Thermoregulation beim Rind unter Witterungsstress
Die Thermoregulation, also die Anpassung der Körpertemperatur in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur, bewegt sich in Grenzen und kann durch Witterungsstress stark gefordert werden. Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen und Zusammenhänge der Thermoregulation beim Rind erläutert.
Temperaturzonen und -regulationsvermögen
Rinder versuchen ihre Körperkerntemperatur konstant zu halten. Laut Dirksen et al. (2006) liegt die normale Körperkerntemperatur beim erwachsenen Tier zwischen 38-39 °C, bei Kälbern zwischen 38,5-39,5 °C und bei Jungrindern 38,0-39,5 °C. Bei Witterungsstress wird zuerst eine Verhaltensänderung vorgenommen, erst danach setzt die physiologische Anpassung ein (Sporkmann et al., 2016). Die Anpassungsfähigkeit ändert sich mit dem Alter des Tieres (Bianca 1977). In der Übersicht ist auch zu sehen, dass erwachsene Rinder toleranter gegenüber Kälte als gegenüber Wärme sind (Bianca, 1976).
Die thermoneutrale Zone, in der das Tier keine zusätzliche Energie aufwenden muss, um die Körpertemperatur zu regulieren, liegt laut Bianca (1968) für Rinder zwischen 0°-16°C.
Bei Unter- oder Überschreiten der Grenzen B und B´ können die Tiere ihre Körpertemperatur nicht mehr im physiologischen Rahmen halten und es besteht Lebensgefahr (Sporkmann et al., 2016).
Kälber, deren Mütter sich sehr gut um ihren Nachwuchs kümmern (früh trocken lecken, Präsentation des Euters, körperliche Nähe, Schattenspender etc.) haben eine höhere Toleranz gegenüber widrigen Witterungsbedingungen als solche, die auf sich alleine gestellt sind. Die thermoneutrale Zone für Tränkekälber wird bei einer Luftfeuchte von 50 % bis 60 % mit +15 °C und +25 °C beschrieben. Für ältere Kälber, die bereits einen funktionierenden Pansen besitzen und daher wiederkäuen können, wird der thermoneutrale Bereich mit +5 °C bis +15 °C angenommen (Berkemeier, 2021 in Elite Magazin, Hufelschulte, 2020 in topagrar).
Brown-Brandl (2005) geben an, dass die Körperkerntemperatur der Mutterkühe der Umgebungstemperatur ein bis fünf Stunden zeitversetzt folgt. Mader et al. (2005) beschreiben eine Zeit von 1,0 bis 3,5 Stunden bei Mastrindern nach einer Erhöhung der Körperkerntemperatur wieder auf Normal.
Für die Praxis bedeutet dies: Anpassungsreaktionen benötigen Zeit. Wenn Unsicherheit besteht, ob die Tiere unter Hitzestress leiden, sollte eine Beurteilung (international über den Panting Score erfasst) anhand von Maulatmung, erhöhte Atemfrequenz, Speicheln oder Körperkerntemperatur erfolgen.
Curtis et al. (2017) fanden heraus, dass die Korrelationen zwischen der tägliche Trockenmasseaufnahme der Rinder und Umgebungstemperaturdaten des gleichen Tages nicht signifikant waren. Vielmehr beobachteten die Autoren einen drei- bis fünftägigen Zeitverzug bei der Reaktion der täglichen Trockenmasseaufnahme auf eine Wärmebelastung. Es handelt sich dabei um eine verzögerte Anpassungsreaktion.
Grenze der Anpassungsfähigkeit
- "Bei einer Körperkerntemperatur zwischen 40,5 °C und 41,7 °C kommt es für die meisten Rinderrassen zum völligen Aussetzen der Körperfunktionen; man bezeichnet diese Schwelle als Letaltemperatur." (Fischer et al., 2014)
- Bei Überschreiten der Anpassungsfähigkeit an Hitze drohen Dehydratation, Hirnödem bedingte zentralnervöse Erscheinungen und Tod infolge der Lähmung des Atemzentrums oder Kreislaufversagen. Rektaltemperatur 40-43,5 °C (Dirksen et al., 2006)
Wärmeabgabe (Wärmeleitung, Konvektion, Wärmestrahlung)
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für den Wärmetausch:
- Wärmeleitung oder Konduktion: Wärme fließt in Richtung des Mediums mit geringerer Temperatur ab (z.B. Wasser, Luft, Boden)
- Wärmeströmung oder Konvektion: Wärme wird durch ein strömendes Medium (z.B. Wind) abtransportiert
- Wärmestrahlung: Wärme wird durch elektromagnetische Wellen übertragen (z.B. Sonnenstrahlen)