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Brustbeinschäden bei Legehennen – ein Multifaktorielles Problem

Am Ende der Legeperiode treten bei durchschnittlich mehr als 40 % der Legehennen einer Herde Brustbeinschäden auf. Untersuchungen zeigten bei betroffenen Tieren Schmerzen und eine eingeschränkte Mobilität, so dass davon auszugehen ist, dass Brustbeinschäden das Wohlergehen der Tiere beeinträchtigen. Doch wie entstehen Brustbeinschäden, was kann man dagegen tun und welche Auswirkungen haben sie? Diesen Fragen widmen sich Dr. Stefanie Petow (Friedrich-Löffler-Institut, Celle) und Dr. Lisa Jung (Uni Kassel) bereits seit einigen Jahren. In einem Webseminar des Projektes Netzwerk Fokus Tierwohl teilten sie ihre Erkenntnisse mit den Teilnehmern.

Vorweg sollte man sich vor Augen führen, welche Auswirkungen das Auftreten von Brustbeinschäden für das Tier, aber auch den Betrieb haben: Die Brustmuskeln sind bei der Legehenne am Brustbein verankert. Daher wirken bei jeder Flügelbewegung mechanische Kräfte, durch den kontrahierenden Muskel, auf das evtl. gebrochene Brustbein ein. Ist ein Brustbein verletzt, versuchen die Legehennen ihre Bewegungen zur Schmerzvermeidung auf ein Minimum zu reduzieren. Diese Einschränkung der Mobilität führt vor allem in Volieren mit mehreren Ebenen häufig zu einer geringeren Futter- und Wasseraufnahme und teilweise zu verlegten Eiern bzw. zu einer geringen Legeleistung. Somit haben die Brustbeinschäden nicht nur Auswirkungen auf das Tierwohl, sondern auch auf die Ökonomie.

Bei Brustbeinschäden unterscheidet man zwischen Brüchen (= Frakturen) und Deformationen.

Unter Deformationen werden Abweichungen von der eigentlich geraden Mittelachse des Brustbeins verstanden. Das Auftreten dieser Veränderungen am Brustbein wird sowohl bei Hennen als auch bei Hähnen beobachtet. Bei der Ausbildung von Deformationen spielt die Druckbelastung, die beim Sitzen auf der Stange auf das Brustbein ausgeübt wird, eine Rolle. Desweiteren könnte die Tageslänge in Verbindung mit Vitamin D ebenfalls eine Rolle spielen.

Bei den Brustbeinfrakturen kann in der Entstehung zwischen traumatischen und nicht traumatischen Frakturen unterschieden werden.

Traumatische Frakturen können das gesamte Brustbein betreffen. Der Heilungsprozess zieht sich bei diesen Frakturen häufig über 4-6 Wochen hin. Sie entstehen unter anderem, wenn Legehennen beim Anflug mit einer Sitzstange kollidieren.

Unter nicht-traumatischen Frakturen werden z.B. Belastungsbrüche verstanden. Diese treten hauptsächlich am hinteren Ende (Brustbeinspitze) des Brustbeins auf. Die Heilung ist bei diesen Frakturen stark verzögert bzw. nicht zu beobachten. Als mögliche Ursache für diese Art von Brüchen wird diskutiert, dass der Legebeginn bei Legehennen bereits zwischen der 18.-22. Lebenswoche einsetzt, wodurch der Calciumbedarf ansteigt. Somit könnte Calcium für den Verknöcherungsprozess fehlen, der am hinteren Ende des Brustbeins erst in der 33. Lebenswoche erfolgt.

Eine Fragestellung, die von den beiden Wissenschaftlerinnen untersucht wird, ist, welche Faktoren der Entstehung von Brustbeinschäden zugrunde liegen. Nach derzeitigem Wissensstand geht man davon aus, dass sowohl die Legeleistung, die Genetik, die Lebenswoche, die Fütterung wie auch das Haltungssystem einen Einfluss haben.

Einfluss der Legeleistung

In der hohen Legeleistung sieht Frau Dr. Petow aufgrund der bestehenden Studienlage eine Hauptursache für das Auftreten von Frakturen. So werden etwa 2,5 g Calcium zur Bildung eines Eis benötigt. Diese Menge kann das Tier jedoch nicht allein über das Futter decken, so die Expertin. Für die Bildung der Eischale mobilisieren die Tiere zusätzlich Calcium aus dem Inneren des Knochens, dem sogenannten medullären Knochen, einer Knochenstruktur, die nur legende Hennen besitzen. Um medullären Knochen zu bilden, werden andere Bestandteile, wie struktureller Knochen umgebaut. Medullärer Knochen dient den Tieren als Calciumspeicher. Je mehr und je früher das Tier legt, desto mehr Knochensubstanz geht verloren, da es keine Möglichkeit hat, diesen Speicher wieder auf zu füllen, wie z.B. durch eine längere Legepause. Dies wirkt sich negativ auf die Stabilität der Knochen aus.

Einfluss der Genetik

Eine experimentelle Untersuchung von verschiedenen Rassen hat gezeigt, dass eine weiße Genetik (WLA-Hennen - eine Elterntierlinie der Lohmann Selected Leghorn) weniger Knochenbrüche dafür aber mehr Deformationen aufwies, verglichen mit der braunen Genetik (BLA-Hennen- Elterntierlinie der Lohmann Brown), die mehr Frakturen, dafür aber weniger Deformationen zeigten. Außerdem traten Knochenbrüche von Rasse zu Rasse unterschiedlich häufig auf.

Einfluss der Fütterung

Hier wurden bereits verschiedene Futterzusätze untersucht, jedoch ohne erfolgsversprechende Ergebnisse. Eine erhöhte Calciumgabe jedoch zeigte beispielsweise keinen Effekt auf die Brustbeinschäden, da die Möglichkeit der Resorption im Dünndarm begrenzt ist.

Bei der Mineralisierung des Knochens mit Calcium spielt Vitamin D eine entscheidende Rolle. Untersuchungen zu vermehrter Gabe von Vitamin D zeigten jedoch, dass das Vitamin sich hauptsächlich im Ei anreicherte, aber nicht zu einer besseren Knochenstabilität führte. Auch wenn derzeit weitere Untersuchungen zur Gabe von Vitamin D in Hinblick auf die Entstehung von Brustbeindeformationen durchgeführt werden, muss festgehalten werden, dass die Aufnahme von Vitamin D als Futterzusatzstoff begrenzt ist.

Des Weiteren wurde der Zusatz von Omega 3 Fettsäuren untersucht. Dieser Ansatz führte zwar zu positiven Effekten in Hinblick auf die Knochenelastizität , jedoch wirkte es sich nachteilig auf die Eimasse aus, die geringer wurde.

Ein Faktor, der in einer Praxisuntersuchung als Risikofaktor identifiziert wurde, ist das Untergewicht der Hennen. Hier ist jedoch noch die Frage offen, ob die Tiere durch die in Verbindung mit dem Bruch stehenden Schmerzen weniger Futter aufnahmen und dies zum Untergewicht führte oder das Untergewicht der Tiere im Vorfeld die Entstehung des Bruchs begünstigte, weil keine ausreichende Nährstoffversorgung vorlag.

Dennoch empfehlen die Expertinnen bei vermehrtem Auftreten von Brustbeinschäden Futteranalysen durchzuführen, um sicherzustellen, dass ausreichend Nährstoffe im Futter enthalten sind. Zudem sollte ein zusätzliches Angebot von Kalk erfolgen.

Einfluss des Haltungssystems

Ein wichtiger Punkt in Hinblick auf die Entstehung von traumatischen Brustbeinverletzungen ist das Haltungssystem. Traumatische Frakturen entstehen, wie oben erwähnt, unter anderem, wenn Hennen von Sitzstangen stürzen oder mit diesen kollidieren. Denn, wenn der Anflugwinkel in der Volierenhaltung nicht passt, fliegen die Hennen teilweise gegen die Wand oder lassen sich vor dieser fallen. Lösungsansätze, um das Auftreten von traumatischen Frakturen zu reduzieren sind das Anbringen von Rampen, rutschfeste Sitzstangen, eine angepasste Dämmerungsphase und breitere Gänge für einen besseren Ab- und Anflugwinkel (mehr dazu im M-Tool). Ein Tipp der Wissenschaftlerinnen ist, den Tieren möglichst früh in der Aufzucht Sitzstangen anzubieten, so dass sich die Tiere an diese gewöhnen und lernen sich in der Voliere zu bewegen. Außerdem sollte frühzeitig eine Gewöhnung an den Menschen erfolgen, damit die Tiere nicht in Panik geraten, wenn jemand den Stall betritt.

Beurteilung von Brustbeinen – Wie geht das?

Um sich selbst im Stall ein Bild vom Zustand der Brustbeine zu machen, ist es notwendig eine Eigenkontrolle durchzuführen. Am besten geht dies in der Dämmerung bzw. im Dunkeln, wenn die Tiere bereits aufgebaumt haben, rät Dr. Lisa Jung. Wichtig hierbei ist, dass Tiere aus allen Ebenen beurteilt werden. Bei der Brustbeinbeurteilung empfiehlt die Expertin, das Brustbein unabhängig von der Spitze (Schwanzende) des Brustbeins zu beurteilen. Denn die Brustbeinspitze weist besonders häufig Auffälligkeiten auf und ist schwierig zu beurteilen. Somit sollte diese als gesonderter Punkt erfasst werden.

Die Wissenschaftlerin empfiehlt zur Bewertung ein dreistufiges Schema.

  • Note 0: intaktes Brustbein ohne Veränderungen
  • Note 1: Brustbein mit Verdickung am Knochen oder Zusammenhangstrennungen oder Deformation der Mittellinie ≤1cm
  • Note 2: Brustbein mit Verdickung am Knochen oder Zusammenhangstrennung oder Deformation der Mittelline von ≥1cm

Für die Erhebungen werden die Tiere auf dem Unterarm abgesetzt und ein Finger zwischen die Oberschenkel der Tiere gelegt. Dies verhindert ein Aufeinander reiben der Gelenke. Für die Beurteilung des Brustbeins werden die Tiere dann auf den Rücken gedreht. Es wird mit dem Zeigefinger und Daumen am Brustbeinkamm von oben nach unten gefühlt. Dabei ist zu beachten mit angemessenem Druck zu tasten, so dass der Knochen spürbar ist. Insgesamt sollten jeweils mindestens 30 besser jedoch 50 Tiere einer Herde beurteilt werden.

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass Brustbeinschäden ein sehr präsentes Problem sind, da im Durchschnitt etwa 50 % bis hin zu 100 % der Hennen einer Herde betroffen sein können. Aufgrund der mit Brustbeinschäden einhergehenden Schmerzen und der eingeschränkten Mobilität ist das Wohlergehen betroffener Tiere stark eingeschränkt. Durch die Erfassung der Brustbeinschäden in seiner Herde verschafft sich der Tierhalter einen Überblick über die Situation in seinem Stall.

Auch wenn die Ursachen für Brustbeinschäden vielfältig sind, wurden in der Veranstaltung verschiedene Lösungsansätze vorgestellt, die zur Verbesserung der Situation im Stall beitragen können.

Autorin: Regine Revermann, Landwirtschaftskammer Niedersachsen