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Schlachtung im Haltungsbetrieb

In Deutschland dürfen Rinder grundsätzlich nur im Schlachthof getötet werden, wenn die Tiere für den menschlichen Verzehr vorgesehen sind. Ausnahmen gab es bis vor kurzem nur für Betriebe die z.B. ihre Rinder ganzjährig im Freiland halten und die Tiere auf der Weide mit Kugelschuss töten und das Tier anschließend in den Schlachthof bringen. Durch neue Vorschriften ist nun aber die Schlachtung im Haltungsbetrieb möglich, wenn entsprechende Auflagen erfüllt werden. Wie das funktionieren kann zeigte eine Veranstaltung des Netzwerk Fokus Tierwohl auf einem Rinderbetrieb im Harz.

Knapp 20 Teilnehmer versammelten sich früh am Morgen auf dem Hof Thielecke im Harz um mehr über Rindfleisch-Vermarktung und das große Thema der haltungsnahen Schlachtung zu erfahren. Mit gut 600 Hektar und 1000 Rinder der Rasse Harzer Rotes Höhenvieh hatte der Betrieb einiges zu bieten. An drei unterschiedlichen Stationen gab es Informationen zu den wichtigsten Aspekten der Schlachtung im Haltungsbetrieb: den rechtlichen Rahmenbedingungen, der Vermarktung und dem Schlachtprozess selbst. Die erste Station wurde von Wolf Fischer (LLG Sachsen-Anhalt) betreut. Mithilfe eines Impulsvortrages leitete er in das Thema „Behörden-Marathon“ ein. Viele neu in die Direktvermarktung einsteigende Betriebe sehen sich einem „Dschungel“ an Richtlinien und Verordnungen gegenüber. Die föderalen Strukturen führen dazu, dass auf Kreisebene unterschiedliche Anforderungen bezüglich der Umsetzung geltender Rechtsvorschriften gestellt werden. Den Teilnehmern wurde dennoch einen Überblick über die allgemein zu beachtenden Rechtsvorschriften und die bei der Planung einer eigenen Schlachtstätte einzubeziehenden Behörden gegeben. Hingewiesen wurde auf die umfangreichen Kompendien aus Bayern und Nordrhein-Westfalen. Als Beispiele wurden das Handbuch Zulassung von Schlachtstätten oder die Rechtsvorschriften zur Direktvermarktung genannt. Anschließend durften die Teilnehmer ihre eigenen Erfahrungen schildern. Dabei wurden primär der hohe Zeitaufwand für den Zulassungsprozess, lange Bearbeitungszeiten von Anträgen sowie die auf kommunaler Ebene vorhandenen Unterschiede in der Zulassungspraxis thematisiert. Auch die fehlenden Angebote sowie die teils hohen Kosten für den, bei Umsetzung des Kugelschuss notwendigen, Befähigungsnachweis/Sachkundenachweis „Distanzinjektion, Immobilisation und Töten von Damwild und extensiv gehaltenen Rindern“ wurden von den Teilnehmern kritisiert. Die Wünsche der Teilnehmer nach bundesweit einheitlichen Regelungen für Genehmigungsverfahren, mehr Transparenz, der Erstellung eines Leitfadens für die Direktvermarktung sowie zur Schlachtung im Haltungsbetrieb und einer Austauschplattform für Direktvermarkter wurden deutlich.

An der zweiten Station „Vermarktung“ gab Arne Kutschbach einen kurzen Einblick in die Arbeit der Agrarmarketing-Gesellschaft Sachsen-Anhalt (AMG). Er berichtete, welche Fördermöglichkeiten derzeit für die Direktvermarktung in Sachsen-Anhalt bestehen. Der Gastgeberbetrieb Thielecke lud die Teilnehmer im Anschluss zu einer Verkostung der hofeigenen Fleisch- und Wurstwaren ein und ließ die Anwesenden den Geschmack mithilfe eines sensorischen Protokolls beurteilen. Der Betrieb legt großen Wert auf die Vermarktung aller Teilstücke des Tieres. Darum bietet er seinen Kunden einmal monatlich Fleischpakete an, die sowohl Edelteile als zum Beispiel auch Beinscheiben und Gulaschfleisch enthalten. Für die Wurstwaren-Produktion hält der Betrieb darüber hinaus mehrere Angler-Sattelschweine sowie Leicoma-Kreuzungstiere. Durch die regionale, gläserne Produktion und die Offenheit der Betriebsinhaber werden haltungsbewusste Konsumenten gezielt angesprochen und gewinnbringende Produktpreise erzielt.

Eine ganz besondere Station war der „Schlachtprozess“ selbst, den die Teilnehmer an diesem Tag von der Betäubung bis zum Abhängen der Rinderhälften begleiten durften. Fleischermeister Marvin Freystein hatte an dem Morgen drei Rinder zur Schlachtung vorgesehen. Diese wurden am Abend zuvor in den Stall getrieben und am Morgen verladen, um die 4 km lange Strecke zwischen Schlachtstätte und Stallgelände zurückzulegen. „Im Umgang und auch beim Verladen ist uns ein ruhiger, stressarmer Umgang sehr wichtig!“ so der Fleischermeister. Während das Schweinefleisch für die Wurstwaren direkt warm verarbeitet wird, hängen die Teilstücke vom Rind im Schnitt rund drei Wochen im Reiferaum. Zwölf Rinder könnten in der Woche geschlachtet werden. Perspektivisch sind besonders in der Lohnschlachtung noch freie Kapazitäten vorhanden.

Nach dem Mittagessen im Hofrestaurant folgte ein Vortrag von Lea Trampenau (ISS - Innovative Schlachtsysteme) zur teilmobilen Schlachtung von Rindern. Sie hat unter anderem ein innovatives mobiles Schlachtsystem selbst entwickelt und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Weidetötung. Es ist für die Tiere deutlich stressärmer, da unter anderem der Transportstress wegfällt. Das wirkt sich positiv auf das Befinden des Tieres als auch auf die Fleischqualität aus. Weiterhin besteht mit dem Verfahren großes Potential für die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten.

Bevor die Teilnehmer den Schlachtanhänger vor Ort in Augenschein nehmen konnten, erläuterte Frau Trampenau in ihrem Vortrag die Besonderheiten der teilmobilen Schlachtung. Teilmobil deshalb, weil das Tier nicht direkt auf dem Gelände einer EU-zugelassenen Schlachtstätte getötet wird, sondern in einer mobilen Einheit der Schlachtstätte, beispielsweise in einem speziellen Schlacht-Anhänger. Die sogenannte teilmobile Schlachtung kann als Weidetötung oder als Hoftötung durchgeführt werden, abhängig von den Haltungsbedingungen der Tiere (Abbildung 1). Der Schlachtprozess ist durch zahlreiche gesetzliche Vorschriften zur Umsetzung einer teilmobilen Schlachtung geregelt. Wichtige rechtliche Grundlagen sind die EU-Hygieneverordnungen 852/2004 und 853/2004 und die EU-Tierschutzschlachtverordnung Nr. 1099/2009. Im nationalen Recht zu berücksichtigen sind die Tier-LMHV (tierische Lebensmittelhygieneverordnung) sowie die Nationale Tierschutzschlachtverordnung. Seit Juli 2021 gilt mit Kapitel VI a in Anhang III/VO(EU) Nr. 853/2004 eine Erweiterung im EU-Hygienerecht zur Schlachtung im Haltungsbetrieb.

Dieser eigene Rechtsrahmen legt unter anderem folgende Punkte fest:

  • Genehmigungspflicht für Schlachtungen im Haltungsbetrieb
  • Pro Schlachtvorgang im Betrieb: 3 Rinder, 3 Pferde, 6 Schweine; Ausnahmen möglich
  • Verwendung einer mobilen Schlachteinheit
  • Entbluten außerhalb der mobilen Einheit möglich
  • Anwesenheit des amtlichen Tierarztes
  • Zwei Stunden Fahrtzeit maximal bis zum immobilen Schlachtbetrieb
  • Schriftliche Vereinbarung zwischen Landwirt und Schlachtbetrieb

Natürlich kam die Frage der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens auf. Die verpflichtende Anwesenheit des amtlichen Tierarztes bei der teilmobilen Schlachtung ist dabei ein bedeutender Kostenfaktor. Bei eingespielten Abläufen wird sich die benötigte Zeit auf 15 bis 20 Minuten zuzüglich der Anfahrtszeit einpegeln, ist die Referentin sicher. Sie rät außerdem: „Trauen Sie sich, den Preis zu erhöhen und vermarkten Sie den ethischen Mehrwert und einen geschlossenen Betriebskreislauf mit an ihre Kunden.“

Autorin: Anne Helene Ahrend, Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt