Wenn dem Geflügel zu heiß wird
Online-Seminar der Landwirtschaftskammer NRW im Rahmen des bundesweiten Netzwerks Fokus Tierwohl zum Hitzestress bei Geflügel
Eine der bedeutendsten umweltbedingten Herausforderungen für die Tierhaltung sind hohe Temperaturen mit der Folge, dass die Tiere ohne entsprechende Schutzmaßnahmen unter Hitzestress geraten können. In der Geflügelhaltung können warme Sommertage in Verbindung mit hoher Luftfeuchtigkeit negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere haben. Die vergangenen Sommer lassen darauf schließen, dass dieses Problem auch zukünftig hiesige Geflügelhalter beschäftigen wird. Hohe Tierverluste können die Folge sein, da Hitzestress eine große Belastung für das Geflügel darstellt.
Doch wie kann ein Unwohlsein der Tiere durch Hitze frühzeitig erkannt werden? Welche Maßnahmen sollte man ergreifen, um Hitzestress bei den Tieren zu verhindern oder zu vermindern?
Antworten auf diese Fragen bot die Landwirtschaftskammer NRW in einer Online-Veranstaltung im Rahmen des bundesweiten Netzwerks Fokus Tierwohl mit rund 90 Teilnehmern.
Anfangs berichteten Dr. med. vet. Kristian Düngelhoef, Fachtierarzt für Geflügel von der Tierarztpraxis an der Güterstraße und Dirk Wonning, Sprecher der Fachgruppe Management des Bundesverbandes mobile Geflügelhaltung e.V. über die Erkennung und Folgen von Hitzestress im Geflügelstall. Tiere, denen zu warm ist, erkennt man an ihrer Bewegungsunlust. Sie hecheln, spreizen die Flügel zur Oberflächenvergrößerung ab und weisen eine stark durchblutete (Kopf-)Haut auf, so Dr. Düngelhoef. Dirk Wonning ergänzte, dass bei Hitzestress der Wasserverbrauch der Tiere steigt, während der Futterverbrauch sinkt. Eine Gewichtsabnahme des Geflügels ist eine weitere Folge.
Gefahr von Hitzestress
Ab etwa 28 °C Außentemperatur steigt die Gefahr von Hitzestress stark an. „Die kritische Obergrenze ist ein Enthalpiewert von 67kJ/kg“, so Dr. Düngelhoef. Enthalpie ist die Kennzahl für die Wärmebelastung der Luft unter Einbezug der Luftfeuchte. Diese Werte können auf der Homepage des Deutschen Wetterdienstes täglich abgerufen werden und sollten während der Sommermonate im Blick behalten werden.
Ein Hitzetod kann durch Kreislaufversagen und Dehydration (mangelnde Wasseraufnahme und Elektrolytverlust) oder Überhitzung des Körpers auftreten. Der Zeitpunkt des Todes ist überwiegend abends, wenn das Temperatur-Maximum des Tages bereits überschritten ist, berichtete Dr. Düngelhoef. Als Langzeitfolge bei Legehennen machen sich eine verminderte Eigröße, ein Rückgang der Legeleistung und eine schlechte Schalenqualität bemerkbar. Es kann zu Halsmauser, Federpicken und Kannibalismus sowie zu Coli-Infektionen kommen. Bei Mastgeflügel können eine reduzierte Mastleistung und Atemwegsinfektionen als Langzeitfolgen auftreten.
Laut Meinung der Experten stellt die effektivste Management-Maßnahme gegen Hitzestress der Einsatz einer Sprühkühlung dar. Ab 8 Uhr morgens kann beim Mastgeflügel das Futter entzogen werden, um den Kreislauf durch einen vollen Magen-Darm-Trakt nicht unnötig zu belasten. Dabei sollte man die Tiere und die Stalltechnik laufend beobachten. Ebenso kann man nach Rücksprache mit dem Tierarzt auf die nächtliche Dunkelphase verzichten, um die Futteraufnahme nachzuholen. Um die ruhenden Tiere aufzutreiben, sollten tagsüber vorsichtige Kontrollgänge gemacht werden. In die Tränkelinien sollte mehrmals täglich kaltes Wasser mit erhöhtem Druck eingespült werden. Die Luftführung wird idealerweise direkt auf die Tiere gerichtet, sodass die Wärme abtransportiert werden kann. Zusatzlüfter können in toten Ecken Abhilfe schaffen. Hilfreich ist es auch, wenn man die Stalldächer und deren Umgebung bewässert.
Wird eine Hitzeperiode erwartet, empfiehlt Dr. Düngelhoef vorbereitend über einige Wochen Leberschutzpräparate zur Entlastung der Leber und Vitamin E als Antioxidans zu füttern. Für akute Hitzestressphasen gab er den Tipp, die Vitamine C, E und A und Elektrolyte mehrmals täglich in das frische Tränkwasser einzurühren. Nach einer Hitzeperiode müssen die Tränkeleitungen gereinigt werden, da die Nährstoffe aus Ergänzungsfuttermitteln die Bildung eines Biofilms begünstigen.
Sprühkühlungen als effektive Management-Maßnahme gegen Hitzestress
Als praktisches Beispiel stellte die Geflügelhof Höckel GmbH und Co. KG im Anschluss ihre, zusammen mit Dipl.-Ing. agr. Frank von der Haar (Agrarhygiene-Wassertechnik, Ankum), neu konzipierte Sprühkühlung vor. 2004 wurde von Käfig- auf Bodenhaltung mit Wintergärten umgestellt. Da die vorhandene Hochdruck-Sprühkühlung im Stallbereich auch Teile der Einstreu im Wintergarten befeuchtete, tauschte man diese gegen außenliegende Niederdruck-Sprühkühlungen aus. In anderen Ställen wurden Wintergärten mit einem extra Korridor an der Traufseite mit Windschutznetz und Niederdruck-Sprühkühlung ausgerüstet, um das Wasser in einem barrierefreien Raum mit reduzierter Luftgeschwindigkeit optimal zu verdunsten. Zuluftsegmente mit Kunststoff-Coolpads dienen als Tropfenabscheider und sorgen dafür, dass die Einstreu nicht nass wird. Die feuchten Coolpads kühlen zudem durch Oberflächenverdunstung die in den Stall strömende Luft ab und sorgen für eine diffuse, zugfreie Vermischung der gekühlten Luft mit der Raumluft.
Im Stall kann ein Luftfeuchtebereich zwischen 60 bis 85 % zur Kühlung genutzt werden. Die Sprühkühlung besteht aus Niederdruckdüsen und funktioniert in der Regel ohne Druckerhöhungspumpe, nur mit dem bereits vorhandenen Wasserdruck. Die Nebeldüsen versprühen mit einem Druck von 3 bar ca. 5 Liter Wasser pro Stunde, wobei pro m³ Luft ca. 6 ml Wasser in dem Feuchtebereich in Abhängigkeit von Luftgeschwindigkeit und Umgebungstemperatur verdunstet werden können. Gesteuert wird das System von einem Stallcomputer. „Entscheidend ist es, mit kurzen Taktungen zu arbeiten. Man darf auf keinen Fall die Feuchtigkeit im Stall über 85% erhöhen“, so von der Haar. Er empfiehlt, maximal 1 bis 2 Minuten im Innenbereich zu sprühen, danach sollten ca. 5 Minuten Pause gemacht werden, damit die Lüftung die eingebrachte Feuchte auch wieder aus dem Stall fördern kann. So wird die Verdunstungsenergie optimal ausgenutzt.
Die Niederdruckkühlung funktioniert nur bei Legehennen, bei Mastgeflügel hingegen empfiehlt Frank von der Haar eine Hochdruckkühlung.Vorteile der deutlich günstigeren Niederdruckkühlung sind die Funktionssicherheit und die Möglichkeit Wasserdesinfektionsmittel oder ätherische Öle einzusetzen. Eine Empfehlung ist es, immer mit hygienisch einwandfreiem Frischwasser in Trinkwasserqualität zu arbeiten und keine Coolpad-Umlaufsysteme mit Pumpen und zirkulierendem Brauchwasser einzusetzen. Zunehmende Verschmutzung und Keimbelastung kontaminiert dann die Zuluft und das stetig erwärmte Kreislaufwasser reduziert auch die Kühlleistung. In der Not werden immer wieder Dächer beregnet. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, dass bei dieser Lösung heiße Dachoberflächen (bis zu 70 °C) mit ca. 6 °C kaltem Wasser benetzt werden, was eine extreme Materialbelastung der Dacheindeckung bedingt und die Haltbarkeit drastisch reduzieren kann.
Autorin: Viola Erfkämper, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
erschienen in Land & Forst, Ausgabe 24/2021