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Umgang mit Hitzestress bei Mutterkühen

  • Uwe Beißwenger, LKV Baden-Württemberg
  • Prof. Dr. Heiko Scholz, Hochschule Anhalt
  • Prof. Dr. Ralf Waßmuth, Hochschule Osnabrück

● Lydia Stahl, Justus-Liebig Universität Gießen

Förderhinweis
Dieses Dokument wurde im Rahmen des Verbundprojektes Netzwerk Fokus Tierwohl, Förderkennzeichen 28N-4-013-01 bis 28N-4-013-17, durch die Arbeitsgruppe „Hitzestress" des Tierwohl-Kompetenzzentrums Rind erarbeitet und durch DLG e.V und FiBL Deutschland e.V. methodisch-didaktisch aufbereitet.
Das Verbundprojekt der Landwirtschaftskammern und landwirtschaftlichen Einrichtungen aller Bundesländer hat das Ziel, den Wissenstransfer in die Praxis zu verbessern, um rinder-, schweine- und geflügelhaltende Betriebe hinsichtlich einer tierwohlgerechten, umweltschonenden und nachhaltigen Nutztierhaltung zukunftsfähig zu machen.
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Alle Informationen und Hinweise ohne jede Gewähr und Haftung.

Herausgeber

DLG e.V.
Fachzentrum Landwirtschaft
Eschborner Landstraße 122
60489 Frankfurt am Main
FiBL Deutschland e.V.
Bereich Tierwohl
Kasseler Straße 1a
60486 Frankfurt am Main


Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder (auch für den Zweck der Unterrichtsgestaltung) sowie Bereitstellung des Merkblattes im Ganzen oder in Teilen zur Ansicht oder zum Download durch Dritte nur nach vorheriger Genehmigung durch die fachlich zuständige Geschäftsstelle des Tierwohl-Kompetenzzentrums Rind und DLG e.V., Servicebereich Marketing, Tel. +49 69 24788-209, [email protected].

Einleitung

Witterungsschutz gegen Hitze wird auch für Mutterkühe häufig empfohlen -  die Praxis sieht oftmals anders aus. Dieses Dokument soll für die Thematik von Hitzestress auf der Weide sensibilisieren und Informationen an die Hand geben, um die Wärmebelastung direkt am Tier einschätzen zu können. Nur wer Hitzestress sicher beurteilen kann, ist in der Lage einzuschätzen, ob ein (vorhandener) Witterungsschutz ausreichend für die Tiere ist oder ob Handlungsbedarf besteht. Viele Faktoren nehmen Einfluss darauf, ob Hitzestress entsteht oder nicht. Neben den rechtlichen Grundlagen, den wichtigsten Eckpunkten der Thermoregulation des Rindes (inkl. Anpassungsreaktionen und Folgen bei Überschreitung der Anpassungsfähigkeit), belastenden und entlastenden Umweltfaktoren werden konkrete Anforderungen und Lösungen für die Umsetzung eines Witterungsschutzes präsentiert. Es werden Checklisten zu Beurteilung von Hitzestress anhand von tierbezogenen Faktoren bereitgestellt und Möglichkeiten zur Reduktion von Hitzestress vorgestellt.

Führt man sich vor Augen, dass das Rind ursprünglich ein Steppentier war, wird deutlich, warum es über eine hohe Anpassungsfähigkeit verfügt. Es existieren unzählige Untersuchungen an Milchvieh deren grundlegende Ergebnisse auch für Mutterkühe, Mastrinder und Nachzucht auf der Weide Gültigkeit haben (Polsky und von Keyserlingk, 2017).  Durch wenig systematische Forschungsergebnisse aus dem europäischen Raum wird vorwiegend auf nordamerikanische Studien zurückgegriffen. Dort herrschen zwar andere Bedingungen, aber die Erkenntnisse sind in Teilen übertragbar.

Rechtliche Grundlagen (Gesetze, Verordnungen, Leitlinien und Empfehlungen)

Mit Blick auf den Witterungsschutz gibt es unterschiedliche Vorgaben, die teils rechtlich bindend, teils als Empfehlungen anzusehen sind.

Nationale Ebene

In Deutschland bilden das Tierschutzgesetz (TierSchG, 2020) und die Tierschutznutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV, 2021) die rechtliche Grundlage:

  • TierSchNutztV §3 Abs. 2 Nr. 3 „Haltungseinrichtungen müssen so ausgestattet sein, dass den Tieren, soweit für den Erhalt der Gesundheit erforderlich, ausreichend Schutz vor widrigen Witterungseinflüssen geboten wird und die Tiere, soweit möglich, vor Beutegreifern geschützt werden, wobei es im Fall eines Auslaufes ausreicht, wenn den Nutztieren Möglichkeiten zum Unterstellen geboten werden.
  • TierSchG §2 Nr. 1 „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, (1) muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.“
  • TierSchG §1 „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund, Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

TierSchNutztV (2021) und TierSchG (2020) sind rechtlich bindend. Die TierSchNutztV gilt nur für die Haltung von Nutztieren zu Erwerbszwecken, wohingegen das TierSchG für jegliche Tiere -also auch nicht erwerbsmäßige Tierhaltung (Hobbyhaltungen) und die Haltungen zur Landschaftspflege und Naturentwicklungsprojekte gilt.

Orientierung bietet auf nationaler Ebene, jedoch ohne rechtsverbindlichen Charakter die Leitlinie zur ganzjährigen Freilandhaltung (TVT Merkblatt 85, 2006):

  • Die ganzjährige Weidehaltung bei Rindern erfordert einen Witterungsschutz.
  • Schutz vor Unterkühlung ist einfacher zu erhalten als überschüssige Wärme aus dem Körper abzutransportieren
  • Die Liegedauer wird im Mittel mit ca. 10 Stunden angenommen, wobei die Aktivität der Rinder tagsüber am größten ist.

Internationale Ebene

Auf europäischer Ebene existiert eine Empfehlung:

Die Europaratsempfehlung (EUROPÄISCHES ÜBEREINKOMMEN ZUM SCHUTZ VON TIEREN IN LANDWIRTSCHAFTLICHEN TIERHALTUNGSEMPFEHLUNG FÜR DAS HALTEN VON RINDERN angenommen vom Ständigen Ausschuss auf dessen 17. Tagung am 21. November 1988) gilt u.a. für alle Rinder in landwirtschaftlichen Tierhaltungen. In

Artikel 16 der Empfehlung wird auf den Witterungsschutz wie folgt Bezug genommen:

„1. Werden Rinder im Freien auf Weiden ohne natürlichen Schutz oder ohne Schatten gehalten, so sollte ein künstlicher Schutz gegen Witterungseinflüsse bereitgestellt werden.

2. Weiden sollten so ausgewählt und bewirtschaftet werden, dass sichergestellt ist, dass die weidenden Tiere weder physischen noch chemischen oder sonstigen Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt sind, die der Betreuer verhindern kann.“

Darüber hinaus gibt es:

Als Beispiel aus dem Ausland kann auch der Auszug eines Verwaltungsgerichtsurteiles aus der Schweiz herangezogen werden (Das Bundesamt für Veterinärwesen, Schweiz, 2004):
„…hält in seiner Stellungnahme vom 5. August 2003 fest, dass bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70%, wie sie an einem heißen und trockenen Sommertag üblich sei, der Hitzestress für Milchkühe bei ca. 24 °C Lufttemperatur im Schatten beginne. Bei 29 °C im Schatten werde bereits ein deutlich belastender Zustand erreicht. Ab 35.5 °C bestehe sehr starker Hitzestress mit akuter Lebensgefahr. Für Kühe und Kälber in Mutterkuhhaltung seien diese Temperaturangaben mit kleinen Anpassungen nach oben anwendbar.“

Flächenbedarf für den Witterungsschutz

Für den Platzbedarf beim Witterungsschutz für Rindern existieren keine rechtlich bindenden Vorgaben, sondern lediglich Empfehlungen, die sich teilweise erheblich unterscheiden.

Um Richtwerte für Platzbedarf zum Liegen im Schatten zu erhalten, gibt es zahlreiche, unterschiedliche Werte aus der Literatur, die teils auf die Liege- und teils auf die Grundfläche abzielen. Die Flächenangaben gehen dabei teilweise weit über die Vorgaben hinaus, die z.B. in der ökologischen Stallhaltung für Rinder gefordert sind. Mit Blick auf das Tierwohl, die Praktikabilität der Umsetzung und die Nachhaltigkeit wurden folgende Empfehlung daraus abgeleitet:

Empfehlung zum Flächenbedarf für Witterungschutz vor Hitze bei Mutterkühen

  • Zur Tageszeit der höchsten Hitzebelastung (i.d.R. nachmittags) müssen alle Tiere Zugang zu einem Schattenplatz haben.
  • Als Mindestfläche für eine Kuh im Schatten empfehlen sich idealerweise 4 m², die in Abhängigkeit von der Herdengröße, der Körpermasse, des Sozialverhaltens, Behornung etc. nach oben oder unten korrigiert werden kann. Für Kälber sollte der Empfehlung des LAVES (2000) mit 1 m² pro Tier gefolgt werden.

Im folgenden wurden Quellen für die Entscheidungsfindung zusammengetragen und bewertet:  

Tabelle 1: Leitlinien (TVT Merkblatt 85, 2006)
Lebendgewicht (kg) bzw. AlterLiegefläche pro Kuh bzw. Kalb
 unbehorntbehornt
bis 500 kg4 m²5 m²
600 kg5 m²7 m²
über 700 kg6 m²8 m²
Kalb < 2 Monate1 m²1 m²
Kalb > 2 Monate2 m²2 m²

 

Tabelle 2: LAVES, Niedersachsen (2000)
Lebendgewicht (kg) bzw. AlterLiegefläche pro Kuh bzw. Kalb
 unbehorntbehornt
600 kg3 - 4 m²4 - 5,2 m²
750 kg4 - 5 m²5,2 - 6,5 m²
nicht abgesetze Kälber1 m²1 m²

 

Tabelle 3: Zeeb(1995)

Großvieheinheiten 

(1 GV = 500 kg Lebendgewicht)

Grundfläche pro GV*
bis zu 10 GV4 m²
bis zu 20 GV3,5 m²
über 20 GV3 m²

 

ARMSTRONG (1994)
  • 3,5-6,5 m² als Schattenplatz je Kuh

Thermoregulation beim Rind unter Witterungsstress

Die Thermoregulation, also die Anpassung der Körpertemperatur in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur, bewegt sich in Grenzen und kann durch Witterungsstress stark gefordert werden. Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen und Zusammenhänge der Thermoregulation beim Rind erläutert.

Temperaturzonen und -regulationsvermögen

Rinder versuchen ihre Körperkerntemperatur konstant zu halten. Laut Dirksen et al. (2006) liegt die normale Körperkerntemperatur beim erwachsenen Tier zwischen 38-39 °C, bei Kälbern zwischen 38,5-39,5 °C und bei Jungrindern 38,0-39,5 °C. Bei Witterungsstress wird zuerst eine Verhaltensänderung vorgenommen, erst danach setzt die physiologische Anpassung ein (Sporkmann et al., 2016). Die Anpassungsfähigkeit ändert sich mit dem Alter des Tieres (Bianca 1977). In der Übersicht ist auch zu sehen, dass erwachsene Rinder toleranter gegenüber Kälte als gegenüber Wärme sind (Bianca, 1976).

Die thermoneutrale Zone, in der das Tier keine zusätzliche Energie aufwenden muss, um die Körpertemperatur zu regulieren, liegt laut Bianca (1968) für Rinder zwischen 0°-16°C.

Bei Unter- oder Überschreiten der Grenzen B und B´ können die Tiere ihre Körpertemperatur nicht mehr im physiologischen Rahmen halten und es besteht Lebensgefahr (Sporkmann et al., 2016).

Kälber, deren Mütter sich sehr gut um ihren Nachwuchs kümmern (früh trocken lecken, Präsentation des Euters, körperliche Nähe, Schattenspender etc.) haben eine höhere Toleranz gegenüber widrigen Witterungsbedingungen als solche, die auf sich alleine gestellt sind. Die thermoneutrale Zone für Tränkekälber wird bei einer Luftfeuchte von 50 % bis 60 % mit +15 °C und +25 °C beschrieben. Für ältere Kälber, die bereits einen funktionierenden Pansen besitzen und daher wiederkäuen können, wird der thermoneutrale Bereich mit +5 °C bis +15 °C angenommen (Berkemeier, 2021 in Elite Magazin, Hufelschulte, 2020 in topagrar).

Brown-Brandl (2005) geben an, dass die Körperkerntemperatur der Mutterkühe der Umgebungstemperatur ein bis fünf Stunden zeitversetzt folgt. Mader et al. (2005) beschreiben eine Zeit von 1,0 bis 3,5 Stunden bei Mastrindern nach einer Erhöhung der Körperkerntemperatur wieder auf Normal.
Für die Praxis bedeutet dies: Anpassungsreaktionen benötigen Zeit. Wenn Unsicherheit besteht, ob die Tiere unter Hitzestress leiden, sollte eine Beurteilung (international über den Panting Score erfasst) anhand von Maulatmung, erhöhte Atemfrequenz, Speicheln oder Körperkerntemperatur erfolgen.

Curtis et al. (2017) fanden heraus, dass die Korrelationen zwischen der tägliche Trockenmasseaufnahme der Rinder und Umgebungstemperaturdaten des gleichen Tages nicht signifikant waren. Vielmehr beobachteten die Autoren einen drei- bis fünftägigen Zeitverzug bei der Reaktion der täglichen Trockenmasseaufnahme auf eine Wärmebelastung. Es handelt sich dabei um eine verzögerte Anpassungsreaktion.

Grenze der Anpassungsfähigkeit

  • "Bei einer Körperkerntemperatur zwischen 40,5 °C und 41,7 °C kommt es für die meisten Rinderrassen zum völligen Aussetzen der Körperfunktionen; man bezeichnet diese Schwelle als Letaltemperatur." (Fischer et al., 2014)
  • Bei Überschreiten der Anpassungsfähigkeit an Hitze drohen Dehydratation, Hirnödem bedingte zentralnervöse Erscheinungen und Tod infolge der Lähmung des Atemzentrums oder Kreislaufversagen. Rektaltemperatur 40-43,5 °C (Dirksen et al., 2006)

Wärmeabgabe (Wärmeleitung, Konvektion, Wärmestrahlung)

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für den Wärmetausch:

  • Wärmeleitung oder Konduktion: Wärme fließt in Richtung des Mediums mit geringerer Temperatur ab (z.B. Wasser, Luft, Boden)
  • Wärmeströmung oder Konvektion: Wärme wird durch ein strömendes Medium (z.B. Wind) abtransportiert
  • Wärmestrahlung: Wärme wird durch elektromagnetische Wellen übertragen (z.B. Sonnenstrahlen)

Haltung bei Wärmebelastung

Einfluss von Umweltfaktoren auf die Wärmebelastung

Grundsätzlich haben die Lufttemperatur, die Strahlungstemperatur, die Luftgeschwindigkeit sowie die relative Luftfeuchte Einfluss auf die Wärmebelastung.

Belastende Faktoren, die zu mehr Hitzestress führen (Fischer et al., 2014; Dirksen et al., 2006)

  • Sonne
  • fehlender Schatten
  • Windstille
  • hohes Körpergewicht im Vergleich zum rassetypischen Gewicht (Verfettung)
  •  hohe Milchleistung
  • Trächtigkeit
  • körperliche Anstrengung
  • Aufregung (Hund, sozialer Stress in der Herde, Transport…)
  •  ungenügendes Wasserangebot in Kombination mit hohem Salzgehalt im Futter
  • üppige Behaarung
  • dunkle Fellfarbe
  • Typ (kleine Oberfläche im Vergleich zur Körpermasse (z.B. kompakte Körperform).

Entlastende Faktoren:

  • Wind
  • Schatten
  • Feuchter Boden
  • Regen
  • Rasse (zebuartige mit mehr Schweißdrüsen unter der Hautoberfläche und mit feinerem, kürzerem Haarkleid führt zu effektiverer Wärmeabgabe durch Schwitzen)

Temperature Humidity Index (Temperatur-Luftfeuchte-Index)

Der Temperature Humidity Index (THI) wurde zwar ursprünglich für Milchkühe entwickelt, allerdings vermittelt er in einer sehr guten und anschaulichen Weise eine grobe Einschätzung zur Hitzebelastung bei Rindern. Für Fleischrinder wurde er bereits adaptiert (Abb. 5).

Ob die Gefahr von Hitzestress grundsätzlich besteht, kann mit dem Temperatur-Humiditäts-Index (THI) beurteilt werden.

Grundsätzlich gilt, dass die körperliche Belastung für die Rinder umso größer wird, je wärmer und feuchter die Luft ist. Zusätzlich wird Hitzestress durch starke Sonneneinstrahlung und fehlenden Wind erhöht.

Diese beiden Faktoren ändern sich aber oftmals recht rasch und sind daher für die grundsätzliche Risikoabschätzung weniger geeignet.

Um eine Orientierung für das Risiko und die Intensität von auftretendem Hitzestress zu geben, können die THI-Werte in vier Kategorien unterteilt werden.

Witterungsabhängige Tierkontrollen werden ab einem THI > 75 angeraten. Zwischen THI  75 und 78 ist die erste Warnstufe, die mit mäßigem Hitzestress verbunden sind. Ein THI zwischen 79 und 83 verursacht starken Hitzestress und über THI 84 besteht extremer Hitzestress mit einem sehr hohen Hitzeschlagrisiko für die Tiere.

„Bei direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzten Tieren seien die Temperaturgrenzen deutlich tiefer anzusetzen. Steige die Luftfeuchtigkeit, beginne der Hitzestress bereits bei tieferen Temperaturen. Bis zu einem gewissen Grad könne Luftbewegung die Hitzebelastung der Tiere mindern.”
Das Bundesamt für Veterinärwesen, Schweiz,  Fallbeispiel aus einem Verwaltungsgerichtsurteil:
Quelle: https://entscheidsuche.ch/direkt_kantone%2Ftg_vg%2FTVR-2004-Nr-20.html

Die Zusammenhänge werden auch in einer Untersuchung aus der Milchviehhaltung deutlich. Nach Kendall et al. (2007) stieg die Respirationsrate und die Körpertemperatur bei Kühen ohne Schatten oder Abkühlung nach 90 Minuten sehr schnell an. Die Vergleichsgruppe mit Schatten zeigte nur eine leichte Erhöhung der Respirationsrate, wobei die Kühe mit Schatten (auf Stallbedingungen bezogen: zusätzlich Sprinkler) keinen Anstieg der Atemfrequenz aufwiesen, aber die Körpertemperatur leicht vermindert war (innerhalb der 90 Minuten Beobachtungszeit). Ein signifikanter Effekt der Fellfarbe auf die Respirationsrate und die Körpertemperatur konnte nicht nachgewiesen  werden. Es zeigte sich aber, dass schwarze Kühe mit 82 Atemzügen je Minuten höhere Atememfrequenzen aufwiesen als helle Kühe mit im Mittel 72 Atemzügen je Minute.

Fazit:

Steigen die Umgebungstemperatur und die relative Luftfeuchte, steigt mit etwas Verzögerung die Körperkerntemperatur der Kühe. Je höher die Luftfeuchte, desto schneller geraten die Tiere bereits bei moderaten Temperaturen in Hitzestress. Steht den Tieren Schatten zur Verfügung, zeigen sich körperliche Reaktionen, wie erhöhte Atemfrequenz und höhere Körperkerntemperatur, langsamer.

 

Auf der Weide ist die Einschätzung des Hitzestresses anhand des THI anspruchsvoller, sodass die Bewertung von Tierindikatoren (z.B. Atemfrequenz, Speicheln, Maulatmung) zusätzlich notwendig wird.

Bei Weidetieren ist eine regelmäßige und intensivere Tierbeobachtung notwendig, da die Umgebungsbedingungen stärker schwanken und ggf. schnelles Eingreifen erfordern.

Auswirkungen auf die Tiere bei Überschreiten der Anpassungsfähigkeit

Die Anpassung des Körpers erfordert Zeit. Die rektal gemessene Körpertemperatur steigt erst nach einiger Zeit nach Beginn der Hitzestresssituation und gilt als Goldstandard zur Überprüfung der Anpassungsfähigkeit.

Die Körperkerntemperatur folgt dem Temperaturverlauf der Umgebung mit einer gewissen Verzögerung:

Bei moderaten Bedingungen von - 7/+18 °C ist der Verlauf des Anstiegs der Körperkerntemperatur sehr moderat und erreicht erst acht bis zehn Stunden nach Temperatur-Peak in der Umgebungstemperatur den eigenen Höchstwert. Bei starken Temperaturschwankungen -7/+32 °C werden die höchsten Körperkerntemperaturen schon nach drei bis fünf Stunden erreicht (Lees et al., 2019).

Das bedeutet also: je höher die Umgebungstemperatur ist, desto schneller folgt der Anstieg der Körperkerntemperatur bei den Rindern.

Während der Hitzeperioden, wenn bereits um 10 Uhr mit dem Erreichen der kritischen Tagestemperaturen gerechnet wird, muss daher ab mittags eine Bewertung der Atemfrequenz der Mutterkühe über den Panting Score erfolgen!

Für das Management der Mutterkuhherden während der Weideperiode können sich daraus zwei Maßnahmen ergeben, um ein Absinken der Trockenmasseaufnahme zu verhindern und durch höher-energetische Rationen die Belastung durch zusätzliche Stoffwechselwärme zu reduzieren:

  • Weidefutter mit maximal 28% Rohfaser (Ähren- und Rispenschieben) anbieten oder bei überständigem Futter eine Selektion der Tiere zulassen,
  • Zugabe einer neuen Portion oder einer neuen Fläche eher in den Abendstunden durchführen, damit die Wärmeerzeugung durch die Verdauung eher in den Nachtstunden erfolgen kann. 

Damit einhergehend können zwei Kernfaktoren beschrieben werden, an denen der Hitzestress gemessen werden kann:

[1] die Futteraufnahme der Mutterkühe sinkt (Hungergrube bewerten!)

[2] die Atemfrequenz ist erhöht

Beide Faktoren können sich unterschiedlich stark auf den Pansen-pH-Wert und den Säure-Basen-Haushalt im Blut auswirken. Eine Verminderung der Futteraufnahme mit einer einhergehenden Verminderung der Aufnahme an Rohfaser senkt die Wiederkautätigkeit und damit die Menge an gebildetem Speichel, der einen Beitrag zur Abpufferung des pH-Wertes im Pansen leistet. Die erhöhte Atemfrequenz führt zu einer Erhöhung der Abgabe von Kohlendioxid, welches neben der Beeinflussung des pH-Wertes im Pansen direkt auf den Säure-Basen-Haushalt der Kühe wirkt. Bei weiter steigenden Körperkerntemperaturen kann eine Veränderung des Haushaltes der Mineralstoffe und eine deutliche Reduzierung der Milchmenge mit einer Reduzierung der Milchinhaltsstoffe beobachtet werden, die sich sowohl auf die Leistung der Kühe als auch die Leistung der Kälber auswirkt und dann auch zu einer Überforderung der Anpassungsfähigkeit führen kann (vergleiche Abbildung). 

Anpassungsreaktionen und -möglichkeiten

Auf Hitzestress können Rinder mit Änderungen im Verhalten, der Gesundheit und der Leistung reagieren. Hier muss auch zwischen kurz- und mittelfristigen Anpassungsreaktionen und -möglichkeiten unterschieden werden.

Kurzfristige körperliche Anpassungsreaktionen:

  • Verdunstung

Verdunstung von Flüssigkeit in Form von Schwitzen oder Flüssigkeitsabgabe über die Atmungsorgane durch Erhöhung der Atemfrequenz, Hecheln und Speicheln.

  • Herzfrequenz

Bei starker Wärmebelastung über 38°C steigt die Herzfrequenz durch die steigende Körperkerntemperatur (Kolb 1980).

  • Wiederkauzeit:

Üblicherweise zeigen Kühe bei Hitzestress eine reduzierte Futteraufnahme und eine geringere Wiederkauzeit. Allerdings kann auch bei Hitzestress die Wiederkäuzeit durch eine vermehrte Speichelbildung (und damit mehr Natrium-Bi-Carbonat [Natriumhydrogencarbonat]) verlängert sein, was z. B. bei Mastrindern beobachtet wurde (Brscic et al., 2021).

  • Pansenfermentation:

Aufgrund der sich verändernden Pansen-pH-Werte kann es auch zu Störungen der Pansenfermentation kommen und damit auch zu vermehrten Lahmheiten (Kadzere et al., 2002)

Steigender THI kann die Respirationsrate erhöhen, was bis zu 60% der Wärmeabgabe der Tiere betragen kann (Cwynar et al., 2014) und zusätzlich aufgrund der sich verändernden Pansen-pH-Werte auch zu Störungen der Pansenfermentation führen und damit auch zu einer vermehrten Lahmheit führen (Kadzere et al., 2002). Daten wurden zwar an Milchkühen gemessen, die Pathophysiologie ist allerdings bei Mutterkühen auf der Weide dieselbe und die beobachteten Probleme können auch bei Mutterkühen auftreten.

Es besteht eine signifikante, negative Beziehung zwischen dem THI und der Wiederkaudauer (Moretti et al., 2017). Geht die Futteraufnahme um bis zu 4 kg Trockenmasse je Kuh und Tag zurück, dann muss weniger wiedergekaut werden.

Rinder, die bei Wärmebelastung keinen Schattenbereich finden, können ihr Normalverhalten nicht ausleben (Polsky und von Keyserlingk, 2017). In der Folge können biologische Funktionen und damit auch das Tierwohl und die Leistung beeinträchtigt sein (Polsky und von Keyserlingk, 2017). Unter Umständen können Verhaltensänderungen auftreten, die bei fehlender Bedarfsdeckung (fehlender Schatten, zu wenig Wasser) bis hin zu Verhaltensanomalien eine Folge sein können.

Kurzfristige Anpassungsreaktionen des Verhaltens:

  • Aufsuchen von Schatten (Edwards-Callaway et al., 2021) und windigen Stellen, Wälzen in Schlamm, Ausrichten der Körperbreitseite zur Windrichtung
  • vermehrte Wasseraufnahme, Rückgang der Futteraufnahme bzw. Verlegung der Aktivität/ Futteraufnahme in die kühlen Nacht- und Morgenstunden
  • enges Zusammenstehen, wenn zur Beschattung des Kopfes und Reduzierung des Insektendrucks Schattenbereiche fehlen (Sekundärliteratur: Review Edwards- Kallaway et al., 2021)

Mittelfristige körperliche Anpassungsreaktionen:

Die Anpassung des Haarkleids an die Jahreszeit. Der Behaarungsgrad nach Durbin et al. (2020) kann zur Beurteilung des Wechsels des Haarkleides genutzt werden. Der Wechsel des Haarkleids hat eine starke genetische Komponente (hohe Erblichkeit), aber auch die Mineralstoffversorgung und ggf. krankheitsbedingte Haarwechselproblemen spielen eine Rolle. Managementmaßnahmen wie routinemäßiges Scheren des Haarkleids wird nicht empfohlen, es sollte hier aber mehr Augenmerk auf das Haarkleid bei Auswahl der Zuchttiere gelegt werden.

Physiologische Indikatoren für Hitzestress

Der beste Indikator für Hitzestress ist der Anstieg der Körperkerntemperatur. Die Schwellentemperatur, über der es zum Anstieg der Atemfrequenz kommt, ist unterschiedlich. Für europäische Rassen (z.B. Holstein Friesian, Jersey, Brown Swiss) liegt sie bei 16 °C, für Brahmankühe bei 24°C (Fischer et al., 2014). Bei taurinen Rindern steigt die Körperkerntemperatur ab einer Umgebungstemperatur von 25-30°C. Ab 28°C steigt bei schwarzbunten Deutsch-Holstein Rindern die Körperkerntemperatur um 0,5°C (Fischer et al., 2014). Starker Hitzebelastung kann mit Unruhe und einer teils kritischen Rektaltemperatur > 40-43,5 °C einher gehen (Dirksen et al. 2006). Die Körperkerntemperatur kann aber gerade bei Mutterkühen, ohne den Einsatz von Sensoren, nicht praktikabel erfasst werden.

Gute, verlässliche und einfach zu erfassende Indikatoren sind hingegen die Atemfrequenz und das Speicheln. Je größer der Hitzestress, umso stärker steigt die Atemfrequenz und es tritt vermehrter Speichelfluss auf. Bei schwerem Hitzestress ist hochfrequentes Atmen, Hecheln, Keuchen, offenes Maul, vorgestreckte Zunge und schaumiger Speichel zu beobachten (Dirksen et al. 2006).

Checkliste Sommerhaarkleid

Der sogenannte „Panting Score“ (Gaughan, 2002; Mader et al., 2016), also die Erfassung von Wärmehecheln bei Kühen, ist ein praktisches Hilfsmittel um Hitzestress bei Kühen zu beurteilen. Hier wird in fünf bzw. acht Stufen das Risiko von gesundheitlichen Beeinträchtigungen eingeschätzt und der Handlungsbedarf -bzw. Handlungsoptionen skizziert. Die Atemfrequenz und die Form der Atmung wird dabei erhoben und bewertet.

Bei einem Panting Score von 4 sind die Tiere in Lebensgefahr und können versterben, wenn keine Möglichkeit zum Abkühlen geschaffen wird.

In Anlehnung an die Stellungnahme des Schweizer Veterinäramtes wird ab einer Temperatur von 30 °C im Schatten, im Rahmen der täglichen Herdenkontrolle, zusätzlich empfohlen, nach Erreichen der Tageshöchsttemperatur den Pantingscore an Fokustieren zu erheben.

Tabelle 4: Panting Score nach Gaughan 2002
Atmung

Atemfrequenz (Atemzüge pro Minute)*

*Atemfrequenz mind. 2 Minuten zählen

Panting Score
kein Hecheln (nomal)weniger als 400
leichtes Hecheln, Maul geschlossen40 - 701
schnelles Hecheln, Maul teilweise geöffnet70 - 1202
offenes Maul, leichtes Speicheln erkennbar120 - 1603
offenes Maul, Zunge herausgestreckt, starkes Speicheln

mehr als 160**

(** Atemfrequenz kann durch tiefes Einatmen wieder sinken)

4

 

Panting Score zur Beurteilung von Hitzestress bei Mutterkühen

(Einstufung nach Marder et al. 2016; Zeichnungen: G. Plesch, FiBL Deutschland e.V.)

Score

Beschreibung

Atemfrequenz (Atemzüge/min)

Handlungsbedarf und Handlungsoptionen

Panting Score 0

 

keine erhöhte Atmung

< 60

nein

Panting Score 1

leicht erhöhte Atemfrequenz, geschlossenes Maul, kein Speichelfluss, gut sichtbare Bewegung des Brustkorbs

60 - 90

nein

Panting Score 2

schnelle Atemfrequenz, geschlossenes Maul, Speichelfluss sichtbar

90 - 120 

Kühles Tränkewasser anbieten

Panting Score 2,5

zusätzlich

gelegentliche Maulatmung, Zunge nicht herausgestreckt

Kühles Tränkewasser und Schatten anbieten

Panting Score 3

Maulatmung, Speichelfluss, gestreckter Nacken, Kopf erhoben

120 - 150

Kühles Tränkewasser und Schatten anbieten

Panting Score 3,5

zusätzlich

Zunge gelegentlich voll herausgestreckt

Kühles Tränkewasser und Schatten anbieten

Panting Score 4

Maulatmung mit über einen längeren Zeitraum vollständig herausgestrecker Zunge, gestreckter Nacken, Kopf erhoben

> 150

Lebensgefahr! Dringend Abkühlung verschaffen

Panting Score 4,5

zusätzlich

gesenkter Kopf, starke Flankenatmung, Speichelfluss eingestellt

Lebensgefahr! Dringend Abkühlung verschaffen

Folgen für die Gesundheit

  • erhöhte Tierverluste:

4,8 % Tierverluste in einer Herde, die ohne Schatten gehalten wurde im Vergleich zu einer beschatteten Herde mit Verlusten von 0,2 % während einer Hitzeperiode in Iowa (Busby and Loy, 1997)

  • Hautreaktionen:

Durch eine intensive Sonneneinstrahlung können bei Rindern Hautschäden entstehen. Dabei sind oft Photosensibilitätsreaktionen eine weitere Ursache. Die zugrundeliegende Überempfindlichkeit der Haut kann dabei durch von außen zugeführte oder körpereigene Substanzen hervorgerufen werden. Auch Leberfunktionsstörungen durch Leberegelerkrankungen oder Giftpflanzen spielen eine Rolle. (Heather, 2015; Flöck et al., 2003)

  • Leistungsminderung:

Milchleistungsrückgang und Verringerung des Fettgehalts in der Milch, Verringerung der täglichen Zunahme bzw. Rückgang des Körpergewichts

  • Fruchtbarkeit:

Verzögerte oder schwache Brunst, Verkürzung der Trächtigkeitsdauer, Neigung zu Nachgeburtsverhaltungen, verminderte Libido und Spermaqualität (Dirksen et al. 2006).

 

Folgen für die Leistung

  • Studien an Mastrinder, die Zugang zu Schatten hatten, zeigten höhere tägliche Zunahmen, hatten eine bessere Futterverwertung und  Ausschlachtung (Edwards-Callaway et al., 2021)
  • In einer Untersuchung von Brown-Brandl et al. (2005) war die tägliche Trockenmasseaufnahme von Mastrindern um 17 % reduziert, wenn der maximale Temperature Humidity Index (THI, Thom, 1959) am entsprechenden Tag ≥ 84 war.
  • Rückgang der Futteraufnahme ab Temperatur von 21-24 °C (Beatty et al., 2006).
  • Die Nutzung von Möglichkeiten zur Reduzierung der Körpertemperatur durch z.B. Duschen und Ventilatoren wird durch die Milchkühe sehr unterschiedlich zeitlich in Anspruch genommen → es gibt also tierindividuelle Unterschiede im Bedarf an Wärmeabfuhr oder auch der Regulation (Legrand et al., 2011) → aber Reduzierung der Milchmenge durch Hitzestress bis 20% (auch bis 50% möglich).

Gestaltung eines Witterungsschutzes als Hitzeschutz

Shearer et al. (1991) geben an, dass Rinder den Schatten unter Bäumen besser annehmen als baulich-technischer Witterungsschutz (da die Blätter der Bäume durch die Evaporation auch noch eine Verdunstungskälte erzeugen).

  • Luftige Gestaltung des Unterstandes (Sambraus 2001), Unterstand, der guten Luftaustausch ermöglicht (z.B. Netz)
  • Netz anstelle einer Plane ermöglicht mehr Luftbewegung und weniger statische Probleme durch Niederschlag
  • Ausreichend Platz für alle Tiere (GEH 2019, TGD Freiburg 2005)
  • Schutz vor Insekten (TGD Freiburg 2005)
  • Möglichst großer Eingangsbereich, Platz für 2 Rinder (GEH 2019, TVT-Merkblatt Nr. 85, 2001); 2 Rinder müssen sich begegnen können, ohne ihre Individualdistanz zu unterschreiten (sonst: Rangkämpfe), keine Sackgassenbildung, Möglichkeit zum Ausweichen
  • Zugang zur kühlen Stallung schaffen
  • Schattenspender sollen auf der Weide in Windrichtung/ an windexponierten Stellen aufgestellt werden

Grundlegende Anforderungen an den Hitzeschutz:

  • Schatten für alle Tiere gleichzeitig
  • luftig/windexponiert
  • eingestreuter Boden verhindert punktuelle Nährstoffbelastung (Nährstoffbindung), Zerstörung der Grasnarbe
  • Wasserversorgung muss ad libitum gewährleistet sein. Sollte nicht im Schattenbereich erfolgen (Unruhe, Wasseransammlung)

Natürlich geschützte Bereiche als Hitzeschutz

  • Natürlicher Witterungsschutz ist vorteilhaft. Natürlich geschützte Bereiche ggf. durch Neupflanzung von Bäumen/Hecken
  • angepasste Herdenführung/Weideführung und Nutzung von beschatteteren Weiden
  • Weideführung (kein überständiges Futter, Umtreiben in den Abendstunden, Pansenfüllung beachten)
  • Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz darf nicht außer Acht gelassen werden
  • Waldweide unterliegt dem Bundeswaldgesetz und den Landeswaldgesetzen
  • Natürliche Schutzmöglichkeiten (Hecken, Bäume, Büsche, Waldungen, Felsvorsprünge…): müssen ganztägig wirksam sein

Baulich-technische Gestaltung, auch bzw. vor allem mobiler Witterungsschutz

Die rechtlichen Vorgaben sind in den Bundesländern sehr unterschiedlich.

  • AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen
  • Stationärer Witterungsschutz: baugenehmigungspflichtig
  • Naturschutzrecht
  • Baurecht (Landesbauordnung)
  • Wasserrecht
  • Nicht stationärer Witterungsschutz:

Auswirkungen auf die Grasnarbe/den Boden

  • bei abnehmender Sonneneinstrahlung, sinkender Wärme und zunehmender Bodenfeuchtigkeit kommt es zur Bodenverdichtung und zu Grasnarbenschäden (KTBL 481)
  • eine lange Verweildauer der Tiere in Schattenbereichen führt zur
    Schädigung der Grasnarbe und der Bodenstruktur
    punktuellen Nährstoffbelastung im Boden durch Harn und Kot → Veränderung im Pflanzenbewuchs
  • Belastung von viel besuchten Stellen durch Kot und Harn

Fazit

Gesetzliche Regelungen fordern einen ausreichenden Schutz vor widrigen Witterungseinflüssen. Deshalb ist es erforderlich, wärmebelastende Situationen mittels THI einzuschätzen und mit Hilfe des Tierverhaltens (z. B. Schattensuche, Wärmehecheln - panting score) zu erkennen. Bei Bedarf sind die Anpassungsreaktionen der Tiere zu unterstützen, indem luftige Schattenbereiche für alle Tiere bereitgestellt werden. Als ausreichender Schutz ist zu bewerten, wenn kein ungeschützt stehendes Tier Anzeichen von starkem Hitzestress zeigt.

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