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Hitzestress bei Geflügel – Was kann unternommen werden?

Stand: Novermber 2022

Mit zunehmenden Wetterextremen und hohen Temperaturen im Sommer wird es immer wichtiger die richtigen Maßnahmen im Geflügelstall einzuleiten, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere zu schützen. Dabei geht es nicht nur um die umgehende Ergreifung der Maßnahmen beim Erreichen kritischer Temperaturen, sondern auch um die richtige Vorsorge z.B. mit geeigneter technischer Einrichtung im Vorfeld.

Tiersignale und Folgen

Geflügel besitzt keine Schweißdrüsen und kann sich daher im Sommer bei hohen Temperaturen nur eingeschränkt selbstständig abkühlen. Tiere mit Hitzestress sind zu erkennen an Schnabelatmung, der stärker durchbluteten Kopfhaut und dem Abspreizen der Flügel, um eine bessere Luftzirkulation am Körper zu erzielen. Die Tiere reagieren mit Bewegungsunlust, steigendem Wasserverbrauch und sinkender Futteraufnahme. Bei Puten kann dies z.B. eine Reduzierung der Futteraufnahme bis zu 30 % bedeuten. Dies kann zum Ausbleiben der Eiablage bei Legehennen und einer reduzierten Mastleistung bei Masthühnern und Puten führen. Der Hitzestress kann vor allem bei Jung- und Legehennen auch zu Ausbrüchen von Federpicken und Kannibalismus führen. Bei Mastgeflügel treten bei starkem Hitzestress zudem vermehrt Verluste durch Kreislaufversagen auf. Charakteristisch hierfür sind blau verfärbte Kämme und austretende Flüssigkeit oder Futterbrei aus dem Schnabel.

Wichtige Parameter

Neben den direkten Tiersignalen sind Messwerte wie die Außen- und Stalltemperaturen, die Luftfeuchte und der Enthalpiewert wichtige Parameter für die Erfassung von Hitzestress. Der Enthalpiewert ist in diesem Bezug von besonderer Bedeutung, da er die Wärmebelastung der Luft beschreibt und somit Temperatur und Luftfeuchte vereint. Landwirt*innen können sich z.B. auf der Webseite des Deutschen Wetterdienstes über die Enthalpiewerte der kommenden Tage informieren (Wetter und Klima - Deutscher Wetterdienst - Leistungen - Hitzestress bei Geflügel (dwd.de)). Des Weiteren bieten inzwischen auch spezifische Management-Apps für Geflügel diesen Service mit zusätzlicher Alarmfunktion bei hohen Enthalpiewerten an.
Ab einem Enthalpiewert >50 kJ/kg tritt bei Geflügel milder Hitzestress auf (Abbildung 2). Dies bedeutet bei einer Luftfeuchtigkeit von 70 % eine Temperatur von gerade mal 22 °C. Von starkem Hitzestress wird gesprochen, wenn der Enthalpiewert über 67 kJ/kg beträgt (z.B. 70 % Luftfeuchtigkeit, 27°C).

Um negative Auswirkungen infolge von Hitzestress bei Geflügel zu verhindern, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Dies umfasst unter anderem die Kühlung des Stalls, die Senkung der Tränkewassertemperatur und die Anpassung der Fütterung.

Maßnahmen zum Stallklima

Gerade in den Sommermonaten müssen wichtige Funktionspunkte des Belüftungssystems regelmäßig kontrolliert werden. Dies sind zum Beispiel die Alarmanlage, die Ventilatoren, die Lufteinlassöffnungen und sonstige Kühlsysteme.

Automatisierte Systeme passen bei erhöhten Temperaturen die Luftgeschwindigkeit im Stall an. Steigt die Stalltemperatur, wird auch die Luftgeschwindigkeit gesteigert, um eine größere Luftwechselrate zu erzielen. Für Geflügel wird eine Steigerung der Luftwechselrate bis zu 4,50 m³/h/kg Lebendmasse empfohlen. Beispiele der Raten in Abhängigkeit von dem Lebendgewicht sind folgender Tabelle zu entnehmen:

Tabelle 1: Beispiele der Luftwechselraten in Abhängigkeit von dem Lebendgewicht
TiergewichtLuftwechselrate
Legehenne mit 1,8 kg8,1 m³/h
Masthuhn mit 1,5 kg6,75 m³/h
Pute mit 21,0 kg32,4 m³/h
Ente mit 13,2 kg14,4 m³/h


Bei extremen Hitzeperioden können die Luftwechselströme bei Puten auf bis zu 6 (Hennen) bzw. 7 (Hähne) m³/h/kg Lebendmasse erhöht werden. Alternativ können die Besatzdichten reduziert werden, um einen besseren Luftaustausch im Stall zu erzeugen.

Bei größeren Schwankungen zwischen den Tag- und Nachttemperaturen im Sommer sollte der Regelbereich der Lüftung angepasst werden. Denn bei schnellem Temperaturabfall am Abend, muss auch die Lüftung zeitnah angepasst werden, um nicht über längere Zeit kalte Luft dem Stall zuzuführen. Krankheiten wie E.-coli-Infektionen können die Folge sein. Die Trägheit mit welcher die Lüftung agiert muss daher im Sommer reduziert werden. Empfohlen ist jedoch den Regelbereich nicht unter 3°C zu setzten, da es sonst bei leichten Temperaturschwankungen zu einer unruhigen Luftführung kommen kann. 

Neben der Luftwechselrate kann auch durch die direkte Erhöhung der Luftgeschwindigkeit im Tierbereich Kühlwirkungen erzielt werden (siehe Tabelle 2). Eine Luftgeschwindigkeit von >3,0 m/s auf Tierebene muss dabei vermieden werden. Einfach zu handhabende und kostengünstige Anemometer bzw. Strömungsmessgeräte können bei der Bestimmung der Luftgeschwindigkeit helfen.

Tabelle 2: Beispiel der Kühlwirkung bei einer Erhöhung der Luftgeschwindigkeit
Luftgeschwindigkeit in m/sKühlwirkung in °C
1,253,33
2,505,56

Neben der Reglung der Lüftung kann auch durch die Befeuchtung der Stallluft eine Kühlwirkung erzielt werden. Dies kann mittels der direkten Befeuchtung des Stalls durch eine Sprühanlage oder mittels Zuluftbefeuchtung (z.B. mit Pad Cooling-Systemen) erzielt werden. Um keine tropischen Verhältnisse zu erzeugen, sollte auf eine Befeuchtung der Luft bei hoher relativer Luftfeuchte (> 80 % rF) verzichtet werden. Mobile Stallsysteme verfügen selten über ein automatisiertes Lüftungssystem und müssen sich anderweitig behelfen. Hier kann zum Beispiel durch eine Befeuchtung des Stalldachs durch Sprinkleranlagen oder manuelle Bewässerung mit einem Schlauch die Innentemperatur gesenkt werden. Um einen Luftzug im Stall zu erzeugen, können an zwei gegenüberliegenden Seiten die Stallfenster oder Luken geöffnet werden. Dabei muss jedoch die Entwicklung von zu starken Luftgeschwindigkeiten bzw. Zugluft auf Höhe der Tiere vermieden werden.

Managementmaßnahmen zur Tränke

Mit zunehmender Temperatur steigt bei Geflügel die Wasseraufnahme stark an. Zugang zu frischem und kühlem Wasser (10-15°C) sollte zu jeder Zeit gewährleistet sein und kann durch eine regelmäßige Spülung der Tränkeleitungen erzielt werden. Gerade bei gleichzeitig laufender Sprühkühlung muss ein ausreichender Druck in den Tränkeleitungen sichergestellt werden. Der Wasserverbrauch lässt sich einfach über eingebaute Wasseruhren kontrollieren. Abweichende Werte sind ein wichtiger Hinweis für Probleme im Stall. Bei Hitzephasen können in Absprache mit dem Tierarzt Zusatzstoffe wie Vitamin C, Vitamin E, Selen und Hefen dem Tränkewasser zugesetzt werden. Durch das Hecheln der Tiere wird vermehrt CO2 abgegeben. Dies kann zu einer respiratorischen Alkalose mit Störung des Elektrolythaushaltes führen. Die Zugabe von Elektrolyten (enthält Kochsalz, Natron und Glucose) kann Abhilfe schaffen.

Managementmaßnahmen zur Fütterung

Neben der verringerten Futteraufnahme sinkt auch die Verdaulichkeit wichtiger Nährstoffe wie Aminosäuren, Calcium, Natrium und Phosphor. Zudem kann weniger Energie aus der Nahrung gewonnen werden. Für ein erfolgreiches Wachstum muss vor allem die Aminosäurenversorgung sichergestellt werden. Dies sollte jedoch nicht durch eine Erhöhung des Rohproteingehalts im Futter erfolgen, da der Abbau von überschüssigem Stickstoff mit Energieaufwand für das Tier verbunden ist. Ziel ist stattdessen eine bedarfsgerechte Versorgung durch eine gezielte Zufütterung einzelner Aminosäuren. Zur Sicherstellung der Energieversorgung kann in Hitzeperioden statt Kohlenhydraten ein höherer Fettanteil dem Futter zugesetzt werden. Der Fettabbau verursacht im Vergleich zum Abbau von Kohlenhydraten einen geringeren Wärmezuwachs und belastet dadurch die Tiere weniger.

Auch über das Futter können verschiedene Zusatzstoffe den Tieren verabreicht werden, die bei hohen Temperaturen das Wachstum unterstützen und den Kreislauf der Tiere stabilisieren. Eingesetzt werden können Vitamine A, D, E, C und B-Komplexe, sowie Selen, Natriumbicarbonat und/oder Kaliumchlorid.

Tabelle 3: Empfehlungen zur Einsatzmenge ausgewählter Zusätze bei Legehennen
ZusätzeMenge pro kg/TM
Vitamin C250-500 mg
Vitamin E500 mg
Selen0,3-0,5 mg

Vor allem bei Mastgeflügel kann die Anpassung der Futterzeiten an heißen Tagen Abhilfe schaffen. Die Verlagerung der Futtergaben in die kühleren Morgen- oder Abendstunden kann den Kreislauf und den Stoffwechsel entlasten.

Quellen

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Merkblatt zur Vermeidung von Hitzestress bei Masthühnern Vermeidung von Hitzestress bei Geflügel | Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (niedersachsen.de)

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Merkblatt zur Vermeidung von Hitzestress bei Puten Vermeidung von Hitzestress bei Geflügel | Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (niedersachsen.de)

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Merkblatt zur Vermeidung von Hitzestress bei Lege- und Junghennen Vermeidung von Hitzestress bei Geflügel | Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (niedersachsen.de)

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Merkblatt zur Vermeidung von Hitzestress bei Pekingenten Vermeidung von Hitzestress bei Geflügel | Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (niedersachsen.de)

Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Eifel, Dr. Thomas Priesmann. Tierhaltung-Tierzucht/Hitzestress bei Geflügel (rlp.de)

Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Merkblatt Hyperthermieprophylaxe bei der Broilermast LALLF M-V: Technischer Dienst

Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Merkblatt Hyperthermieprophylaxe bei der Putenmast LALLF M-V: Technischer Dienst

TVT- Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.. Die Vermeidung von Hitzeschäden bei landwirtschaftlichen Nutztieren (Geflügel, Schweine, Rinder) Merkblatt Nr. 100 Veröffentlichungen: TVT - Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (tierschutz-tvt.de)

Webseminar: MuD Tierschutz Projekt - Hühnermast im Mobilstall, Praktiker berichten (16.06.2021)

DGS Magazin 26/2021: Schön cool bleiben, auch bei Hitze. Paul Westermann.

DGS Magazin 26/2021: Fit dank angepasstem Futter. Dr. Henrike Glawatz und PhD Marcus Kenny.