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Weide im Fokus

Die Deutschen Weidetage fanden dieses Jahr zum zweiten Mal statt.

Schon von Weitem war erkennbar, dass auf dem Betrieb bei Familie Hanken in Elsfleth in Niedersachsen Besonderes im Gange war. Denn neben den Kühen auf der Weide schmückten auch große weiße Pagodenzelte die Hofumgebung. Da staunten nicht nur die Tiere selbst.

Für die 2. Deutschen Weidetage am 21. und 22. Juni 2023 wurden große Teile des Familienbetriebs herausgeputzt, umgeräumt und dekoriert. Eine Besonderheit der Weidetage in diesem Jahr: neben den Initiatoren vom Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e.V. waren auch das Netzwerk Fokus Tierwohl und Elite Partner bei der Organisation und Durchführung der Veranstaltung.

Auf dem Programm standen spannende Vorträge am Vormittag. Nachmittags konnten die Besucher:innen aus einer Vielzahl an Workshops wählen und in Kleingruppen mit Expert:innen über Fachthemen ins Gespräch kommen oder sich in praktischen Übungen erproben.  

Nach der Begrüßung der Organisatoren am ersten Tag wurden in den nachfolgenden Vorträgen nicht nur Milchkuhhaltende angesprochen. Das (Teil-)mobile Schlachten wurde von Lea Trampenau (ISS innovative Schlachtssysteme) und Holger Behrens (bio4friends) genauer beleuchtet. Positiv an diesem Verfahren ist, dass Lebendtiertransporte umgangen werden. Im Gegensatz zur vollmobilen Schlachtung finden nur zwei Teilprozesse der Schlachtung am Hof/auf der Weide statt. Das Tier wird in seiner gewohnten Umgebung betäubt, getötet und dann innerhalb von 2 Stunden zum Schlachtbetrieb gefahren. Die aus Sicht des Tieres deutliche Stressreduktion bei diesem Verfahren wirkt sich nicht nur auf das Tier selbst, sondern auch auf dessen Fleischqualität positiv aus. Die Förderung von Tierwohl, Nachhaltigkeit und der Erhalt der Wertschöpfungskette können hierbei klar benannt werden.

Beide Referenten setzen sich stark bei der Begleitung im Umsetzprozess ein, beraten und sensibilisieren für diese Art der Schlachtung.

Das im Anschluss beleuchtete Thema ist sowohl im Stall als auch auf der Weide für Rinder bedeutsam: Tränkwasser, das wichtigste aller Futtermittel. Prof. Dr. Julia Steinhoff-Wagner (TU München) zeigte den Teilnehmenden wie wichtig es ist, sich die Tränken genauer anzuschauen und in regelmäßigen Abständen Wasserproben einzuschicken. Denn die Art der Tränken, das Klima und der Hygienestatus beeinflussen das Trinkverhalten der Kühe. Zudem können bei ungenügend sauberen Tränken Bakterien oder auch Algen Erkrankungen bei den Tieren hervorrufen. Daher sollte mehrmals täglich eine Sichtkontrolle des vorhandenen Wassers, vom Durchfluss, etc. stattfinden sowie alle paar Tage (nach Bedarf) Hygienemaßnahmen durchgeführt werden. Tränkwasser sollte mindestens einmal im Jahr durch Analysen kontrolliert werden. Bei Auffälligkeiten sogar häufiger, empfiehlt die Expertin.

Weshalb der Betrieb von Familie Hanken als Veranstaltungsort ausgewählt wurde, ist im dritten Fachvortrag deutlich geworden. Dieser beschäftigte sich mit der Zukunft der Moorstandorte in Niedersachsen, welche für Betriebe in den Küstenregionen Niedersachsens Thema sind. Zur Erreichung der Klimaziele Deutschlands wurden rechtliche und politische Rahmen des Moorschutzes geschaffen. Moore sollen zukünftig wieder nasser und extensiver genutzt werden. Doch wie klappt das im Einklang mit Milchkuhhaltung? Mathias Paech vom Gründlandzentrum Niedersachsen/Bremen e.V. kalkulierte für die Zuhörenden die sozioökonomischen Folgen. Sein Ausblick: die Vernässung von Moorstandorten geht mit Verlusten und Kosten in Milliardenhöhe einher. Zurzeit sind noch keine zufriedenstellenden Lösungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht für Milchkuhhaltende Betriebe in Sicht, sieht man vom Einbau und Einsatz von Photovoltaikanlagen ab.

Im abschließenden Vortrag des ersten Vormittags referierte Erik Jansen aus dem Veenweide Innovatiecentrum (NL). Um Lösungen zur Treibhausgasreduktion zu finden, wurde das Moor Innovationszentrum 2012 gegründet. Hier werden innovative Lösungen für Problemstellungen in (landw. genutzten) niederländischen Moorgebieten entwickelt und getestet. In der Hauptsache geht es dabei um Wassermanagement und Landnutzung (Milchproduktion und Alternativen). Der Referent stellte die Wasserinfiltration vor und erklärte, was die landwirtschaftliche Nutzung nasser Moore (Paludikultur) an Vor- und Nachteilen aufweist. In dem aktuell laufenden Niederländischen Forschungsprogramm für Treibhausgas Dynamik in Mooren und organischen Böden (NOBV) werden Treibhausgasemissionen und Maßnahmeneffekte bestimmt, um Protokolle zur Messung zu entwickeln. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass die Wiedervernässung effektiv für die Reduktion der Torfdegradation und CO2- Emissionen ist, aber viele Effekte und Einflüsse das Gegenteil bewirken. Sicher ist, dass die Auswirkungen der Anhebung des Grundwasserspiegels oder der Paludikultur auf die Emissionen unterschiedlich sind. Sie hängen vom Standort, der Kultur, der Landnutzung, den Standortbedingungen, der Bewirtschaftung und dem Wetter ab.

Nach einer Stärkung ging es für die Veranstaltungsteilnehmer in die Workshops. Halbstündige bis zweistündige Workshops wurden zu unterschiedlichsten Themen angeboten. Von der Wasserversorgung auf der Weide über Klauengesundheit in Stall und auf der Weide bis hin zur bodenschonenden Grünlandbearbeitung stand ein breites Themenfeld zur Verfügung. Hier konnten die Teilnehmenden mit Expertinnen und Experten ins Gespräch kommen und aktiv Lösungen erarbeiten. Die spannenden Workshops kamen beim Publikum sehr gut an. Zusätzlich führte der Betriebsleiter Dirk Hanken Interessierte über seinen Betrieb und stellte sich den vertiefenden Nachfragen.

Am zweiten Tag ging es um die Kühe auf der Weide an sich. Frau Dr. Agnes van den Pol-van Dasselaar von der Aeres University of AppliedSciences in den Niederlanden stellte die Wettbewerbsfähigkeit der Weidehaltung vor. In Deutschland nimmt die Weidehaltung stetig ab und liegt aktuell unter 50 % bei den Milchkuhhaltenden Betrieben. Größeren Stellenwert hat die Weidehaltung beispielsweise in Irland sowie in den Niederlanden. Weidehaltung stärkt die Artenvielfalt. Durch die Ausscheidungen der Tiere entwickelt sich eine große Vielfalt von Flore und Fauna. Zudem können Verfahren (Mähen, Beweiden) rotieren. Die Weidehaltung hat zudem auch einen Einfluss auf das Klima. Bei einer Vollbeweidung (Tag und Nacht) nehmen Methan-, aber auch Ammoniakemissionen ab. Ein ganz auschlaggebender Punkt ist auch der positive Einfluss auf das Tierwohl. Kühe können ihre natürlichen Verhaltensweisen ausleben und die Gesundheit und Fitness werden gefördert. Damit negative Auswirkungen der Weidehaltung nicht zu Buche schlagen, sollte der Umfang der Beweidung betriebsindividuell und je nach der Bewirtschaftungsform abgeschätzt werden.

Anschließend zeigten Friederike Riesch und Martin Komainda (Universität Göttingen) die Zusammenhänge zwischen Weidehaltung und Biodiversität auf. Bei intensiver Beweidung nimmt die Diversität der Pflanzen zu. Das heißt, dass die Zahl der Pflanzenarten steigt. Im Gegensatz zu den Insekten. Dort fördert eine geringere Beweidung die Diversität. Um Heterogenität zu schaffen, empfiehlt Frau Riesch zudem auch eine Kombination von Pflanzenarten mit unterschiedlichen komplementären funktionellen Merkmalen. Dies ist auch bei Wasserknappheit von Vorteil, da dann bessere Anpassungsmöglichkeiten besteht. Um die Emissionen etwas zu verringern kann eine Grasmischung mit Spitzwegerich dazu beitragen, dass N-Ausscheidungen im Urin verringert werden, erklärt Herr Komainda.

Nach einer kurzen Pause bekamen die Landwirte das Wort. Für einen praxisnahen Einblick standen zwei Betriebsleiter aus Dänemark sowie ein Praktiker aus der Eifel dem Auditorium zur Verfügung. Thema: Wie sieht die Weidehaltung in der Praxis aus. Herr Markus Legge (NRW) hat sich beim Melken eine innovative Idee einfallen lassen. Da aufgrund seiner Standortgegebenheiten eine direkte Weidehaltung in unmittelbarer Betriebsumgebung nicht funktioniert, fährt er für seine 75 Milchkühe (in ökologischer Haltung) im Sommer das AMS im Container auf die Weide. Sein Roboterstellplatz ist mit einem Wartebereich mit Spaltenboden eingerichtet. Zudem gibt es ein Selektionstor bei dem die Tiere bei Bedarf auf andere Weiden umgetrieben werden können.

Dänemark geht fortschrittlich mit der Weidehaltung um. Dies stellten Rene Søndergård und Søren Hemming Madsen mit ihren Betriebesporträts vor. Rene Søndergård betreibt einen Ökologischen Betrieb mit 164 Kühen und einer Milchleistung von 13.200 kg EKM. Seine Kühe haben drei AMS im Stall und können selbstständig vom Stall auf die Weide laufen. Sie sind fast rund um die Uhr auf der Weide mit einer Fläche von 12 ha (Umtriebsweiden). Dies zahlt sich in gesunden Klauen und gutem Kuhkomfort im Stall aus, erzählt er. Sein Zitat: „Mache die Weide zu einem Teil des Stalls“.

Søren Hemming Madsen hat dagegen deutlich mehr Kühe. Er bewirtschaftet 750 ha mit 950 Jerseykühen und melkt in einem Melkkarussell. Er bewirtschaftet seinen Betrieb nach neuseeländischem Vorbild mit passenden Melksystemen, Weidestrategien und einer Blockabkalbung. Wie er dies umsetzt, erklärte er den Zuhörern: während der Trockenstehphase haben die Kühe nur einen begrenzten Zugang zur Weide. Sonst sind seine Kühe in den Morgenstunden auf der Weide. Zum zweiten Melken werden sie nach 6 Stunden Weidegang um 13:30 in den Stall getrieben. Die Blockabkalbung startet Mitte Juni und geht bis August. Dafür stellt er jedes Jahr die Kühe im Mai Trocken.

Nach einer kleinen Podiumsdiskussion wurden alle Zuhörenden in die Mittagspause entlassen, um sich für die anschließenden Workshops zu stärken. Highlight des Nachmittags war der Austausch mit den Landwirten aus Dänemark. Hier konnten die Teilnehmenden ihre konkreten Fragen direkt loswerden und in den Austausch gehen.

Autorin: Caroline Leubner, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH)