Abferkelsysteme im Fokus – Bewegungsbuchten oder freie Abferkelung?!
Das Netzwerk Fokus Tierwohl befragte Landwirte zu ihren Praxiserfahrungen. In Teil 1 werden die Umfrageergebnisse zu den Bewegungsbuchten vorgestellt.
Wie sieht zukünftig die Abferkelung aus? Im Zuge der Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) ließen die Diskussionen um die erlaubte Fixierungsdauer der Sauen um den Geburtszeitraum herum ausreichend Spielraum für Spekulationen. Nach Inkrafttreten der 7. Verordnung zur Änderung der TierSchNutztV im Februar 2021 steht fest, dass es nur noch eine maximale Fixierungsdauer von 5 Tagen rund um die Geburt in Buchten mit einer Fläche von mindestens 6,5 m2 geben darf. Eine Möglichkeit, um diese Anforderungen zu erfüllen, sind die sogenannten Bewegungsbuchten. Sie besitzen einen Ferkelschutzkorb und bieten den Sauen Bewegungsfreiheit, wenn sie nicht fixiert sind. Dagegen wird die Sau bei der „freien Abferkelung“ weder vor oder während der Abferkelung noch in der Säugezeit in ihrer Bewegung eingeschränkt (= Freilaufbucht). Eine Möglichkeit zur kurzzeitigen Fixierung der Sau, z. B. zur Behandlung, kann jedoch auch hier vorhanden sein.
Mit dem Ziel einer Verbesserung des Tierschutzes gibt die Änderung der TierSchNutztV nun endlich die notwendige Planungssicherheit für die Ferkelerzeuger. Die neuen Vorgaben für die Abferkelbuchten gelten für Neubauten seit Inkrafttreten der Änderung bzw. nach einer Übergangszeit von 15 Jahren auch in Bestandsbauten und sind mit hohen Investitionskosten verbunden. Eine Investition will gut überlegt sein. Noch bleibt Zeit für die Planung – ob eine Bucht letztendlich den Ansprüchen von Sau, Ferkel und Landwirt gerecht wird, stellt sich erst im praktischen Einsatz heraus.
Eine Umfrage, die im Rahmen der Arbeit der AG Saugferkelverluste entstanden ist, bündelt die bisherigen Erfahrungen mit Bewegungsbuchten und freier Abferkelung.
Praxisumfrage bündelt Erfahrungen
Einige Betriebe arbeiten bereits mit Bewegungsbuchten oder freier Abferkelung und haben dabei wertvolle Erkenntnisse gewonnen, was geht und was nicht. Daher startete das Tierwohl-Kompetenzzentrum Schwein des Netzwerks Fokus Tierwohl im vergangenen Jahr eine Umfrage. Ziel war es, die in den Betrieben gesammelten Praxiserfahrungen mit Bewegungsbuchten und der freien Abferkelung zu bündeln, um sie weiteren Landwirten zur Verfügung zu stellen und damit bei den kommenden Herausforderungen zu unterstützen.
An der Umfrage beteiligten sich insgesamt 214 Schweinehalter aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Im Folgenden werden die Antworten von 134 Betrieben mit Bewegungsbuchten zusammengefasst. Die Erfahrungen zum Einsatz der freien Abferkelung finden Sie hier. Der Anteil an Bewegungsbuchten variiert in den Betrieben (Abb. 1).
Etwa die Hälfte der Sauenhalter gab an, seit 1 – 5 Jahren mit Bewegungsbuchten zu arbeiten. Knapp 32 % waren erst vor weniger als einem Jahr in diese Form der Haltung von Sauen eingestiegen, weitere 16,4 % brachten ihre Erfahrungen aus einem mehr als fünfjährigen Einsatz dieses Abferkelsystems ein. Die Standorte der Ferkelerzeugerbetriebe verteilen sich dabei wie in Abbildung 2 dargestellt.
Von den Befragten machten 67 Personen eine Angabe zu den Herstellern der eingebauten Bewegungsbuchten. Mit 25,4 % waren Buchten der Firma Schauer Agrotronic GmbH am häufigsten vertreten. An zweiter Stelle kamen mit 17,9 % Bewegungsbuchten der Firma En-Sta Stalltechnik GmbH, während jeweils 13,4 % der Umfrageteilnehmer Buchten der Firmen Big Dutchman und Stallprofi Hof- und Stalltechnologie GmbH im Einsatz haben. In Bezug auf die Größe der Bewegungsbuchten gaben 20 Betriebe an, dass die verbauten Bewegungsbuchten eine Fläche von weniger als 6,5 m2 haben und damit nach Ablauf der Übergangsfrist ab Februar 2036 nicht mehr gesetzeskonform sind.
Die Bewegungsbuchten bilden eine Brücke zwischen dem konventionellen Ferkelschutzkorb und der freien Abferkelung. Sie bieten dabei Vorteile wie auch Nachteile, die die Umfrageteilnehmenden, wie in Tabelle 1 dargestellt, skizzierten. Es überrascht nicht, dass die Steigerung der Bewegungsfreiheit für die Sau am häufigsten als positiver Aspekt der Bewegungsbuchten genannt wurde. Bei den Einschätzungen des Arbeitsaufwandes gingen die Meinungen auseinander. Während einige Teilnehmer angaben, dass die Vorteile für die Sau (z. B. positiver Einfluss auf Tiergesundheit/Geburtsverlauf) gleichzeitig auch zu einem geringeren Arbeitsaufwand für den Tierbetreuenden führen, sorgte bei anderen Teilnehmern z. B. das Öffnen und Schließen des Kastenstandes oder das Einfangen der Ferkel für Behandlungen für einen erhöhten Arbeitsaufwand.
Vorteile | Nachteile | |
für die Sau |
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für die Ferkel |
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für den Tierbetreuenden |
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Bei der Frage nach dem Zeitpunkt des Schließens und Öffnens des Ferkelschutzkorbs waren die Antworten (n = 66) sehr unterschiedlich. Die Mehrzahl der Umfrageteilnehmenden nutzt noch die Möglichkeit, die Sau im Abferkelstall länger als 5 Tage zu fixieren (Abb. 3). Am häufigsten wurde angegeben, dass die Sauen 2 Tage vor dem errechneten Geburtstermin fixiert werden (27 %). Der Durchschnitt der gesamten Fixierdauer lag bei 8 Tagen. Als längste Zeit der Fixierung waren 21 Tage angegeben.
Hier wird sicherlich jeder für sich ausprobieren müssen, wie er die erlaubten 5 Tage Fixierdauer betriebsindividuell über den Abferkelzeitraum verteilt. Erfahrungen zeigen, dass der Ferkelschutzkorb rechtzeitig vor der Geburt geschlossen werden muss, weil die Sauen sich an die Fixierung gewöhnen müssen. Außerdem besteht sonst die Gefahr, dass zu viele Ferkel bei noch nicht geschlossenem Kastenstand erdrückt werden. Ein zu früher Verschluss ist jedoch eher negativ, weil die Fixierung auch Stress bedeutet und das Nestbauverhalten weniger gut ausgeführt werden kann. Es handelt sich um einen schmalen Grat zwischen der Befriedigung der Bedürfnisse der Sauen, der Ferkel und auch des Tierbetreuenden (Abb. 4).
Das sagen die Zahlen aus der Umfrage
Hinweis: Eine statistische Prüfung und Auswertung der Daten konnte nur mit einer kleineren Stichprobe von Betrieben durchgeführt werden, die alle erforderlichen Angaben zu den Saugferkelverlusten gemacht haben.
Eine repräsentative Auswertung wird von Betriebseffekten stark überlagert, was eine Auswertung erschwert. Trotzdem bestätigen sich Ergebnisse aus belastbaren Versuchen in den Lehr- und Versuchsanstalten. In den ausgewerteten Betrieben werden die Produkte namhafter Hersteller von Schauer über En-Sta, WEDA, Big Dutchman, Vissing Agro bis hin zu Eigenkonstruktionen bereits unterschiedlich lange eingesetzt. Damit werden ordentliche Leistungen von etwas über oder unter 30 Ferkeln pro Sau und Jahr erreicht. Gegenüber den Standardbuchten mit Fixierung über die gesamte Säugezeit ist das im Mittel (nur) ein Ferkel pro Sau und Jahr weniger. Die Differenz kommt erwartungsgemäß aus der Ferkelverlustrate. Betriebe, die sich schon lange (> 5 Jahre) mit den Bewegungsbuchten befassen haben aber zunächst keine besseren Ergebnisse als Betriebe, die das noch nicht solange machen. Der Grund ist aber nicht im mangelnden Erkenntniszuwachs zu sehen, sondern darin, dass auch die Technik besser geworden ist. Die älteren Buchten haben eine durchschnittliche Größe von unter 6,0 m², die neueren von durchschnittlich 6,6 m². Die Erfahrungen aus den Versuchsanstalten zeigen, dass immer größere Buchten (> 7 m²) die Ergebnisse für Mensch und Tier nicht besser machen. Weniger als 6 m² sind aber offensichtlich zu wenig und erfüllen perspektivisch nach der Übergangsfrist auch nicht die gesetzlichen Vorgaben. Auf der anderen Seite haben Betriebe, die sich mit dem Verfahren befassen und bereits etwa die Hälfte der Buchten als Bewegungsbuchten betreiben, die deutlich (hochsignifikant + 4-5 Ferkel/Sau/Jahr) besseren Ergebnisse als die Betriebe, die wenige solcher Buchten haben. Somit spielt die Erfahrung und Einstellung der Betreiber trotzdem eine große Rolle.
Bei der verwendeten Technik unterschiedlicher Hersteller zeigt sich zumindest tendenziell (so wie in den Versuchen signifikant), dass es bei der Konstruktion der Buchten darum geht, die Sau im Abliege- und Liegeverhalten zu lenken. Das funktioniert gemessen an der Ferkelverlustrate auf einer mehr trapezförmigen oder zum Trog hin spitz zulaufenden Aktionsfläche der Sau (Abb. 5) besser als auf einer quadratischen oder vieleckigen (polygonalen) Grundfläche. Denn nur so wird die Sau dazu gebracht sich auf einer für sie vorgesehenen Standfläche (mit entsprechender Standsicherheit) und möglichst unterstützt vom Ferkelschutzkorb abzulegen und im Liegen wenige Rollbewegungen zu machen. Alle anderen Grundflächen bieten einen größeren Öffnungswinkel des Korbes und damit mehr Bewegungsfreiheit für die Sau, führen aber zu höheren Ferkelverlusten. In der Auswertung über die Betriebe hinweg waren das zwar nur wenige %- Punkte (2 - 3 %). Der tatsächliche Effekt ist aber höher und betrug in dazu angelegten Versuchen mehr als 7 % oder ein Ferkel pro Wurf was verkauft werden kann.
Häufiges Füttern (> 2-mal täglich) bedeutet häufiges Aufstehen und damit ein tendenziell größeres Verlustrisiko für Ferkel. Nur einmal tägliches Füttern schont die Ferkel, reicht aber gemessen an der angegebenen Jahresleistung (3 Ferkel/Sau/Jahr weniger als bei 2-maligem Füttern) trotzdem nicht und ist demnach nicht zu empfehlen.
Bei den abgefragten Korbverschlusszeiten vor und nach der Geburt war es schwierig Ursachen und Wirkung zu trennen, weil Betriebe die Probleme mit unbefriedigenden Ferkelverlustraten haben, dazu neigen die Sauen länger (> 10 Tage) zu fixieren. Gemessen an den vorliegenden Zahlen zeigt sich aber, dass es richtig ist, den Ferkelschutzkorb vor der Geburt rechtzeitig zu schließen. Insbesondere die jungen Sauen müssen sich an die Fixierung gewöhnen. Dazu kommt, dass bei zu spätem Verschluss die Gefahr besteht, dass zu viele Ferkel bei noch nicht geschlossenem Kastenstand erdrückt werden, indem sich die Sauen unter dem Eindruck der Wehen hin- und herwerfen. Die besseren Ergebnisse werden den Angaben zufolge bei Verschlusszeiten von 2 - 3 Tagen erzielt. Da die gesetzliche Vorgabe perspektivisch aber nur 5 Tage Verschlusszeit rund um die Geburt zulässt, brauchen wir diese eigentlich nach der Geburt. Auch hier muss also noch dazu gelernt werden.
Die deutlichsten, aber auch stark von Betriebseffekten überlagerten Unterschiede sind bei der verwendeten Genetik oder Sauen-Herkunft zu sehen. Offensichtlich sind die Zuchtunternehmen bislang unterschiedlich weit, Sauen zu liefern, die den gewährten Freilauf ausschließlich positiv umsetzen. Es ist zu wünschen, dass die dafür ursächlichen Muttereigenschaften, die in der konventionellen Haltung wohl ein Stück weit verloren gegangen sind, bei der Selektion zukünftig wieder einen größeren Stellenwert bekommen.
Dr. Eckhard Meyer, Lehr- und Versuchsgut Köllitsch
Nicht einfach loslegen
In einer Sache sind sich die Befragten einig: Lassen Sie sich bei der Entscheidung für eine Bucht Zeit! Bauen Sie zunächst ein paar unterschiedliche Buchten zum Testen ein, die Sie neben den konventionellen Buchten laufen lassen. So können Sie Erfahrungen sammeln und Kriterien für sich herausarbeiten, die Ihnen bei der Gestaltung und dem Management der Bucht wichtig sind. Denn die Bucht muss zum Betrieb passen. Nutzen Sie, wenn möglich, auch sich bietende Gelegenheiten zum Austausch mit Berufskollegen zu deren praktischen Erfahrungen. Besichtigen Sie Betriebe und probieren Sie Handgriffe wie das Öffnen und Schließen des Ferkelschutzkorbs selbst aus.
Aller Anfang ist schwer
Vor allem aber gilt: Geben Sie bei Rückschlägen zu Beginn nicht gleich auf. Sauen, die eine konventionelle Abferkelbucht gewohnt sind, können Schwierigkeiten mit einer neuen und anders gestalteten Bucht haben. Daher können während der Umstellungsphase vorübergehend höhere Ferkelverluste auftreten. Solche Rückschläge sollten aber nicht als Bestätigung dafür angesehen werden, dass das System als solches schlecht ist.
Stimmen aus der Praxis
Was würden Sie Ihren Berufskolleginnen und Berufskollegen als Hilfestellung für den Umstieg auf Bewegungsbuchten mit auf den Weg geben?
Lesen Sie hier alle Antworten der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer.
Autoren: Dr. Sabine Schütze, Laura Schönberg (Geschäftsstelle des Tierwohl-Kompetenzzentrums Schwein)