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Fangen und Verladen von Althennen

Ein Sachstandsbericht

Stand: April 2025

  • Dr. Isa Kernberger-Fischer
  • Hannah Kanwischer
  • Dominik Jacobs

Der vorliegende Artikel soll ein Sachstandsbericht sein, um die aktuelle Situation beim Fangen und Verladen, insbesondere von Althennen, darzustellen. Es werden keine Empfehlungen hinsichtlich einer bestimmten, zu präferierenden Fang- und Verlademethode ausgesprochen.

Einleitung

Wenn Legehennen das Ende ihres Produktionszyklus nach ca. 70 bis 100 Lebenswochen erreicht haben, werden sie als „Althennen“ von Verladeunternehmen mit sogenannten „Fängerkolonnen“ oder mit betriebsnahen Personen in spezielle Transportkisten (Abb. 1) verladen und anschließend zum Schlachthof transportiert.
Werden die Tiere von externen Unternehmen gefangen, muss sichergestellt sein, dass die Kolonnenführung qualifiziert, geschult und geprüft ist. Dazu gehört insbesondere, dass sich der/die Tierhalter:in, von der oder dem Verantwortlichen für die Verladekolonne (sog. Kolonnenführer:in), oder der Stellvertretung die Bescheinigung über die bestandene Sachkundeprüfung vorzeigen lässt. Zusätzlich müssen die Fänger:innen im tierschonenden Umgang beim Fangen und Verladen unterwiesen worden sein (für Niedersachsen vgl. GflSKRdErl8 [Geflügel-Sachkunde-Runderlass] RdErl. d. ML v. 27. 9. 2022 - VIS 204-2642/2022). Der Name der Kolonnenführung, sowie die Namen aller Fänger:innen müssen schriftlich festgehalten werden. Zusätzlich haben die Kolonnenführung und die Fänger:innen ihre Sachkunde vor Fangbeginn durch Unterschrift, z.B. im Verladeprotokoll, zu bestätigen (vgl. Verladeprotokoll - Anlage 7 des GflSKRdErl8). Tierhaltende, die das Fangen und Verladen mit eigenen Arbeitskräften durchführen, sind dafür verantwortlich, dass diese Personen in angemessener Weise tierschonend mit den Tieren umgehen. Aus § 2 Nr. 1 des TSchG ergibt sich die Verantwortung für die Tiere, solange sich diese auf dem Betrieb befinden. Hieraus ergibt sich auch eine Anwesenheitspflicht während der Verladung.

Legehennen werden meist in Volieren gehalten, was durch das Angebot erhöhter Ebenen für das Ausleben natürlicher Verhaltensweisen und damit das Tierwohl von Vorteil ist (Abb. 2). Beim Ausstallen stellt dieses Haltungssystem jedoch eine Herausforderung durch die perforierten Ebenen im Stall und durch den begrenzten Platz zur freien Bewegung für Menschen dar. Das Fangen, die Verladung und der Transport gehen für die Tiere mit Stress und körperlicher Belastung einher16. Um den Tieren möglichst wenig zusätzlichen Stress zu bereiten, findet die sogenannte „Ausstallung“ idealerweise nachts, wenn sich die Hennen im Haltungssystem des Stalls aufhalten, oder zumindest in einem abgedunkelten Stall statt. Die Fänger:innen tragen Stirnlampen mit Blaulicht, um die Tiere möglichst wenig zu stören und gleichzeitig trotzdem etwas sehen zu können.

In der Praxis werden die Tiere aktuell meist an einem Bein aus der Voliere gezogen und überkopf in Paaren von 2 bis 3 Tieren je Hand (Abb. 3) in die Transportkisten gesetzt, wo je nach Gewicht der Tiere und Absprache mit dem Schlachthof eine unterschiedliche Anzahl an Tieren Platz findet. Bei Hitzeperioden, insbesondere bei längeren Transportdauern (über 8 Stunden), sollten Ausstallung und Transport in die kühleren Nachtstunden verlegt werden13. Ist dies nicht möglich, ist die Ladedichte um 10 − 20 % zu reduzieren. Diesbezüglich ist eine enge Abstimmung mit dem aufnehmenden Betrieb / Schlachthof erforderlich. Standzeiten und damit Hitzestau der Tiere sind zu vermeiden. Verfügt der abholende LKW über eigene Ventilatoren, sollten diese zur Kühlung der bereits verladenen Tiere genutzt werden, ggf. sind betriebseigene Zusatzlüfter bei der Verladung aufzustellen8,9.

In der Regel werden die Tiere von einem Fänger, der die Tiere aus den einzelnen Ebenen des Volierensystems greift, einem anderen Fänger angereicht, der die Tiere wiederum in die Transportkisten setzt. Diese lassen sich bei Legehennen meist von oben und von der Seite befüllen (Abb. 1). Idealerweise stehen die Kisten dicht bei den Tieren, um die Strecke des Tragens kurz zu halten. Aufgrund der schmalen Bauweise vieler aktuell verbauter Volieren kann dies in der Praxis allerdings häufig nicht so praktiziert werden, sodass die Tiere überkopf bis zu den Kisten außerhalb des Tierbereichs getragen werden müssen. Nach dem Fangen der Tiere werden in Deutschland üblicherweise bis zu 10 befüllte Kisten übereinandergestapelt und auf dem LKW verladen.

Diese etablierte Methode ist derzeit Gegenstand kontroverser Diskussionen, da diese zu mehr Stress und einem erhöhten Verletzungsrisiko bei den Tieren führt4,16. Ebenfalls wird argumentiert, dass sich auf Grund des fehlenden Zwerchfells bei Vögeln die Organe in der Leibeshöhle der Tiere beim Überkopftragen in den Brustraum verlagern können, wodurch eine Kompression der Luftsäcke und damit eine Behinderung der Atmung eintreten kann4,5,6,12. Dies ist aktuell noch weiter Gegenstand der Forschung.
Zudem erschwert der natürliche Greifreflex der Hühner das Hochheben und Entnehmen von den Sitzstangen. Wenn die Tiere auf den Sitzstangen sitzen, umgreifen sie reflexartig mit den Zehen die Sitzstange und lösen dies erst wieder durch das Aufrichten und Strecken der Ständer. Wird diese Sitzposition inkorrekt aufgelöst, kann es zu Verletzungen kommen11. Konventionell gefangene Tiere haben zudem ein höheres Risiko für Verletzungen an den Ständern16.
 

Ziel des vorliegenden Artikels ist es daher, eine Übersicht über die verschiedenen Fangmethoden von Legehennen unter Berücksichtigung von Tierwohl, Ökonomie und Arbeitsschutz zu geben. Während in dem Artikel meist von Althennen gesprochen wird, gelten die gleichen Herausforderungen für das Verladen und den Transport von Junghennen.

Rechtliche Einordnung

In der EU-Verordnung (EG) Nr. 1/2005 wird die Beförderung von Tieren als „der gesamte Transportvorgang vom Versand- zum Bestimmungsort, einschließlich des Entladens, Unterbringens und Verladens an Zwischenstationen definiert“ (Kap. I Art. 2 lit. j) VO (EG) Nr. 1/2005). Zusätzlich schließt der Vorgang des Transports „jede Bewegung von Tieren in einem oder mehreren Transportmitteln sowie alle damit zusammenhängenden Vorgänge, einschließlich des Verladens, Entladens, Umladens und Ruhens, bis zum Ende des Entladens der Tiere am Bestimmungsort“ ein (Kap. I Art. 2 lit. w) VO (EG) Nr. 1/2005). Gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 1 VO (EG) Nr. 1/2005 darf „Niemand (…) eine Tierbeförderung durchführen oder veranlassen, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten“. Nachdem die Beförderung laut EU-Verordnung (EG) Nr. 1/2005 das Verladen und damit zusammenhängende Vorgänge einschließt, darf die Beförderung nicht stattfinden, wenn es bereits hier zu Leiden oder Verletzungen kommen könnte. Darüber hinaus wird die Verordnung in Anhang I Kap. III Nr. 1.8 lit d dahingehend noch konkreter mit der Forderung: „es ist verboten, Tiere an (…) Beinen … hochzuzerren oder zu ziehen oder so zu behandeln, dass ihnen unnötige Schmerzen oder Leiden zugefügt werden.“

Durch das aufrechte Fangen ist mit einer längeren Fangdauer zu rechnen, wenn der Personalbedarf nicht adäquat erhöht werden kann. Dadurch würde sich die Zeit der Tiere in den Transportkisten entsprechend erhöhen7. Im Gegensatz zu Rindern und Schweinen, die jeweils nur acht Stunden bzw. bei Temperaturen über 30 Grad 4,5 Stunden transportiert werden dürfen („Nutztiere (dürfen) im Rahmen innerstaatlicher Transporte zu einem Schlachtbetrieb nicht länger als acht Stunden befördert werden. Abweichend von Satz 1 darf die Beförderung nicht länger als viereinhalb Stunden dauern, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Außentemperatur während der Beförderung zu keinem Zeitpunkt mehr als 30 Grad Celsius beträgt.“ (TierSchTrV § 10 Abs. 1)), gilt beim Geflügel ein Zeitraum von 12 Stunden („Geflügel, Hausvögel und Hauskaninchen müssen mit geeignetem Futter und Frischwasser in angemessenen Mengen versorgt werden, es sei denn, die Beförderung dauert weniger als a) 12 Stunden, Verlade- und Entladezeit nicht mitgerechnet.“ (EU-Verordnung (EG) Nr. 1/2005 Anhang I Kap. V Abschnitt 2.1a)). Diese 12 Stunden beginnen jedoch erst, wenn der beladene LKW den Hof verlässt und nicht wie bei anderen Nutztieren, wenn das erste Tier auf den LKW verladen wird und enden entsprechend, wenn das letzte ihn verlässt. Dauert das Fangen und Verladen der Hennen durch das aufrechte Fangen also länger, verlängert sich die Verweildauer in den Transportkisten und die damit verbundenen Einschränkungen um den entsprechenden Faktor. Bei moderaten Temperaturen kann dies bereits zu Problemen führen, da die Tiere in dieser Zeit keinen Zugang zu Wasser haben und auch die Zeit ohne Futter entsprechend verlängert wird. Bei extremen Temperaturen, wie sie durch den Klimawandel in Zukunft häufiger zu erwarten sind, steigt auch das Risiko für Hitze- und Kältestress9.

Wissenschaftliche Einordnung

Das AHAW (Scientific Panel on Animal Health and Welfare) der EFSA (European Food Safety Authority) schreibt zur aktuellen Praxis des Überkopffangens: „Das Umdrehen und Tragen von Vögeln an den Beinen erhöht mit 90 - 100-prozentiger Sicherheit die Schwere der Handhabungsbelastung und mit 66 - 100-prozentiger Sicherheit das Verletzungsrisiko (Ausrenken von Gelenken, Brüche in Beinen oder Flügeln oder Blutergüssen) im Vergleich zum Tragen von Vögeln in einer aufrechten Position"5.

Darstellung verschiedener Fangmethoden in Studien

Studie aus der Schweiz

Nachdem Eyes on Animals (EoA) 2023 das aufrechte Fangen dem Verband Schweizer Tierschutz (STS) nähergebracht hatte, startete das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) zusammen mit KAGfreiland Anfang 2024 ein Projekt im Bereich der Geflügelschlachtung. Das Projekt „Tierwohl bis zum letzten Flügelschlag“ hat zum Ziel, den Stress beim Geflügel vom Ausstallen bis zur Schlachtung zu reduzieren. Dazu wird unter anderem daran gearbeitet die Ausstallung von Legehennen zu optimieren, indem zusammen mit Landwirt:innen schonendere Ausstallmethoden erarbeitet und in der Praxis getestet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass das Fangen mit der Methode von EoA in Ställen mit Platz für 2000 Tiere 1,2 − 1,3-mal so lange dauert wie das konventionelle Überkopffangen10. Um diese Zeit zu erreichen, schreiben die Wissenschaftler:innen, dass die Transportkisten bereits am Vorabend vom Schlachthof geliefert werden und die Gänge von Einstreu befreit sein müssen, damit die auf Rollwagen gestapelten Kisten direkt an die Volieren gefahren werden können. Beim Fangen saßen zwei Fänger:innen auf den Volieren, griffen die Tiere und gaben sie den Packer:innen an, die die Althennen aufrecht in die Kisten setzten. Des Weiteren ist zu beachten, dass die o. g. Mehrzeit in diesem Versuch nicht die Zeit beinhaltet, die es braucht, die Kisten zu holen. Der betreffende Landwirt hatte in der Schweizer Studie bereits am Vorabend selbst die Kisten in den Stall verbracht und die dafür benötigte Zeit wurde nicht in die Mehrzeit des Fangens einberechnet14.

Studie aus Belgien

In einer Studie aus Belgien dauerte das Fangen von 1000 Hennen mit der aufrechten Fangmethode etwa 1,72-mal so lange wie das Überkopffangen. Folglich wäre diese Fangmethode 1,8-mal teurer als das Überkopffangen, was in der belgischen Studie einen Aufpreis von 0,05 ct pro Ei bedeuten würde. Für die Tiere verlängerte sich damit auch die Verweildauer in den Transportkisten um den entsprechenden Faktor7.

Erfahrungen aus den Niederlanden

Nach einer Klage der niederländischen Tierschutzorganisation „Wakker Dier“ beim Bezirksgericht Rotterdam 2022 setzte das Gericht durch, dass Geflügel von nun an aufrecht gefangen und zu den Transportkisten gebracht werden muss (ROT 22/2933, 22/2935, 22/29361). Die Tierschutzorganisation „Eyes on Animals“ schult bereits Verladeunternehmen und betriebseigenes Fangpersonal mit der aufrechten Fangmethode. Bei dieser werden maximal zwei Hennen gleichzeitig mit einem Griff um Flügel und Brust hochgehoben und aufrecht in die seitliche Öffnung der Transportkiste befördert (Abb. 4).

 

Um den Zeitfaktor beim Aufrechten Fangen zu verringern, werden aktuell verschiedene Methoden untersucht, um die benötigte Zeit möglichst der des Überkopffangens anzugleichen.

Praxisberichte zu verschiedenen Fangmethoden

Fangen der Tiere mit Kaltscharraum und Überkopftransport zum LKW

2 – 4 Tage vor der geplanten Ausstallung werden die Hennen mit Weizenkörnern vermehrt im Kaltscharraum angefüttert, um die Anzahl der Tiere dort zu erhöhen. Am Tag der Schlachtung werden bei Freilandhaltung die Klappen zum Auslauf geschlossen gehalten, sodass sich die Tiere nur im Kaltscharrraum und im Volierensystem aufhalten können. Auf Grund der Notwendigkeit zur nüchternen Verladung vor der Schlachtung14, haben die Tiere keinen Zugang zu Futter, müssen jedoch bis kurz vor der Ausstallung Zugang zu Wasser haben (§13 Abs. 5 Nr. 3 TierSchNuztV).
Bei dieser Methode sind die Althennen im Kaltscharraum ohne Versteckmöglichkeiten leichter zu finden, sodass ein ruhigerer Umgang mit den Tieren beim Fangen möglich ist. Des Weiteren sinkt für die Tiere im Kaltscharraum das Verletzungsrisiko durch das unterbleibende Auflösen des Greifreflexes, da die Althennen auf dem Boden sitzen und nicht in der Voliere auf den Stangen.
Da sich jedoch einige Hennen über einen längeren Zeitraum im Kaltscharraum befinden, ist die Besatzdichte pro Quadratmeter (qm) Stallbodenfläche meist deutlich erhöht und liegt über den rechtlich vorgeschriebenen Werten. Dies trifft auch auf die Tränke- und Futtersituation zu, besonders während der Wartezeit im Kaltscharrraum vor Verladung, sodass die Anforderungen der TierSchNutztV für alle Hennen einen dauerhaft freien Zugang zu Wasser (und Futter) zu gewährleisten, nicht sichergestellt werden können. Überdies sitzen auch bei dieser Methode Hennen im Volierensystem, sodass dort mit bisherigen Methoden gefangen werden muss.
Ist es bei Verladebeginn noch nicht komplett dunkel, z. B. im Sommer, empfiehlt es sich den Stall-, bzw. Fangbereich künstlich abzudunkeln. Dies stellt die Betriebe beim Fangen im Kaltscharraum jedoch vor Herausforderungen, da hier eine sehr große Fläche der Außenwand des Stalls abgedunkelt werden müsste. Zusätzlich müssen die vollen Kisten zum LKW transportiert werden, wodurch hier eine Abdunkelung des Tors, bzw. der Tür erforderlich wäre. Darüber hinaus müssen die Tiere in Kleingruppen mit festen, dunklen Wänden aus z. B. verbundenen Multiplexplatten zusammengetrieben werden, um das Fangen zu erleichtern. Gerade wenn der Stall sich nicht abdunkeln lässt, kann dies schnell zu Unruhe und Ausbruchsversuchen der Tiere führen. Zu beachten ist auch, dass sich nicht alle Herden gleich gut auf diese Art fangen lassen. In bis dato unveröffentlichten Versuchen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wurde festgestellt, dass sich z. B. braune Herden deutlich leichter im Kaltscharraum fangen lassen als weiße Herden.
Werden die Kisten nicht direkt ans Tier gebracht, besteht bei dieser Methode weiterhin die Problematik, dass die Tiere an zwei bzw. nur einem Ständer gefangen und zu den Kisten getragen werden müssen.

Fangen der Tiere im Kaltscharraum mit den Kisten am Tier

An sich gelten bei dieser Methode die gleichen Punkte wie bereits oben beschrieben. Um das Fangen der Tiere im Kaltscharraum durch das Vermeiden des Überkopffangens tiergerechter zu gestalten, empfiehlt es sich die Transportkisten vom LKW abzuladen und in unmittelbare Nähe der zu fangenden Tiere zu bringen. Zum einen gibt es so kürzere Transportwege, sodass das Fangpersonal weniger laufen muss und sich deren Arbeitsstunden verkürzen können. Zum anderen ist es so eher möglich, die Tiere von einer Person aufrecht zu fangen und diese im nächsten Arbeitsschritt aufrecht in die Kisten setzen zu können. Studien zeigen7,10,11,15, dass die Tiere beim aufrechten Fangen weniger mit den Flügeln schlagen und insgesamt ruhiger scheinen. Da die Kisten in unmittelbarer Nähe des Fangortes stehen, entfällt die Übergabe an einen zweiten Fänger und das Anreichen auf den LKW.
 

Fangen der Tiere in der Voliere mit abgesperrter oberer und unterer Ebene

Um die Tiere in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen, werden als weitere Fangmöglichkeit in manchen Volieren die oberen und unteren Ebenen abgesperrt. Die Tiere werden dann regulär in den Volieren gefangen. Durch das Absperren der oberen Volierenebene ist die Arbeitssicherheit für das Fangpersonal deutlich erhöht, da das Besteigen der Volieren entfällt. Die Möglichkeit zur Absperrung der oberen Ebene ist jedoch nicht bei allen Volieren möglich. Weiter ist es so leichter möglich die Tiere aufrecht mit beiden Händen am Tier zu fangen, da nicht eine Hand zum Festhalten an der Voliere benötigt wird. Das Absperren der unteren Ebene wird hingegen weitestgehend auch in Deutschland praktiziert.
In Deutschland stellt sich bei Absperrung beider Ebenen das Problem einer zeitweisen Überschreitung der nach TierSchNutztV maximal zulässigen Besatzdichte durch die Reduzierung der nutzbaren Stallfläche einschließlich Sitzplätze, sowie der Unterschreitung der erforderlichen Anzahl der Futter- / Tränkeplätze. Obwohl die Hennen zwar weitestgehend in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben, kann auch diese Methode eine Belastungssituation durch den versperrten Zugang zu den regulären Sitzbereichen darstellen.

Aufrechtes Fangen der Tiere in der Voliere

Bei dieser Fangmethode verbleiben die Tiere in ihrer gewohnten Umgebung und es kommt, da alle Sitzplätze dauerhaft zugänglich bleiben, zu keinem Konflikt mit der TierSchNutzV auf Grund zu hoher Besatzdichten. Wenn es logistisch machbar ist und die Kisten nahe an die Tiere verbracht werden können (Abb. 4 links), reduziert dies die Zeitspanne, in der die Tiere direkten Kontakt mit dem Fangpersonal haben. Auch scheinen die Tiere ruhiger beim Fangen zu sein6,10,11,15. Bei sehr tiefen Volieren ist es jedoch nicht immer möglich, alle Hennen von vorne aufrecht zu greifen, wenn sich diese hinten in den Volieren befinden. Demnach muss eine weitere Person zwischen dem vorderen Teil der Voliere und den Nestern platziert werden, die Tiere fangen und seitlich gedreht nach vorne reichen. Dies erhöht das Risiko von Verletzungen durch z. B. Verhaken am Gitter bei den Hennen und dem Personal. Des Weiteren besteht die Gefahr von Quetschungen durch das Nachvornereichen innerhalb der engen Systeme. Auch ist die obere Etage teilweise zu eng, um die Tiere komplett aufrecht zu fangen. Wie weiter oben in der Schweizer Studie beschrieben, klettert bei dieser Methode mit manuellem Fangen mindestens ein:e Fänger:in in die oberste Volierenetage und reicht die Tiere nach unten weiter (Abb. 4 rechts). Während es auch hier technische Systeme mit Hubbühnen gibt, finden diese aus stallbaulichen, oder ökonomischen Gründen selten Anwendung.
Beim konventionellen Fangen ist es dabei möglich sich mit einer Hand an den Volieren festzuhalten, dies ist beim aufrechten Fangen mit zwei Händen jedoch nicht möglich, was ein Problem für die Arbeitssicherheit darstellen kann.

Ökonomische Einordnung

Aufgrund der Agilität der Hennen und der baulichen Beschränkungen der Wintergärten werden Hennen per Hand und nicht wie in der Broiler- und Putenmast verbreiteter mit Fangmaschinen ausgestallt.
Während in den Beschreibungen der vorgestellten Methoden primär auf das Tierwohl und die Arbeitssicherheit eingegangen wurde, ist ein häufiges Argument gegen das aufrechte Fangen, dass dieses zu teuer sei. In der belgischen Studie wurden die Mehrkosten pro Ei mit 0,05 ct beziffert7, was vernachlässigbar wäre. Allerdings wurde diese Studie in Belgien durchgeführt, sodass die Ergebnisse eventuell nicht unmittelbar auf die Verhältnisse in Deutschland übertragen werden können. Weiter werden bei dieser Berechnungsmethode die Mehrkosten des aufrechten Fangens, vergleichbar zur Aufzucht der Bruderhähne, oder der Geschlechtsbestimmung im Ei, erneut auf den Eierpreis umgelegt. Aktuell bringt eine Althenne etwa 25 - 38 ct pro kg Lebendgewicht (LWK Niedersachsen, Sachgebiet Markt). Das konventionelle Fangen kostet derzeit etwa 25 ct pro Tier und das aufrechte Fangen bis zu 50 ct pro Tier. Die Preise für das Fangen und Verladen variieren grundsätzlich stark. Je nach Personalbedarf und deren Erfahrung, der Art der Volieren, der Größe der Herde und damit einhergehenden etwaigen Ermüdung des Personals kann das Fangen und Verladen unterschiedlich lange dauern, was die Fangkosten beeinflusst.

Fazit

Festzuhalten ist, dass die konventionelle Überkopffangmethode nach dem Urteil aus Rotterdam (ROT 22/2933, 22/2935, 22/29361) und der EFSA-Studie 20224 aktuell kontrovers diskutiert wird. Wie geschildert, gibt es verschiedene tierschutzfachliche Kritikpunkte an den aktuellen Fang- und Verladepraktiken von Althennen. Für viele Betriebe stellt sich zudem die Frage, wie sich das aufrechte Fangen bei den üblichen Bestandsgrößen, dem hohen Zeit- und Kostendruck, dem geringen Wert der Althennen und den z. T. stark verbauten und sehr unterschiedlichen Volieren und anderen Haltungssystemen, auch unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzes, finanziell umsetzen lässt.

Weiterhin ist die erwartbare Verlängerung der Verweildauer der Althennen in den Kisten7 (Studie Schweiz, zumindest bei gleichbleibenden Fangpersonalzahlen, bei ohnehin teilweise sehr langen Transporten zum Schlachtbetrieb kritisch zu hinterfragen, insbesondere bei Extremwetter. Eine Erhöhung des Fangpersonals um diese Zeit zu verkürzen, würde die Kosten für das Fangen zusätzlich ansteigen lassen, könnte jedoch den Zeitfaktor verringern.
Bei allen bekannten Fangmethoden ist die körperliche Belastung des Verladepersonals bedeutend und muss ebenfalls in die Kalkulation der Personenzahl mit einberechnet werden.

Ausblick in die Zukunft

All diese Fragen müssen in Zukunft bei der Planung neuer Volieren-Anlagen verstärkt berücksichtigt werden. Eine mögliche Herangehensweise für die Zukunft wäre, in jedem Fall die Kisten möglichst nahe zum Tier zu bringen und mehr Personal zum Fangen einzusetzen. Alle Tiere, die sich leicht aufrecht fangen lassen, werden aufrecht gefangen. Bei den Tieren, die nicht aufrecht zu fangen sind, wird jeweils an zwei Beinen über dem Tarsalgelenk gefasst und nach Möglichkeit am Brustbein unterstützt. Das hat automatische eine Reduzierung der zu fangenden Tiere pro Hand zur Folge. Bei allen Fangmethoden sollte die oberste Priorität auf dem Fangen in der Nacht und im System liegen, sowie einer ausreichenden Einweisung des Personals: Nötig ist eine Sensibilisierung der Hilfskräfte, sowie eine angemessene Vorbereitung des Stalls. Der Mist, beziehungsweise die Einstreu, muss aus dem Stall entfernt und der Kaltscharrraum gemistet sein, damit die Kisten auf Rollwagen durch die Durchgangsöffnungen zu den Tieren in die Anlage geschoben und von dort aus wieder abtransportiert werden können. Eine gute Vorbereitung und Organisation des Fangprozesses helfen am Ende Mensch und Tier.

Literatur

  1. Bezirksgericht Rotterdam (24.11.2022) ROT 22/2933, 22/2935, 22/2936
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  5. EFSA AHAW Panel (EFSA Panel on Animal Health and Welfare), Nielsen SS, Alvarez J, Bicout DJ, Calistri P, Canali E, Drewe JA, Garin-Bastuji B, Gonzales Rojas JL, Gortázar Schmidt C, Herskin M, Michel V, Miranda Chueca MA, Padalino B, Roberts HC, Spoolder H, Stahl K, Viltrop A, Winckler C, Mitchell M, James Vinco L, Voslarova E, Candiani D, Mosbach-Schulz O, Van der Stede Y and Velarde A, 2022. Scientific Opinion on the welfare of domestic birds and rabbits transported in containers. EFSA Journal 2022; 20(9):7441, 188 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2022.7441
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    https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32005R0001
  19. Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates (Tierschutztransportverordnung - TierSchTrV) l_00320050105de00010044.pdf