und Jahr. Die Anforderungen an die Einstreu sind u.a. ein weites C: N-Verhältnis, da die Mikroben für den Stoffwechselprozess viel Kohlenstoff benötigen (z.B.: Hobelspäne 600:1).
Geeignet sind alle Holzarten außer stark ölhaltige Arten wie z.B. Zirben oder Zirbelkiefer. Alternativ können auch Dinkelspelze, Rindenmulch oder auch Beimischungen von Stroharten genutzt werden. Zu Beginn wird der Stall mit einer Schicht von 20-30 cm eingestreut, nachgestreut wird mit 8-10 cm Schichten (abhängig von der Feuchte). Eine ideale Einstreu ist trocken und weist Partikel in einer Größe von 2,5 cm auf und hat eine gute Absorption- und Wasserhaltekraft.
Kompostierungsliegefläche richtig planen und managen
Ein Kompostierungsstall bietet im Vergleich mit einem Liegeboxenlaufstall bei gleichen Grundmaßen deutlich weniger Tieren Platz. Letzterer bietet mit 2,5 m² Liegeflächen/Tier auf der gleichen Grundfläche Platz für 70 Kühe. Der Kompostierungsstall benötigt pro Tier hingegen eine Liegefläche von 9,5 m²; somit können auf der gleichen Fläche nur ca. 30 Kühe gehalten werden.
Das Liegeflächenmanagement ist das Kernstück des Stalls. Für die Kühe bietet das System, wie alle anderen Haltungssysteme mit einer freien Liegefläche, ein freies Abliegen und Aufstehen ohne Einschränkungen, wie es z.B. auch auf der Weide möglich ist. Die Liegefläche muss regelmäßig bearbeitet, d.h. belüftet, aufgelockert, eingeebnet und durchmischt werden. Dadurch wird Sauerstoff eingebracht sowie Kot und Urin eingearbeitet. Der warme Kompost wird an die Oberfläche befördert und bietet eine saubere, trockene und weiche Liegefläche für alle Kühe. Die Tränken sollten so angebracht werden, dass die Kühe diese vom Fressgang erreichen können, um so eine zu starke Durchfeuchtung der Kompostierungsfläche zu vermeiden.
Um die Verdunstungsrate zu erhöhen und damit den Kompostierungsvorgang zu verbessern, ist eine Unterflurbelüftung von Vorteil. Bei guten Luftverhältnissen und einer regelmäßigen Auflockerung z.B. mit einem Grubber mit passendem Einstreusubstrat ist das aber nicht für jeden Stall notwendig. Für die zusätzliche Lüftung werden im Betonboden im Abstand von 1,5 - 2 m Lüftungsrohre verlegt. Ein stirnseitig angebrachtes Gebläse befördert die Luft über die Rohre von unten in die Kompostierungsfläche.
Zur Überprüfung des Kompostierungsprozesses kann die Temperatur in den tiefen Schichten gemessen werden. So sollte in ca. 20 bis 30 cm Tiefe eine Temperatur von 45 bis 60°C erreicht werden. Das Substrat in dieser Tiefe sollte noch so warm sein, dass es man es nicht lange anfassen will, d.h. über 42°C. Der Feuchtegehalt liegt optimaler Weise bei 45 % bis 55%. Zur Feuchtebestimmung kann ein einfacher Test mit der Hand durchgeführt werden: lässt sich ein Ball formen und Wasser ausdrücken, ist die Fläche zu nass - frisches Einstreumaterial sollte zugegeben werden. Das Einstreumaterial im Kompostierungsstall sollte stets locker sein. Zur Beurteilung eignet sich eine subjektive Einschätzung, der lockeren Struktur beim Laufen der Kühe in der Fläche.
Tiergerechtheit des alternativen Haltungssystems
Die Referentin führte an, dass Kühe in einem Kompostierungsstall weniger Lahmheiten (4,4%) als in Sandliegeboxen (13,1%) (Lobeck et al., 2011), weniger Verletzungen und weniger geschwollene Gelenke (Van Gastelen et al., 2011) sowie einen geringen Verschmutzungsgrad (Ofner-Schröck et al., 2013) aufweisen. Ausschlaggebend ist hierfür allerdings das Liegeflächenmanagement. In Kompostierungsställen konnten nur wenig stehende Kühe auf der Liegefläche und keine Meidung der Liegefläche bei wärmeren Temperaturen (Ofner-Schröck et al., 2013) beobachtet werden. Forschungsarbeiten zeigen insgesamt, dass der Kompostierungsstall einen positiven Einfluss auf Lahmheiten, Sauberkeit, Eutergesundheit und Milchleistung haben kann (Back et al. 2013; Barberg et al. 2007; Van Gestelen et al. 2007).
Erfahrungen aus der Praxis
Nachdem Frau Möcklinghoff-Wicke den Teilnehmenden einen umfangreichen Einblick in das System Kompostierungsstall gab, folgte ein Praxisbericht von Claas Blendermann, Betriebsleiter auf dem Hof „Auf der Lieth“.
Der Betriebsleiter führte die Teilnehmenden virtuell durch seinen Stall. Auf verschiedene Bilder zeigte er seinen 2018 erbauten Kompostierungsstall für 100 Milchkühe. Den Kühen steht eine mit Hackschnitzeln gestreute Liegefläche von 1.600 m² zur Verfügung.
Herr Blendermann hat in seinem Stall eine Unterflurbelüftung eingebaut, bestehend aus acht Belüftungsrohren. Mit rund zwei Belüftungslöcher je m² Liegefläche führen die Rohre der Einstreu in Intervallen Sauerstoff zu, um dem Umsetzungsprozess zu fördern. Um die Liegefläche zu durchlüften und einzuebnen, nutzt der Betrieb eine Kulturegge. Hierfür eignet sich aber auch ein Grubber oder eine Fräse. Nachgestreut wird mit einem Miststreuer, der die Hackschnitzel frei über die Liegefläche verteilt.
Der Genehmigungsprozess eines solchen Stalls verlaufe, laut dem Agraringenieur, ähnlich wie bei einem Liegeboxenlaufstall. Jedoch betonte er, dass es schwierig sei, für den Kompostierungsstall einen geeigneten Architekten zu finden. Das Bauamt hingegen war sehr begeistert und begrüßte den Bau des Kompostierungsstalls. Mit einigen Videos und Fotos aus dem Betrieb machte der Betriebsleiter deutlich, wie entspannt die Kühe auf der Hackschnitzel-Liegefläche schlafen und ruhen. Ebenfalls wurde der mit Spaltenboden ausgelegten Fressbereich; ein 7 Meter breiten First, der viel Licht in den Stall bringt und die offene Ostseite, welche noch mit einem Windschutznetz versehen werden soll, gezeigt. Eine Abtrennung zwischen dem Fressbereich und dem Liegebereich ermöglicht eine Separation der Tiere während der Bearbeitung der Liegefläche. Im Sommer bringen die zwei im Stall angebrachten Ventilatoren mit einem Durchmesser von sieben Metern zusätzliche Abkühlung für die Kühe. Der Betriebsleiter bestätigte, einen solchen Stall jederzeit wieder zu bauen, da er von dem hohen Tierkomfort und der guten Tiergesundheit in diesem System überzeugt ist.
Autorin: Hanna Kothenschulte, Landwirtschaftskammer Hamburg