Bruderhahnaufzucht – eine echte Alternative?
Online-Seminar der Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Am 20. Mai 2021 wurde abschließend der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorgelegte Gesetzesentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom Bundestag beschlossen. Laut diesem soll das Töten männlicher Eintagsküken ab dem 01. Januar 2022 verboten werden. Doch welche Alternativen gibt es? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein Online-Seminar im Rahmen des Netzwerks Fokus Tierwohl an der Landwirtschaftskammer Niedersachsen am 22. Juni.
Steigende Nachfrage nach Bruderhahnaufzucht
Bekannte Alternativen zum sogenannten „Kükentöten“ sind die Geschlechtsbestimmung im Ei, die Aufzucht von Bruderhähnen oder die Haltung von Zweinutzungshühnern. Das Seminar widmete sich der Aufzucht von den als Bruderhahn bezeichneten männlichen Küken von Legehybriden. Als erster Referent wurde Franz Josef Buske von der Raiffeisen Ems-Vechte begrüßt. Er organisiert seit 2018 die Lohnaufzucht von Bruderhähnen im Bio-Bereich und seit 2019 auch in der konventionellen Landwirtschaft. Vermutlich auf Grund der anstehenden Gesetzesänderung berichtete er von einer stark gestiegenen Nachfrage im Bereich der Bruderhahnaufzucht. Entsprechend ist das Ziel für 2021 11 Millionen konventionelle Hähne allein im Verantwortungsbereich der Raiffeisen Ems-Vechte in Zusammenarbeit mit der ab ovo Geflügelvermehrung GmbH aufzuziehen. Für die Bruderhahnaufzucht eignet sich grundsätzlich ein herkömmlicher Hähnchenmaststall. Da Bruderhähne agiler als typische Mastlinien sind, sollte das Ausleben ihrer natürlichen Verhaltensweisen unterstützt und Sitzstangen im Stall angeboten werden. Auch das Angebot geeigneter Beschäftigungsmaterialien begünstigt eine ruhige Herde und kann Probleme bei der Aufzucht reduzieren. Bei einer Mastdauer von 12 bis 15 Wochen erreichen die Tiere etwa 1,5 kg Lebendgewicht und brauchen damit deutlich länger für ein geringeres Gewicht als ihre auf Mastleistung gezüchteten Verwandten. Diese wiegen nach 33 Tagen bereits etwa 2 kg. Hähne, die die Geschlechtsreife erreichen, neigen zu Rangkämpfen, die mit dem Auftreten von Verletzungen einher gehen können. Als Futter eignet sich eine spezielle Mischung, die von den Inhaltsstoffen zwischen Junghennen- und Hähnchenmastfutter liegt.
Praxisbeispiel einer etablierten Bruderhahnaufzucht
Als zweite Referentin an diesem Nachmittag bot Babette Sauerland vom PRIO Geflügelhof Südbrock praktische Einblicke in ihre etablierte Bruderhahnaufzucht. Mangels Alternativen hat die Landwirtin ein eigenes Konzept zur Aufzucht und Vermarktung von Hahnenküken mit dem Namen „Mein Bruderhahn“ entwickelt. Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass es sich sowohl an ökologisch wirtschaftende als auch an konventionelle Betriebe richtet. Zudem kann jeder Betrieb flexibel aus einem von drei untereinander kombinierbaren Modellen wählen. Ein Grundsatz bleibt aber für alle gleich: Ein Hahn zu jeder Henne. Die erste Variante, die lebende Abnahme, stellt die klassische Bruderhahnaufzucht dar. Also zu jeder Henne wird auch ein Hahn erworben, der bis zum Mastende aufgezogen wird. Betriebe, die keine Hähne aufziehen wollen oder können, können sich auch für die zweite Variante des Bruderhahnkonzeptes entscheiden, der Abnahme von veredelten Produkten. Die Hähne wachsen bei dieser Variante auf einem anderen Partnerbetrieb von „Mein Bruderhahn“ auf und werden anschließend geschlachtet und verarbeitet. Das nussig-aromatische Fleisch des Bruderhahns eignet sich für diverse Fertiggerichte von Frikassee über Wurst bis hin zu Bolognese oder Curry. Kommt auch diese Variante nicht in Frage, besteht auch die Möglichkeit: „keine Abnahme“. Mit einer Kostenbeteiligung pro Hahn übernimmt ein anderer Betrieb nicht nur die Aufzucht und sondern auch die Vermarktung der Produkte. Durch die vielfältigen Möglichkeiten des Bruderhahnkonzepts von Babette Sauerland soll sichergestellt werden, dass jeder Legehennenbetrieb, auch wenn er nicht über die Kapazitäten für eine eigene Bruderhahnaufzucht oder für die Vermarktung von Bruderhahnprodukten verfügt, an „Mein Bruderhahn“ teilnehmen kann.
Über 100 Teilnehmer zeigten großes Interesse an dieser Veranstaltung. An die Vorträge schloss sich eine rege und auch teils emotionale Diskussion an, die verdeutlichte, dass das kurzfristige Verbot des Tötens der männlichen Eintagsküken ausschließlich in Deutschland die Landwirte und die Wirtschaft vor diverse Probleme stellt. Nun sind schnelle, praktikable Lösungen gefordert, um ein Abwandern der Brütereien in Nachbarländer zu verhindern, was den Konflikt lediglich geografisch verschieben würde.
Autorin: Alexandra Koch, Landwirtschaftskammer Niedersachsen